Castor-Transport: Castoren mit Atommüll rollen auf einer Bahnstrecke (Symbolbild).

Baden-Württemberg Atommüll kommt zurück: Castor-Transport nach Philippsburg soll bald starten

Stand: 18.11.2024 13:11 Uhr

In dieser Woche werden möglicherweise die vier Castoren mit Atommüll aus La Hague im badischen Philippsburg erwartet. Das genaue Datum für den Transport ist noch geheim.

Atomgegner gehen davon aus, dass der Castor schon in der ersten Wochenhälfte in Philippsburg eintreffen könnte. Von offizieller Seite werden der Transportweg und die genaue Zeit aus Sicherheitsgründen geheim gehalten. Die vier Castoren mit Atommüll aus der Wiederaufbereitung in La Hague (Normandie) sollen offiziell bis Jahresende nach Philippsburg gebracht werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist völkerrechtlich dazu verpflichtet, den gefährlich strahlenden Müll zurückzunehmen.

Atomgegner haben nach eigenen Angaben schon vor Tagen "konkrete Transportvorbereitungen im Bahnbereich" beobachtet. Sie gehen davon aus, dass der Transport voraussichtlich am Montag, spätestens aber bis Mittwoch losfahren könnte. Weil die Strecke ebenfalls geheim gehalten wird, kommen derzeit drei Grenzübergänge nach Deutschland in Frage: Die südliche Route verläuft demnach über Kehl, eine direktere über Lauterbourg (Elsass) und eine nördliche über Forbach bei Saarbrücken.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Castor-Transport:


Wie werden die Castor-Behälter transportiert?

1.200 Kilometer Strecke, grob geschätzt, muss der hochstrahlende Atommülltransport aus der Normandie nach Deutschland zurücklegen. Atomgegner gehen davon aus, dass allein der Schienentransport 18 bis 20 Stunden dauern könnte. Das sei bei früheren Transporten der Fall gewesen. Vor dem Schienentransport werden die vier Castoren demnach auf der Straße von La Hague zum Bahnhof nach Valognes gebracht. Das sind rund 40 Kilometer Strecke. In Valognes werden die Castoren auf Spezialzüge verladen und fahren dann weiter Richtung Philippsburg.

Atommüll-Transport: Warum wird die Route geheim gehalten?

Damit der Transport sicher ablaufen kann, muss laut den Verantwortlichen vieles geheim bleiben. Deswegen wurde die genaue Strecke nach Philippsburg im Vorfeld nicht bekanntgegeben. In den vergangenen Jahren waren solche Transporte regelmäßig ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Transportverantwortlichen und der Polizei auf der einen Seite und den Atomgegnern auf der anderen Seite.

Die offene Frage ist diesmal, ob es überhaupt zu vergleichbaren Protestaktionen kommen wird, wie sie unter anderem 2011 auf dem Weg nach Gorleben stattgefunden hatten. Anti-Atom Initiativen gehen diesmal eher davon aus, dass es keine Stör- oder Blockadeaktionen geben wird.

Warum kritisieren Atomgegner den Transport?

In der Beurteilung des Transports ist sich die Anti-Atom-Bewegung uneins. Der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) und weitere Atomkritiker sind der Meinung, im Fall der Rücknahme der letzten Castoren aus Frankreich müsse das Verursacherprinzip gelten. Der Müll solle also in das Land zurück, wo er verursacht wurde. Das sieht die Anti-Atom-Initiative Karlsruhe anders. Sie fordert, dass der Atommüll erst dann transportiert werden sollte, wenn ein Endlager gefunden sei. Die Initiative hatte zuletzt am 9. November gegen den Transport des Atommülls demonstriert. Rund 50 Personen aus ganz Süddeutschland kamen.

Ein wunder Punkt aus Sicht der meisten Atomgegner bleibt die Frage der Sicherheit und der Strahlungsgefährdung, die von den vier Castoren ausgeht. Die Genehmigungsbehörden meinen, dass der Castortransport nach menschlichem Ermessen sicher sei, ebenso wie die Einlagerung der vier "Atommülleimer" im Philippsburger Standortzwischenlager.

Wie gefährlich ist ein Castor-Transport?

Die Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) ist im Auftrag der vier großen Energieversorger in Deutschland für die Entsorgung der Abfälle bis zur Abgabe in das Zwischenlager zuständig. Von dieser Seite ist zu hören: Bei den Transporten gelten Grenzwerte von 0,1 Millisievert (mSv) pro Stunde in zwei Metern Entfernung. "Dieser Grenzwert bedeutet, dass eine Person, die sich eine Stunde in zwei Metern Entfernung vom Transport aufhält, höchstens eine zusätzliche Dosis von 0,1 Millisievert erhält", so Michael Kölbl, Sprecher der GNS. Die 0,1 Millisievert entsprächen der Dosis, die ein Passagier während eines Flugs von Frankfurt nach New York und zurück aufgrund der kosmischen Strahlung erhalte.

