Exklusive Studie

Fast jeder zweite Mensch in BW fühlt sich unterwegs nachts unsicher

Stand
Autor/in
Hannes Köhle
Hannes Köhle ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".
Onlinefassung
Nicolas Friese

Im öffentlichen Raum, in Bus und Bahn, aber auch im Netz: Fast jeder Zweite in Baden-Württemberg fühlt sich nicht sicher. Das zeigt eine Studie, die dem SWR exklusiv vorliegt.

Zu Hause, in Bus und Bahn oder im Netz: An welchen Orten fühlen sich die Menschen in Baden-Württemberg sicher und wo unsicher? Dieser Frage ist das Institut für Kriminologische Forschung Baden-Württemberg (KriFoBW) im Auftrag des Innenministeriums nachgegangen. Etwa 35.500 Menschen wurden befragt. Das Ergebnis ist die erste landesweite Sicherheitsbefragung, die dem SWR exklusiv vorliegt.

Unsicherheit in BW vor allem in Bus und Bahn

Die Menschen im Land fühlen sich vor allem unsicher, wenn sie nachts alleine Bus und Bahn fahren. Mehr als die Hälfte der Menschen geben zudem an, nachts den öffentlichen Nahverkehr eher zu meiden. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch auf öffentlichen Straßen und Plätzen. Hier gibt fast jeder Zweite an, sich nachts unsicher zu fühlen, wenn er ohne Begleitung dort unterwegs ist. Laut Innenministerium fühlen sich Frauen im öffentlichen Raum unsicherer als Männer. Zudem geben vier von zehn Befragten an, dass sie häufig oder immer bestimmte Straßen, Plätze und Parks meiden, um sich vor Kriminalität zu schützen.

Die Zahlen stellen das persönliche Empfinden der Menschen dar und nicht die allgemeine Sicherheitslage im Land, betont Thomas Mößle, Professor an der Polizeihochschule Villingen-Schwenningen und Leiter der Studie. Das Empfinden hänge von verschiedenen Faktoren ab. Ein Faktor sei, wie gut sich Menschen für Gefahrenlagen gewappnet sehen oder auch wie oft sie schon zum Opfer wurden. Zusätzlich habe die politische Lage und die Medienberichterstattung über bestimmte Taten einen Einfluss. "Ein Tötungsdelikt in Hamburg wirkt sich auf das Sicherheitsgefühl der Menschen in Baden-Württemberg aus", sagt Mößle.

Die Hälfte der Menschen im Land findet zudem, dass die Polizei auf öffentlichen Straßen und Plätzen zu wenig sichtbar sei.

Die Studie zeigt auch: Mehr als die Hälfte befürchten, dass ihnen etwas gestohlen werden könnte. Knapp ein Drittel haben Bedenken, von jemandem überfallen und beraubt zu werden. Dass ihnen dies tatsächlich in den nächsten zwölf Monaten passiert, halten knapp neun von zehn Befragten jedoch für unwahrscheinlich.

Hohes Sicherheitsgefühl zu Hause und im Wohnviertel

Besonders sicher fühlen sich die Baden-Württemberger dagegen in vertrauter Umgebung. Die Antwort ist eindeutig: Rund 90 Prozent geben an, sich allgemein im eigenen Wohnviertel sicher zu fühlen. Wenn sie nachts alleine in der Wohnung sind, fühlen sich sogar noch mehr Menschen im Land sicherer.

Knapp die Hälfte fühlt sich in sozialen Netzwerken unsicher

Ein weiterer Schwerpunkt der Studie: Wie sicher fühlen sich die Menschen im Netz und welche Erfahrungen haben sie mit Cyberkriminalität gemacht?

Besonders groß ist die Unsicherheit bei der Nutzung von sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und TikTok. Knapp die Hälfte gibt an, sich bei der Nutzung von Instagram und Co. unsicher zu fühlen. Zudem fürchtet sich mehr als die Hälfte vor Kriminalität in den sozialen Netzwerken. Ein Großteil der Baden-Württemberger vermeidet es zudem, persönliche Informationen in den sozialen Netzwerken zu posten.

