Menschen auf dem Gikomba-Markt in Nairobi.

Altkleider in Ostafrika Second-Hand-Mode ist Fluch und Segen

Stand: 22.04.2024 08:59 Uhr

In Kenia kommen große Mengen Altkleider aus aller Welt an - auch aus Deutschland. Für die Umwelt und die kenianische Textilindustrie sind sie ein Problem. Aber sie bieten auch Chancen.

Es ist bunt, laut und voll auf dem Gikomba-Markt in Nairobi. T-Shirts, Hemden, Hosen hängen an Holzständen. Hier gibt es alles aus zweiter Hand. Gikomba ist der größte Markt für Second-Hand-Kleidung in Kenia.

Tausende Kunden kommen jeden Tag hierher, sagt Peter Wachira, Hauptgeschäftsführer der Marktverbandes. Nicht nur aus Kenia, auch aus Nachbarländern wie Tansania und Uganda. Der Gikomba-Markt ist ein Magnet in Ostafrika für alle, die gebrauchte Textilien kaufen oder verkaufen wollen. Mehr als 100.000 Händler bieten hier ihre Waren an. Das sind so viele Menschen, wie in einer kleineren deutschen Großstadt leben.

Der Stand von Textilhändler Aloise Swaye.

Aloise Swaye (im gelben Shirt) hat seit vielen Jahren seinen Stand auf dem Gikomba-Markt.

Gebrauchtes T-Shirt für 70 Cent

Einer der Händler ist Aloise Swaye. Er verkauft gebrauchte T-Shirts und Hemden und arbeitet bereits seit 19 Jahren auf dem Gikomba-Markt. Er sei auf die Second Hand-Kleidung angewiesen, erzählt Aloise Swaye. Von ihrem Verkauf könne er gut leben. Ein T-Shirt kostet hier 100 Kenia Shilling, umgerechnet etwa 70 Cent.

Eine Frau durchwühlt einen großen Haufen Altkleider auf einem Holztisch vor seinem Marktstand. Alice Mwangi sucht Hemden - allerdings nicht für ihren Mann, sondern für ihre Kunden. Sie verkauft die Hemden weiter. Das Wichtigste: Die gebrauchten Textilien müssten eine gute Qualität haben, erzählt sie, sonst seien ihre Kunden unzufrieden.

Nancy Ndungu

Nancy Ndungus Ware kommt aus aller Welt, auch aus Deutschland.

Deutschland verkauft viele Altkleider nach Afrika

Die Second-Hand-Sachen auf diesem Markt sind keine Kleiderspenden. Sie stammen von kommerziellen Textilhändeln - vor allem aus den USA, aus China und Großbritannien. Auch aus Deutschland, denn das Land ist einer der weltgrößten Exporteure von Second-Hand-Kleidung. Im vergangenen Jahr wurden gut 430.000 Tonnen Altkleider über den Erdball verkauft, haben die Marktstatiker von ITC/Statista errechnet. Zunächst werden sie in die Niederlande und nach Polen veräußert. Von dort aus über die Häfen in Rotterdam und Danzig nach Afrika transportiert.

In Afrika kommen die Altkleider dann an - als große Bündel, in dicker Plastikfolie, festverschnürt. In Kenia heißen sie Mitumba. Im Büro von Nancy Ndungu stapeln sich die Kleiderpakete bis zur Decke. Sie habe Lieferanten weltweit, auch in Deutschland, die bei sich Altkleider sammeln und sie dann nach Kenia verkaufen, erzählt die Geschäftsfrau. Diese Second-Hand-Kleidung verkauft sie dann weiter an die Händler auf dem Gikomba-Markt. Eine lange Händlerkette - von Deutschland nach Afrika.

Textilflut verstopft Flüsse in Kenia

Die Altkleider sorgen für große Probleme in Kenia. Billigklamotten aus Synthetikfasern, aus der sogenannten "Fast Fashion", die nicht wiederverwertet werden können, verstopfen Flüsse und verschmutzen die Landschaft. Mittlerweile gebe es deutlich mehr qualitativ schlechte Altkleider,  die nur noch auf dem Müll landen, sagen Händler auf dem Markt. Allein in Deutschland ist laut des Statistischen Bundesamtes innerhalb von zehn Jahren die Menge an Textil- und Bekleidungsabfällen um rund 70 Prozent gestiegen.

Ein weiteres Problem: In der kenianischen Textilindustrie sind viele Jobs verloren gegangen, kritisiert Whitney Speke von der Recycling-Organisation "Africa collect textiles". Lokale Klamottenhersteller seien zugrunde gegangen, weil die Altkleider viel billiger seien. In Kenia habe es mal eine große Vielfalt an Textilproduktion gegeben, sagt Speke. Die gebe es aber nicht mehr.

Näherinnen auf dem Gikomba-Markt in Nairobi.

Der Handel mit Second-Hand-Waren bietet auch die Chance vieler Arbeitsplätze.

Second Hand-Kleidung schafft neue Jobs

Doch die Second-Hand-Mode bietet auch Chancen in Kenia. Rund um den Gikomba-Markt sind Tausende neue Jobs entstanden - etwa in Nähstuben, Wäschereien oder Transportunternehmen. Menschen, die wenig Geld haben, können sich hier Kleidung leisten. Mitumba ist also beides: ein Fluch und ein Segen.

Karte: Kenia, Uganda, Tansania

Karin Bensch, ARD Nairobi, tagesschau, 22.04.2024 14:55 Uhr