Wachsende Armut Viele Tafeln müssen Lebensmittel rationieren
Etwa 1,6 Millionen Menschen sind in Deutschland auf Tafeln angewiesen. Viele dieser Tafeln geraten wegen der steigenden Zahl an Bedürftigen an eine Kapazitätsgrenze und müssen ihre Lebensmittel rationieren.
Rund 60 Prozent der Tafeln in Deutschland müssen derzeit nach Angaben des Tafel-Dachverbandes die Ausgabe von Lebensmitteln reduzieren. Ein Drittel versuche, mit temporären Aufnahmestopps oder Wartelisten zu arbeiten, sagte Andreas Steppuhn, Vorsitzender des in Berlin ansässigen Tafel-Dachverbandes, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Andere rationierten die Lebensmittel. "Mit solchen Lösungen versuchen sich Tafeln über Wasser zu halten und gleichzeitig so vielen Menschen wie möglich zu helfen."
Hintergrund sei die teils deutlich gestiegene Zahl an Bedürftigen, sagte Steppuhn: "Seit dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine verzeichnen die Tafeln im bundesweiten Durchschnitt 50 Prozent mehr Kundinnen und Kunden." Sie unterstützten aktuell etwa 1,6 Millionen Armutsbetroffene. Die Lebenshaltungskosten in Deutschland seien gestiegen, Renten und Löhne aber nicht in gleichem Maß.
Verband fordert "endlich ernsthafte" Armutsbekämpfung
Der Verbandsvorsitzende rief die Politik dazu auf, die Armut "endlich ernsthaft" zu bekämpfen. Die ehrenamtlich arbeitenden Tafeln könnten nicht auffangen und übernehmen, was der Staat seit Jahrzehnten nicht schaffe. Erforderlich sind aus Steppuhns Sicht eine ausfinanzierte Kindergrundsicherung, krisenfeste Löhne, armutsfeste Renten und bezahlbarer Wohnraum. "Es gibt viele Schrauben, an denen gedreht werden muss."
Die vom Kanzler genannte mögliche Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel sei ein erster denkbarer Schritt, "aber mehr auch nicht", so Steppuhn. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in den tagesthemen eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Lebensmittel ins Spiel gebracht.