Nacktfotos führen kaum zur Anzeige

Mehr als jeder zehnte Befragte gibt an, schon einmal unerwünscht Nacktfotos per Nachricht erhalten zu haben. In den vergangenen zwölf Monaten wurden hingegen nur drei Prozent der Fälle zur Anzeige gebracht.

Auch bei anderen Delikten, wie Beleidigungen im Netz, gilt: Oft werden sie nicht angezeigt. Wurden die Menschen im Netz betrogen und haben Geld verloren, geben rund etwas mehr als ein Drittel der Menschen an, dies angezeigt zu haben.

Studie soll Licht ins Dunkel bringen

Die Fragen zum Sicherheitsgefühl sind Teil einer Dunkelfeldstudie im Auftrag des Landes Baden-Württemberg. Diese Art von Studien sollen Licht ins Dunkel bringen - also offenlegen, welche Arten von Straftaten nicht erfasst werden. Damit wird erforscht, warum Menschen Straftaten nicht anzeigen. Wenn hingegen eine Straftat angezeigt wird und in die Kriminalstatistik eingeht, wird das auch als Hellfeld bezeichnet.

Laut Thomas Mößle von der Polizeihochschule Baden-Württemberg, bekommt man durch die Dunkelfeldstudien Angaben dazu, wie Personen zu Opfern wurden, auch wenn sie die Straftat nicht angezeigt haben. "Die Polizei kann hier auch Informationen für die Prävention ableiten", sagt Mößle. Zum Beispiel sei dann klarer, welche Faktoren das Sicherheitsgefühl beeinflussen.

Innenminister Strobl: "Videoüberwachung steigert Sicherheitsempfinden"

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte in der Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg" am Donnerstag, die gefühlte Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger müsse man ernst nehmen, obwohl Baden-Württemberg "objektiv […] ein sehr sicheres Land ist." Strobl wies darauf hin, aufgrund zahlreicher Studien wisse man, dass Videoüberwachung das Sicherheitsempfinden stärke und Straftaten in videoüberwachten Bereichen zurückgingen.

Eine Möglichkeit ist laut Strobl die Videoüberwachung mit künstlicher Intelligenz. Ziel müsse es sein, dass die Kamera erst eingeschaltet wird, wenn Gewalt erkannt werde, so wie dies bei einem Pilotprojekt in Mannheim bereits getestet werde.

Die Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg" von Donnerstagabend:

Schwarzelühr-Sutter: Auch verbale sexuelle Belästigung ahnden

Die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) rief in der Sendung dazu auf, sogenanntes Catcalling und andere Formen der verbalen sexuellen Belästigung künftig strafrechtlich zu ahnden. Es sei wichtig, beim Gewaltschutzgesetz und beim Gewalthilfegesetz weiter voranzukommen. "Das muss ein klares Stoppsignal geben und das muss auch klar deutlich sein, dass das entsprechend geahndet wird", so Schwarzelühr-Sutter.

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Hannes Köhle
Hannes Köhle ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".
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Nicolas Friese

Kommentare (3)

Bisherige Kommentare
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  1. Kommentar von
    Michael Greiner
    Verfasst am

    Was mir ein sehr viel größeres Gefühl von Unsicherheit verschafft als nachts durch einen Park oder eine Fußgängerunterführung zu gehen, ist das Schweigen der deutschen Sicherheitsbehörden zur Zerstörung der Nordstream-Leitungen. Natürlich finde ich verbale sexuelle Belästigung schlimm, aber die Kriege auf dieser Welt bringen doch erheblich größeres Schadenspotential mit sich... Soweit meine Gedanken.

  2. Kommentar von
    Nick
    Verfasst am

    Respekt - im gesamten Text den Grund für dieses Gefühl Ausgeblendet. Unkontrollierte Migration junger Männer. Nur wer die Probleme erkennt kann sie auch lösen. Traurige Entwicklung diese Ohnmacht der Politik in D.

  3. Kommentar von
    Finescu
    Verfasst am

    Das Unsicherheitsgefühl ist seit 2015 (Beginn der illegalen Massenmigration) permanent gestiegen und die PKS (polizeiliche Kriminalstatistik) gibt diesem Gefühl durchaus recht. Auch die täglichen Berichte über Messerangriffe / Schießereien usw. usf. bestätigen dies.

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