Affäre im Bildungsministerium Neuer Minister, alter Sachverhalt und viele Fragen
Nur etwa drei Monate lang wird Cem Özdemir übergangsweise das Bildungsministerium leiten - und sich mit der Fördergeldaffäre befassen müssen, die seine Vorgängerin ausgelöst hat. Die Union jedenfalls macht weiter Druck.
"Fragenhagel": So könnte man das nennen, was die Union in Bezug auf das Bundesbildungsministerium und die sogenannte Fördergeldaffäre betreibt. Besser vielleicht noch "Fragentornado". Bei der Affäre war aus einem internen Mailverkehr aus dem Bildungsministerium hervorgegangen, dass das Ressort der damaligen Ministerin Bettina Stark-Watzinger prüfen ließ, ob kritischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die nicht der politischen Linie des Ministeriums folgen, Fördergelder entzogen werden könnten.
Die letzte kleine Anfrage der Union, die die Bundesregierung am 31. Oktober erreichte, beinhaltete 135 Fragen, die eigentlich innerhalb von zwei Wochen beantwortet sein sollten. Worauf das abzielte, ist klar: Stark-Watzinger sollte weiter unter Druck gesetzt werden. Die Union hat offenkundig nicht das Gefühl, dass rund um die Affäre schon alles aufgeklärt ist. Doch dann kam der 7. November, die Ampelkoalition zerbrach, und plötzlich war die FDP-Politikerin Stark-Watzinger nicht mehr Ministerin.
Der neue Bildungsminister will aufklären
Die 135 Fragen standen aber immer noch im Raum. Die Antworten liegen jetzt dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vor, und einiges ist spannend. Zum Beispiel gibt es eine Vorbemerkung der Bundesregierung, in der es heißt, dass "der hier gegenständliche Vorgang ressortintern geprüft" werden soll. Im Klartext: Der neue Minister Cem Özdemir will aufklären.
Und zwar die Frage, ob die Aktenführung unter Ministerin Stark-Watzinger tatsächlich ordnungsgemäß war. Also, ob die viel diskutierten Chats, die im Zuge der der Fördergeldaffäre zwischen Ministeriumsmitgliedern ausgetauscht wurden, nicht eigentlich Eingang in die Akten hätten finden müssen, weil in den Chats dienstlich relevante Fragen besprochen wurden.
Gab es unter Stark-Watzinger ein "Dienstvergehen"?
Diese Ankündigung einer Prüfung kommt der Union sehr gelegen. Der Amtsantritt von Özdemir sei eine große Chance, "die Umstände der Fördermittelaffäre von Frau Stark-Watzinger endlich aufzuklären", sagt Thomas Jarzombek, der bildungspolitische Sprecher der Union.
Die Union hat außerdem den Verdacht, dass es unter Ministerin Stark-Watzinger zu "Dienstvergehen" gekommen sei. Sie bezieht sich auf eine Aussage der FDP-Politikerin in einer Sondersitzung des Bundestagsausschusses für Bildung. Dabei sagte die Ministerin, sie nutze den Messengerdienst Wire, über den sich die Ministeriumsmitglieder austauschten, auf ihrem privaten Handy.
Die "dienstliche Nutzung privater Hard- und Software" ist aber "grundsätzlich nicht gestattet", wie es nun in den Antworten der Bundesregierung heißt. Und weiter: Für dienstliche Zwecke dürfe grundsätzlich nur die vom Dienstherrn zur Verfügung gestellte Hard- und Software eingesetzt werden.
Darf die Staatsministerin a.D. Döring nun aussagen?
Özdemir soll seinen Abschlussbericht zu der Fördergeldaffäre, das ist zumindest der Wunsch der Union, Ende Januar im Bildungs- und Forschungsausschuss vorstellen. Auch der Fall der geschassten Staatssekretärin a.D. Sabine Döring soll dort noch einmal besprochen werden.
"Wir werden ihn (Cem Özdemir) auch darum bitten, für diesen Tag Frau Staatssekretärin a.D. Professor Döring in der Sache von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden und den Bundestagsabgeordneten des Bildungs- und Forschungsausschusses im Vorfeld in geeigneter Weise Einblick in die relevanten Akten zu ermöglichen", kündigt Jarzombek an. Döring wollte in den vergangenen Monaten gerne in eigener Sache aussagen, durfte das aber nicht. Ihr letzter Dienstherr, das Bundesbildungsministerium, erteilte ihr keine Genehmigung.
Die neuen Staatssekretäre
Nach dem Ende der Ampelregierung gab es offenbar die Idee in der Wissenschaftscommunity, ob nicht Döring, die in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, nicht möglicherweise wieder als Staatssekretärin eingesetzt werden könnte. Das wäre schon eine bemerkenswerte Pointe gewesen: Wenn Döring auf Roland Philippi gefolgt wäre, der zuvor ja den Posten von ihr übernommen hatte.
Der neue Übergangsbildungsminister Özdemir hat sich aber anders entschieden. Und zwar einerseits für Stephan Ertner, der eigentlich Dienststellenleiter der Landesvertretung Baden-Württemberg ist und dorthin auch zurückkehren soll, wenn es eine neue Bundesregierung gibt. Berufen wurde auch Karl-Eugen Huthmacher, der seinen seinen Ruhestand unterbricht. Er war schon Abteilungsleiter unter den Ministerinnen Annette Schavan und Johanna Wanka.
Claudia Müller, parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, wird zusätzlich die Aufgabe als Parlamentarische Staatssekretärin im Bildungsministerium übernehmen. Zumindest ein Teil der Arbeit ist: Aufklärung.