Um herauszufinden, wie die Jugend tickt und welche Themen sie beschäftigen, lässt das Kultusministerium seit mehreren Jahren eine Jugendstudie durchführen: Die Uni Stuttgart hat dafür 2.092 Neuntklässler aller öffentlichen Schularten befragt, ausgenommen die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Das Ergebnis ist ein Weckruf für Politikerinnen und Politiker.
Demokratiezufriedenheit deutlich gesunken
Politik wird für die Jugendlichen immer uninteressanter. 47 Prozent sagen, dass sie wenig oder kein Interesse an Politik haben. Bei der Jugendstudie 2022 sagten das nur 39 Prozent. Auch der Teil derer, die sich stark oder sehr stark für Politik interessierten, geht zurück (von 20 auf 14 Prozent).
Damit, wie die Demokratie aktuell funktioniert, sind nur 27 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler zufrieden oder sehr zufrieden. 2022 hatte das noch fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler angegeben - und das obwohl damals Ukraine-Krieg und Pandemie tobten.
Schüler sind der Politik nicht so wichtig
Der SWR hat zu diesem Thema an einer neunten Klasse der Uhland-Schule in Mannheim eine nicht repräsentative Zufalls-Umfrage gemacht. "Ich habe nicht das Gefühl, dass wir bei der Politik das Thema Nummer eins sind und deswegen juckt uns das auch nicht", sagt eine Schülerin. Ein anderer Schüler ergänzt: "Ich denke nicht viel über Politik nach und wenn, dann sind es eher negative Sachen." Zu hören ist auch: "Schüler sind der Politik nicht so wichtig."
Diejenigen, die sagen, dass sie sich für Politik interessieren, tun das oft aus einem bestimmten Grund. Eine Schülerin sagt, es werde nicht gut über den Islam gesprochen sie mache sich Sorgen um ihre Freunde. Deswegen interessiere sie sich für Politik.
Jugendforscher Kilian Hampel von der Universität Konstanz im Interview - warum sind die Jugendlichen unzufrieden?
Verwirrung über Politik durch soziale Medien
Vor allem aber scheint es viel Verwirrung zu geben. TikTok wird mehrfach als Informationsquelle genannt und die Tatsache, dass man nicht mehr wüsste, was nun eigentlich stimme.
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sieht Handlungsbedarf. "Politik hat immense Auswirkungen auf das Leben unserer Jugendlichen," sagt sie. "Ich glaube, da hilft nur der persönliche Kontakt zu Jugendlichen, weil die Berichterstattung durch Medien oft nur die Konflikte in den Mittelpunkt stellt." Es gelte Vertrauen wiederherzustellen.
Über 50-Jährige stellen den Großteil der Wahlberechtigten
Dass sich viele Schülerinnen und Schüler nicht ausreichend ernst genommen fühlen, kann auch damit zusammenhängen, dass es für Parteien lukrativer ist, auf ältere Einwohner zu achten. Allein zahlenmäßig sind junge Erwachsene den über 50-Jährigen weit unterlegen. Bei der vergangenen Bundestagswahl machten die über 50-Jährigen fast 60 Prozent der Wahlberechtigten aus. Die unter 30 Jährigen nur etwa 13 Prozent.
Weniger Vertrauen in Politiker - mehr in Wissenschaftler
Wie steht es um das Ansehen von Politikerinnen und Politiker bei Schülerinnen und Schülern der neunten Klasse? 57 Prozent geben an, wenig oder kein Vertrauen in Politikerinnen und Politiker zu haben (2022: 42 Prozent). Eine Schülerin der Uhlandschule in Mannheim sagt dem SWR: "Die sagen ihre Meinung, machen dann aber was anderes." Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (58 Prozent) und Expertinnen und Experten (47 Prozent) kommen in der Beurteilung deutlich besser weg. Entsprechend findet auch mehr als jeder Zweite eine Regierung von Experten gut.
Schopper: "Was für ein Bild geben wir eigentlich ab?"
