Brasilien Erdrückende Putsch-Beweise gegen Bolsonaro
Der Bericht der Bundespolizei ist offenbar eindeutig: Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro soll aktiv mitgewirkt haben an einem Putschversuch gegen seinen Amtsnachfolger Lula. Sogar dessen Ermordung soll geplant worden sein.
Anfang der Woche: Jair Bolsonaro kommt gerade von einer Reise aus dem Nordosten Brasiliens zurück, als ihn eine Traube von Journalistinnen und Journalisten am Flughafen von Brasilia abfängt. Fragen wischt Brasiliens Ex-Präsident wirsch zur Seite. Die Vorwürfe gegen ihn seien wirklich schrecklich, so Bolsonaro. Dann beginnt er, sichtlich wütend, mit seiner Verteidigung: "Niemand wird mit einem pensionierten General und einem halben Dutzend Offizieren einen Putsch durchführen. Was sie sagen ist absurd. Von meiner Seite war nie die Rede von einem Putsch."
Doch genau das soll aus den Ermittlungen der Bundespolizei hervorgehen. Fast 900 Seiten stark ist der Ermittlungsbericht, der nun der Justiz übergeben und in Teilen veröffentlicht wurde: Demnach soll Brasiliens Ex-Präsident und ehemaliger Fallschirmjäger-Hauptmann Bolsonaro aktiv an der Planung eines Putsches beteiligt gewesen sein.
Lula sollte sogar ermordet werden
Ziel soll es gewesen sein, den aktuellen Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva damals nach dessen Wahl Ende 2022 von der Übernahme der Macht abzuhalten. Mehr noch, es soll sogar den Plan gegeben haben, Lula zu ermorden. Eine der 37 mutmaßlichen Verschwörer: niemand Geringerer als Brasiliens ehemaliger Präsident Bolsonaro.
Dessen Anwalt Paulo Amador da Cunha Bueno spricht von einer Operation gegen seinen Mandanten: "Wir haben die Gewissheit und Überzeugung, dass auf der Grundlage der dargereichten Fakten, die von der Presse bruchstückhaft präsentiert werden, offensichtlich eine Erzählung konstruiert wird."
Treffen mit Befehlshabern der Streitkräfte
Laut den Ermittlungen der Bundespolizei soll unter Bolsonaros Führung die Strategie zum Staatsstreich ausgearbeitet worden sein. Dazu sollen schon Monate vor der Wahl gezielt Falschnachrichten über einen bevorstehenden Wahlbetrug gestreut worden sein. Ein Dekret soll ausgearbeitet worden sein, um die Amtseinführung Lulas im Januar 2023 zu verhindern und den Zusammenbruch der Institutionen herbeizuführen.
Bereits im Dezember 2022 soll Bolsonaro außerdem ein Treffen mit Befehlshabern der Streitkräfte einberufen haben, um sie von den Plänen zu überzeugen. Die Chefs des Heeres und der Luftwaffe hätten abgelehnt, während der Befehlshaber der Marine Unterstützung signalisiert habe.
Sturm aufs Regierungsviertel
Dazu habe Bolsonaros engster Kreis die Ermordung Lulas und seines Vizepräsidenten geplant. "Gelb-grüner Dolch", so der Name der mutmaßlichen Operation. Auch ein Datum stand angeblich fest: der 15. Dezember 2022.
Doch es kam anders. Bolsonaro setzte seine Unterschrift nicht unter das Putschdekret. Eine Gruppe seiner aufgepeitschten Anhängerinnen und Anhänger allerdings stürmte und verwüstete am 8. Januar 2023 das Regierungsviertel.
Ideologische Bedrohung besteht weiterhin
Brasiliens Demokratie erwies sich als wehrhafter als 60 Jahre zuvor, als sich die Militärs an die Macht putschen und das Land mehr als 20 Jahre lang eisern beherrschten.
Es sei dringend notwendig, die Rolle der Streitkräfte in Brasilien zu reflektieren, sagt die Politikprofessorin an der Bundesuniversität von Rio de Janeiro, Mayra Goulart: "Ich finde es wichtig hervorzuheben, dass dieser Fall die Rede widerlegt, die extreme Rechte hier sei eine politische Option innerhalb eines pluralistischen, demokratischen Raumes." So habe es Bolsonaro nach der Wahl Trumps in den USA in einem Artikel geschrieben.
Dabei zeige sich, dass es genau diese Ideologie ist, die die Pluralität angreife und unterhöhle. "Und diese Bedrohung besteht weiterhin", sagt Goulart. Denn sie könne sich heute auf beträchtliche Unterstützung in Teilen der Bevölkerung stützen. "Eine Bevölkerung, die genährt von einer Blase aus Desinformation, Putschideen unterstützt, ohne diese überhaupt als solche zu erkennen."
Bolsonaro droht möglicherweise Haftstrafe
Die Staatsanwaltschaft muss jetzt entscheiden, ob sie Anklage gegen Bolsonaro und die weiteren Beschuldigten erhebt. Bei einer Verurteilung droht dem Ex-Präsidenten eine lange Haftstrafe.
Bereits jetzt darf er bis 2030 für kein öffentliches Amt mehr kandidieren. Seine Partei dagegen ging bei den vergangen Kommunalwahlen gestärkt hervor - und ihr aktueller Kandidat Tarcísio de Freitas, Gouverneur von São Paulo, der Bolsonaro offen gegen die Vorwürfe verteidigt, darf sich laut Umfragen gute Chancen bei den kommenden Präsidentschaftswahlen 2026 erhoffen.