Tausende Menschen stehen auf einem Platz und halten Plakate.

Tausende bei Demos in Marburg Proteste gegen Rechtsextremist Martin Sellner

Stand: 29.07.2024 22:14 Uhr

Keine "Propaganda für Remigration" - das war das Motto von zwei Demonstrationen in Marburg. Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner plante für den Abend eine Lesung in der Stadt. Tausende Menschen stellten sich dagegen.

Gegen den in Deutschland als rechtsextrem eingestuften Martin Sellner aus Österreich haben am Montag in Marburg zwei Demonstrationen stattgefunden. Sellner war nach ersten Informationen für eine Lesung aus seinem neuen Buch in der Stadt. Die Veranstaltung sollte hr-Informationen zufolge in den privaten Räumen einer Burschenschaft stattfinden, die der "Identitären Bewegung" nahesteht.

Wie die Polizei am späten Abend mitteilte, fand die Lesung jedoch nicht in Marburg, sondern im benachbarten Gladenbach (Marburg-Biedenkopf) statt. Ob Sellner den Ort verlegte, war zunächst unklar.

Über 3.500 Demonstranten in Marburg

An der ersten Demonstration gegen Sellners Lesung beteiligten sich am Nachmittag rund 1.000 Teilnehmende, wie die Polizei berichtete. Die Demo startete auf dem Marburger Marktplatz und führte zu drei Burschenschaften, die für ihre Verbindungen in die "Identitäre Bewegung" bekannt sind.

Bei der zweiten Demonstration am Abend waren nach Angaben der Veranstalter etwa 3.000 Menschen. Die Polizei sprach von 2.500 Teilnehmenden. Bei der Veranstaltung vor dem Erwin-Piscator-Haus, der Marburger Stadthalle, war auch Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) dabei.

"Wir kämpfen für eine offene, bunte Gesellschaft"

"Wir kämpfen für eine offene, eine bunte, eine gerechte Gesellschaft, in der alle Menschen ihren Platz haben", sagte er am Abend in seiner Rede. Er wolle die Grundwerte des Landes verteidigen. "Eine klare Linie gegen Rechtsextremismus ist Teil meines Diensteides. Dafür sollte weder bei uns noch sonst irgendwo Raum sein", sagte Spies dem hr.

Organisiert wurde der Protest von der Stadt und einem neuen Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, das aus Marburger Vereinen, Organisationen und Privatpersonen besteht. Das Signal: Marburg ist weltoffen, hier ist kein Platz für Propaganda und Hetze.

Zwei der drei Burschenschaften, die Ziel der Demo waren, hatten sich am Montag gegenüber dem hr von Sellner distanziert und darauf hingewiesen, dass bei ihnen keine Lesung stattfinde. Zu der Demonstration hatten das Marburger "Bündnis gegen Rechts" und die Linkspartei aufgerufen.

Polizei erteilt Platzverweise

Am Abend meldete die Polizei einen Einsatz in der Nähe des Marburger Messeplatzes. Dort kam es zu Straßenblockaden von etwa 150 Demonstranten. Es wurden unter anderem Rauchbomben gezündet. Die Polizei erteilte Platzverweise und hob vereinzelt Menschen von der Straße.

Wegen der Demos kam es laut Polizei zu größeren Einschränkungen im städtischen Verkehr. Die Beamten waren mit einem Großaufgebot in der Innenstadt unterwegs. Es handelte sich um eine mittlere dreistellige Anzahl von Polizisten. Auch eine Polizeidrohne kam zum Einsatz, um einen Überblick über das Geschehen zu haben.

Stadt Marburg missbilligt Auftritt offiziell

Die Stadt Marburg hatte sich im Vorfeld bis auf die AfD in einem Beschluss eindeutig zu Sellner und seiner Lesung positioniert: "Die Universitätsstadt Marburg missbilligt mit allem Nachdruck, dass Martin Sellner in Marburg Thesen zur Vertreibung eines Teils unserer Einwohner*innen propagieren will." Sellners Thesen seien eine "Gefahr für unser Gemeinwesen sowie für die Demokratie und Verfassung in unserem Land".

Ein Einreiseverbot nach Deutschland konnte Sellner im Vorfeld einer Lesung in Potsdam im April mit einem Eilantrag verhindern. Mehrere Staaten haben wirksame Einreiseverbote gegen den Österreicher verhängt, unter ihnen die USA und Großbritannien. 

Sellners "Masterplan Remigration"

Der Aktivist und Autor Sellner gilt als einer der Hauptakteure und Stratege der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Identitären Bewegung". Im November hatte er außerdem in Potsdam seinen "Masterplan zur Remigration" präsentiert.

In seinem Buch führt er nun seine Ideen eines "Musterstaates" in Nordafrika aus, in den er bis zu zwei Millionen Menschen, namentlich Afghaninnen und Afghanen, "hinbewegen" möchte.

Sellner hatte die Vorwürfe der Stadt, seine Thesen seien menschenfeindlich und eine Gefahr für das Gemeinwesen, gegenüber dem hr zurückgewiesen.