Castoren: Transportbehälter für abgebrannte Brennelemente

Der Name Castor steht für "Cask for Storage and Transport of Radioactive Material", also für "Behälter zur Lagerung und zum Transport radioaktiven Materials". Castoren wurden entwickelt, um abgebrannte Brennelemente und hochradioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken zu ihren Zwischenlagern zu transportieren. Sie sollen Strahlung abschirmen und die Freisetzung von Radioaktivität verhindern. (Quelle: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, BAM)

Atomgegner sehen das anders: Neben der Unfallgefahr gebe es durch die Castor-Transporte Gesundheitsrisiken, sagen sie. Insbesondere die Gefahren der Neutronenstrahlung, die die Behälterhülle durchdringe, sei jahrelang unterschätzt worden, meinen Kritiker. Das Begleitpersonal sei daher bei jedem Transport einem weitaus höheren Risiko ausgesetzt als lange Zeit angenommen wurde.

SWR-Reporterin Susann Bühler erklärt, was bei der Einlagerung ins Zwischenlager passiert:

Was passiert bei der Einlagerung ins Zwischenlager?

Warum wurde der Eilantrag aus Philippsburg abgewiesen?

Die Stadt Philippsburg mit dem parteilosen Bürgermeister Stefan Martus hatten die Frage aufgeworfen, ob die Castoren und das Zwischenlager gezielten Angriffen von Saboteuren mit modernen Waffensystemen tatsächlich standhalten würden. Martus reichte deshalb einen Eilantrag gegen den Transport beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ein. Parallel laufen Klagen gegen die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Zwischenlager Philippsburg.

Die Antwort der Betreiber ist dabei immer dieselbe: Die Castoren und das Lager seien sicher, hieß es zuletzt beim gemeinsamen Infoforum im Oktober des Energiekonzerns EnBW und der Gesellschaft für die Zwischenlagerung (BGZ) in Philippsburg.

Der Verwaltungsgerichtshof von Baden-Württemberg (VGH) kam in seiner Entscheidung über die Eilanträge zu dem Ergebnis: von den Castoren aus La Hague gehe keine zusätzliche Gefahr für die Bevölkerung aus. Die maßgeblichen Grenzwerte würden weiterhin deutlich unterschritten.

Wird es Blockaden und Proteste geben?

Was nach Deutschland zurückkehrt ist nicht eins zu eins der Müll, der aus deutschen Atomkraftwerken bis zum Jahr 2005 zur Wiederaufarbeitung nach Frankreich geschickt wurde. Würde einer der Protagonisten auf die genaue Rücknahmemenge bestehen, dann müsste nicht nur ein Transport nach Deutschland rollen, sondern es wären insgesamt 17 Züge, die dann zu einem guten Teil auch schwach- oder mittelradioaktiv strahlendes Material enthalten würden.

In Verhandlungen mit der französischen Seite hatten sich die Betreiber deshalb auf einen einzigen Transport geeinigt, der entsprechend höher strahlendes Material enthält. Am Ende, so Jörg Michels, Chef der EnBW Sparte Kernkraft, sei die Menge der Radioaktivität gleich.

Die deutschen Atomgegner rechnen selbst nicht mit größeren Widerständen gegen den Transport. Angemeldet wurde lediglich eine sogenannte Dauermahnwache am Bahnhof in Philippsburg. Die Mahnwache startet nach der Abfahrt des Zuges in Valognes.

Was kostet die Lagerung von Atommüll?

Ein Atommülltransport und die Einlagerung sind für die Betreiber kein ganz billiges Unterfangen: Alleine der Transport koste einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag, heißt es bei der EnBW. Die Einlagerung in Philippsburg, für die dann die BGZ (Gesellschaft für Zwischenlagerung) zuständig ist, kostet allein in diesem Jahr rund 37 Millionen Euro.

In den Folgejahren, weil keine zusätzlichen Aufwendungen zu erwarten seien, sollen die jährlichen Betriebskosten dann bei 12 bis 13 Millionen Euro liegen. Finanziert werden diese Summen aus dem Atomfonds des Bundes, in den die Kraftwerksbetreiber rund 24 Milliarden Euro zur Entsorgung der Atomabfälle eingezahlt hatten.

Wie lange bleibt der Atommüll in Philippsburg?

Während die Politik und die Betreiber von Zwischenlagern an den vier Standorten im Biblis (Landkreis Bergstraße), Brockdorf (Landkreis Vechta), Isar und Philippsburg sprechen, gehen Atomgegner davon aus, dass die Endlagerfrage erst nach dem Jahr 2100 geklärt sein könnte. Der Bürgermeister von Philippsburg und Vertreter der inzwischen aufgelösten Bürgerinitiative gegen das Zwischenlager sprachen zuletzt immer wieder von einem De-facto-Endlager, da keiner der heute in Philippsburg lebenden Menschen jemals erleben werde, dass Castoren die Stadt verlassen.

Sendung am Mo., 18.11.2024 9:30 Uhr, SWR4 BW Studio Karlsruhe

Mehr zum Atommüll-Transport nach Philippsburg