"Natürlich müssen wir uns fragen, was für ein Bild die Politik abgibt," erklärt Kultusministerin Theresa Schopper. Wenn man den Eindruck gewinne, Politikerinnen und Politiker würden nur streiten, dann hätten Kinder und Jugendliche nicht das Gefühl, dass es auch um ihr Leben gehe.
Schopper will jetzt die politische Bildung an Schulen vorantreiben. "Das stärken wir an der Sekundarstufe I." Die Jugend sei zwar der kleinere Teil der Bevölkerung, aber sie werde in Zukunft das Steuerrad in der Hand halten.
Was Jugendliche sorgt: Krieg, steigende Preise und Arbeitslosigkeit
Die Weltlage geht trotz sinkendem Politikinteresse nicht an den Schülern vorbei. Die Jugendstudie fragt auch ab, was den Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern ansonsten wichtig ist oder Sorge bereitet.
61 Prozent machen sich sehr große oder große Sorgen vor Krieg und Terror. Auch steigende Preise (64 Prozent) und keine Arbeit zu finden (49 Prozent) beschäftigt die Jugendlichen. Jugendliche mit Migrationshintergrund sorgen sich mehr, keine Arbeit zu finden. Der Klimawandel ist im Vergleich zu 2022 in der Bedeutung für die Jugendlichen zurückgegangen.
Bei psychischen Belastungen wenden sich die wenigsten Schüler an Lehrkräfte oder Schulsozialarbeiter. Fast ein Viertel will Probleme mit sich selber ausmachen. Die meisten (64 Prozent) haben aber Menschen in ihrem Umfeld, denen sie sich anvertrauen.
Kommentare (3)
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Naja, wenn ich mir die Grün-Schwarze Landesregierung in BW anschaue, dann sehe ich da einen Haufen "alter Weißer Männer", die neben der eigenen Seilschaft sowieso nichts anderes heranwachsen lassen. Der Ampel-Kindergarten im Bund kann allenfalls als abschreckendes Beispiel gelten und von der Kommunalpolitik hört und sieht man in der Regel nichts, wenn man nicht gerade in die Amtsblätter schaut. Also unterm Strich geht die Politik komplett am Leben der Jugendlichen ( und vieler Erwachsener) vorbei. Der Ansatz von Frau Schopper, politische Bildung in der Schule zu stärken, geht leider am Problem vorbei. Es fehlt nicht an den theoretischen Grundlagen, sondern den praktischen Möglichkeiten. Ihr Vorgesetzter sollte einmal sein Versprechen von 2011 "eine Politik des Gehört werden" halten und die Politik sollte aus den Amtsstuben heraus und auf die Menschen zu gehen.
1. Wir haben uns in den 70er/80er Jahren doch auch nicht für Politik interessiert. Ich habe mit 18 Jahren das gewählt, was meine Eltern schon immer gewählt haben. 2. Lernen die Kids in der Schule etwas über Demokratie, Diktatur, Monarchie usw.? Wenn nicht, sollte man das ändern. Im Zeitalter von Sozialen Medien und Fake News wäre politische Bildung vielleicht wichtiger als Rechnen, Schreiben und Lesen.
"Demokratiezufriedenheit" - Woran das wohl liegen mag? Vielleicht an der Einschränkung der Grundrechte während der sogenannten "Corona Pandemie" oder der Einschränkung der Meinungsfreiheit in immer mehr Sozialen Medien, die ja gerade von jungen Menschen genutzt werden, oder dem negieren von Wahlergebnissen, wie Weiland durch Fr. Merkel in Thüringen, oder der Nichtbeachtung des Wählerwillen, wie in den östlichen Bundesländern bzw. bei der aktuellen Bundestagswahl? Alles zusammen erklärt dass und die Politikverdrossenheit! Dies einzusehen würde, durch die Verursacher in Politik und Mainstreammedien, eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Position erfordern, indes, zeigt doch der ausgehandelte Koalitionsvertrag genau das Gegenteil: Mehr Staat und weniger Freiheit für den einzelnen! So endet die Demokratie und führt in den Sozialismus!