In Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr 20,2 Millionen Tonnen Treibhausgase durch den Verkehr auf der Straße verursacht.

Baden-Württemberg Sachverständigenrat warnt: BW droht Klimaziele deutlich zu verfehlen

Stand: 18.10.2024 20:40 Uhr

Das Land will CO2-Emissionen reduzieren. Der Klima-Sachverständigenrat findet aber, dass die Landesregierung bei ihren selbstgesetzten Klimazielen stark hinterher hinkt.

Die baden-württembergische Landesregierung unternimmt nach Ansicht des von ihr eingesetzten Klima-Sachverständigenrats zu wenig für die Klimaziele. Das Vorhaben, bis 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent zu verringern, sei bislang noch nicht einmal zur Hälfte erreicht, kritisieren die sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem neuen Bericht - und dabei bleiben dafür nur noch sechs Jahre Zeit, warnen sie.

Klimaschutz in BW stockt

Klima-Sachverständigenrat fordert Land zum Gegensteuern auf

Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und bis 2040 klimaneutral zu werden - fünf Jahre früher, als es der Bund für Deutschland beschlossen hat. Es dürfen dann nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden, wie wieder gebunden werden können. Die Fachleute gehen davon aus, dass dieses Ziel also deutlich verfehlt wird.

Der Klima-Sachverständigenrat fordert das Land deshalb dazu auf, schnell gegenzusteuern: Die Landesregierung müsse innerhalb einer Frist von vier Monaten ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen, fordern sie, denn das stehe so im Klimaschutzgesetz.

Fachleute befürchten: BW droht Klimaziele deutlich zu verfehlen

"Die verbleibende Zeit der laufenden Legislaturperiode muss eine Zeit der Umsetzung sein, nicht mehr der Ziele und Strategien", schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Klima-Sachverständigenrats. 

Was ist der Klima-Sachverständigenrat?

Der Rat besteht aus sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und soll als unabhängiges Gremium vor allem beim Monitoring der bisherigen Klimaschutzmaßnahmen mitwirken, sie bewerten und selbst Vorschläge einbringen. Der Rat berät zudem die Regierung und den Landtag zu Klimaschutz und der Klimawandelanpassung.

Forderung: Mehr Windenergie, mehr Photovoltaik und mehr Wasserstoff

Das Gremium zweifelt außerdem daran, dass das Ausbauziel für erneuerbare Energien in Baden-Württemberg bis 2030 erreicht wird. Deshalb fordert es, den Ausbau der Windenergie und der Freiflächen-Photovoltaik durch weitere Maßnahmen zu fördern. Auch Wasserstoff müsse stärker unterstützt werden, raten sie.

Des Weiteren ist der Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft konsequent zu unterstützen. Klima-Sachverständigenrat des Landes im neuen Bericht

Zu viel Pendlerverkehr mit dem Auto

Der Verkehr ist dem Bericht zufolge der mit Abstand größte Verursacher von Treibhausgas-Emissionen und der einzige Sektor, der im Vergleich zu 1990 bislang nicht weniger ausstößt - im Gegenteil: Trotz technologischer Fortschritte sind die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 1,7 Prozent gestiegen, da vor allem im Pkw-Verkehr die Fahrleistungen weiter zugenommen haben (+2,3 Prozent), so der Bericht.

Ein wesentlicher Faktor ist nach Angaben der Sachverständigen der wachsende Pendlerverkehr, aber auch die steigende Anzahl von schwereren und leistungsstärkeren Fahrzeugen, insbesondere SUVs. Der Anteil der Elektrofahrzeuge an der gesamten Fahrleistung sei mit 2,3 Prozent zwar steigend, aber immer noch sehr gering

Fachleute: Die Industrie kann die Klimaziele mit viel Mühe erreichen

Was die Klimaziele der Industrie in Baden-Württemberg bis 2030 betrifft, sind die Sachverständigen zuversichtlich: Sie könnten erreicht werden, sofern das Land Unternehmen dabei auch stärker finanziell unterstützt, um klimaneutral zu produzieren.

Eine enorme Herausforderung sei dieses Ziel in der Landwirtschaft, heißt es in dem Bericht Klima-Sachverständigenrat: "Ohne zusätzliche Anstrengungen und strukturelle Veränderungen sowohl in der Produktion als auch im Konsum tierischer Produkte werden die gesetzten Klimaschutzziele im Landwirtschaftssektor nicht erreicht werden können."

Die Naturschutzorganisationen NABU und BUND forderten die Landesregierung auf, die Aussagen des Klimasachverständigenrats ernst zu nehmen. Sie müsse mehr Geld für Klimaschutz bereitzustellen.

Das sagt die Landesregierung zur Kritik der Klimaschutz-Fachleute

Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) sagte dem SWR, sie nehme die Expertenmeinung sehr ernst und versuche, daraus neue Maßnahmen zu entwickeln. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) räumte ein: "Wir sind beim Klimaschutz im Verkehrssektor leider nicht dort, wo wir sein müssten." Die "Instrumente" der Landesregierung zum Erreichen der Klimaziele bekämen selbst von den Fachleuten gute Noten, teilt Hermann mit - "aber wir sind nicht schnell genug". Zugleich kündigt er an, jetzt werde die Landesregierung "die Maßnahmen überprüfen und Konzepte entwickeln, wie wir die Geschwindigkeit erhöhen können."

In Arbeit sei außerdem ein neues Förderprogramm für Lastwagen mit Elektroantrieb und das Landesmobilitätsgesetz, so Hermann. Das Gesetz soll nach Angaben des Landes helfen, mehr Klimaschutz im Verkehr und Lebensqualität sicherzustellen. Doch die CDU lehnte den ersten Entwurf von Hermann wegen Bürokratiebedenken ab.

Kritik am Klimaschutz in BW bereits im vergangenen Jahr

Wie Baden-Württemberg beim Klimaschutz voran kommt, wird einmal pro Jahr von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Auftrag der Landesregierung geprüft. Im vergangenen Jahr hatte der Klima-Sachverständigenrat die Anstrengungen des Landes als "noch deutlich zu zaghaft" und "nicht wirkmächtig genug" kritisiert.

Diesmal teilt das Gremium mit, es sei zu befürchten, dass der Klimaschutz angesichts vieler anderer Krisen aus dem Blick geraten könnte. Es sei nachvollziehbar, dass angesichts täglicher Schreckensmeldungen zwangsläufig eine Konkurrenz der aktuell bedrohlichsten Szenarien entsteht, sagte die Vorsitzende des Gremiums, Maike Schmidt, bei der Vorstellung der Stellungnahme zum Fortschritt des Klimaschutzes am Freitag. "Wir können aber nicht akzeptieren, dass klimawandelbedingte Katastrophen zunehmend als neue Normalität oder schlicht als unabwendbar hingenommen werden."

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