"Letzte Generation" Haft für Klimaaktivistinnen nach Aktionen auf Sylt
Im Prozess um die Farbattacke auf ein Flugzeug auf Sylt ist am Freitag das Urteil gefallen: Zwei Mitglieder der "Letzten Generation" sind zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt worden. Zwei andere erhielten Geldstrafen.
Das Amtsgericht Niebüll (Kreis Nordfriesland) hat am Freitag das Urteil über fünf Mitglieder der Klimaschutzgruppe "Letzte Generation" gesprochen. Aus Platzgründen fand die Verhandlung in Itzehoe (Kreis Steinburg) im China Logistic Center statt. Bei der Protestaktion auf dem Flughafen Sylt hatten die Verurteilten im Juni 2023 laut Gericht einen Schaden von mehr als 850.000 Euro verursacht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Haftstrafen ohne Bewährung
Zwei Mitglieder verurteilte das Gericht wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch zu Haftstrafen von jeweils sechs und sieben Monaten - ohne Bewährung. Zwei weitere Beteiligte müssen Geldstrafen von 2.100 Euro und 1.600 Euro zahlen. Die Strafen übersteigen damit geringfügig die Forderungen der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte für Freisprüche und in einem Fall für 300 soziale Arbeitsstunden plädiert.
Notstand durch Erderwärmung
Die Beschuldigten hatten argumentiert, dass täglich Menschen durch Extremwetter und Hungersnöte sterben. Als Medizinstudentin habe sie selbst Hitzetote erlebt, sagte eine der Angeklagten. Der fortschreitende Klimawandel werde die Lage verschlimmern. Hierdurch sei ein "rechtfertigender Notstand" gegeben, argumentierte die Verteidigung. Mehrfach wurde auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 verwiesen, das die Regierung zu mehr Klimaschutz verpflichtet.
Straftaten gerechtfertigt?
Demonstrationen und politisches Engagement hätten jedoch keinen ausreichenden Einfluss auf die Politik, so die Verteidigung. Durch die Aktion habe die Gruppe Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt - insbesondere darauf, dass sich Superreiche statistisch besonders klimaschädlich verhalten. Bei einem Notstand seien auch Straftaten gerechtfertigt, wenn sie Abhilfe schaffen.
Richterin: "Sie stehen dem Klimaschutz im Weg."
Die Richterin bezweifelte jedoch, dass dies der Fall sei: "Durch Ihr Verhalten stehen Sie dem Klimaschutz im Weg", bekräftigte sie, als sie das Urteil begründete. Sie räumte zwar ein, die Aktion sei geeignet "die Willensbildung zu beeinflussen", viele Menschen würden aber mit Wut und Ablehnung auf die massive Sachbeschädigung reagieren. Ein Freifahrtschein für Straftaten, nur um Aufmerksamkeit zu erregen, würde unsere Demokratie zerstören, sagte sie. Solche Gedanken sind den Verurteilten aber fremd: "Wenn sie uns verurteilen, haben sie die Welt wenigstens geordnet an die Wand gefahren", sagte eine der Angeklagten in ihrem letzten Statement.
Haftstrafen wegen Wiederholungsgefahr
In die Haftstrafe der 24-Jährigen flossen auch andere Delikte, unter anderem die Farbattacke am Brandenburger Tor in Berlin, mit ein. Das Gericht begründete die Haft zudem damit, dass die beiden Betroffenen "zivilen Ungehorsam" künftig nicht ausschließen wollten. Der berufliche Fortgang der beiden Studierenden steht nun in Frage. Zwei der Männer hatten dagegen zuvor versichert, keine Straftaten mehr begehen zu wollen.
Freispruch für Fotografen
Ein weiterer Mann hatte die Gruppe nach eigenen Angaben als Journalist begleitet, wie schon bei mehreren vorangegangenen Aktionen. Eine Tatbeteiligung konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Er wurde freigesprochen.
Hohe Abrechnungen durch den Flugzeugbesitzer
Den Sachschaden bezifferte das Gericht am Freitag auf 850.000 bis 900.000 Euro. Die Maschine war fast ein Jahr lang außer Betrieb. Die Gruppe hatte das Flugzeug des Geschädigten aus Nordrhein-Westfalen willkürlich ausgewählt. Dieser hatte laut Gericht anschließend Teile des Flugzeugs in die USA geflogen und den Aufenthalt in Luxus-Hotels geltend gemacht. Die Richterin korrigierte deshalb die Schadenssumme, die anfänglich mit mehr als einer Million Euro angegeben war. Eine Versicherung hat den Fall reguliert.
Verfahren über Schadensersatz steht noch aus
Über Schadensersatz ist bisher nicht verhandelt worden. Ein zivilrechtliches Verfahren steht noch aus. Im Strafverfahren sind noch Berufung und Revision möglich. Eine Verteidigerin gab an, noch im Saal Rechtsmittel eingelegt zu haben. Die nächste Instanz wäre das Landgericht in Flensburg.
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NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 06.12.2024 | 15:00 Uhr