Nach Urteil um tödlichem Unfall in Schwimmunterricht

Lernen unsere Kinder nicht mehr richtig schwimmen? Darum geht es in der Debatte in BW

Stand

Von Autor/in Tiana Zoric

Nach dem Urteil gegen zwei Lehrerinnen aus Konstanz, sind viele im Land verunsichert. Die Schwimmverbände wünschen sich deshalb mehr Zusammenarbeit zwischen Schule und Vereinen.

Nach der Verurteilung zweier Lehrerinnen aus Konstanz, in deren Schwimmunterricht ein Grundschüler verstarb, sind Schwimmlehrerinnen und -lehrer und andere Lehrkräfte im Land verunsichert. Wie geht es nun mit dem Schwimmunterricht weiter?

Schwimmen in der Grundschule: Große Gruppen schwierig für Trainer

"Das Urteil verunsichert mich nicht", sagt Andreas Gering. Er leitet seit 23 Jahren gemeinsam mit seiner Frau eine Schwimmschule in Ludwigsburg. Bisher sei "toi, toi, toi" alles gut gegangen. Doch es mache ihn betroffen, von solchen Fällen zu hören, sagte er im Gespräch mit dem SWR.

Die große Zahl an Kindern, die die beiden Lehrerinnen betreuten, sei eine große Herausforderung, so Gering. Auch er kennt solche Situationen. Er leitet eine Schwimm-AG an einer Schule und betreut dort eine ganze Schulklasse. "Es ist schwer", sagt er, "aber wir haben einen Weg gefunden, bei dem wir hoffen, dass nichts passiert." So teilten eine Kollegin und er die rund 20 Kinder in Nicht-Schwimmer und Schwimmer auf. Doch während der Verteilungsschlüssel bei Vereinen eigentlich einen Schwimmlehrer auf sechs Kinder vorsieht, sind es in diesem Fall zehn.

Und das bedeutet gute Vorbereitung: Weil auch in den kleinen Becken immer etwas passieren könne, dürfen die Nicht-Schwimmer laut Gering nur einzeln in Bereichen schwimmen, die nicht tiefer als 80 Zentimeter sind. Und auch nur in Begleitung, während der Rest draußen wartet. Für die Schwimmer in der Gruppe gibt es eine Bahn, in der sie hintereinander schwimmen dürfen.

Andreas Gering ist Schwimmlehrer und leitet seit 23 Jahren die Schwimmschule Pinguin in Ludwigsburg.
Andreas Gering ist Schwimmlehrer und leitet seit 23 Jahren die Schwimmschule Pinguin in Ludwigsburg.

Wieso das Gewöhnen ans Wasser für Kinder so wichtig ist

Nach dem Urteil in Konstanz wird eifrig über die aktuelle Situation debattiert. Das Schlimmste, was nach dem Richtersprach passieren könnte, wäre den Schwimmunterricht ganz zu streichen. Das meinen sowohl Badischer als auch Württembergischer Schwimmverband.

"Die Tendenz ist leider schon die, dass die Schwimmfähigkeit bei Kindern nachlässt", so Emanuel Vailakis auf SWR-Anfrage. Laut dem Geschäftsführer des Württembergischen Schwimmverbands stehen mehr Kinder in der Grundschule das erste Mal überhaupt in einem Hallenbad als noch vor ein paar Jahren. Der Anteil der Nichtschwimmer nimmt zu, an jeder fünften Grundschule in Baden-Württemberg konnte im vergangenen Schuljahr kein Schwimmunterricht angeboten werden.

Die Grundschulen hätten nicht genug Ressourcen, betonte Monika Stein, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Stein sagte gegenüber dem SWR, die Personaldecke an den Grundschulen sei zu knapp. Es fehle oft das Personal, um beim Schwimmunterricht oder anderen außerschulischen Aktivitäten mehr Lehrkräfte dabei zu haben als vorgeschrieben. "Lehrkräfte haben immer Sorge, ob alles gut geht, wenn sie mit Kindern unterwegs sind und die Verantwortung für Kinder tragen. Und selbstverständlich führen solche tragischen Unglücksfälle dazu, dass diese Sorge noch verstärkt wird und sie wirklich noch mehr überlegen: Kann ich es mir zumuten?", so Stein im Hinblick auf den Vorfall in Konstanz.

Was jetzt nicht passieren darf ist, dass sämtliche Lehrkräfte sagen, sie machen nichts mehr in dem Bereich.

Wichtig sei laut dem Geschäftsführer des Badischen Schwimm-Verbands, Holger Voigt, gemeinsam mit dem Kultusministerium nach Lösungen zu suchen. Dabei gehe es zum einen darum, überhaupt allen Kindern den Zugang zu Wasserflächen zu ermöglichen - aber auch um die fachliche Qualifizierung von Lehrkräften. Viele Grundschullehrkräfte müssten Schwimmunterricht geben, obwohl sie eigentlich fachfremd sind. Einige würden sich deshalb beim Verband melden und nach Lehrmaterial fragen, so Voigt weiter.

Die Probleme sind bekannt: Mit 450 Millionen Euro soll ab diesem Jahr mehr als doppelt so viel wie bisher in Schulbau und -sanierung gesteckt werden, so das Kultusministerium. "Aus diesen Mitteln fördern wir nun die Sanierung von Lehrschwimmbecken und von durch Schulen genutzten Schwimmbädern mit jährlich bis zu 30 Millionen Euro", heißt es gegenüber dem SWR.

Schwimmverbände: Experten mit in den Schwimmunterricht holen

Dabei könnten Schwimmvereine eine gute Anlaufstelle sein. Denn neben qualifizierten Lehrkräften brauche es auch Trainerinnen oder Trainer, die als Experten beim Schwimmunterricht aushelfen, so Voigt. Doch dafür brauche es mehr Personal.

Die beiden Verbandsgeschäftsführer sind sich einig: Dieses Problem lässt sich nicht durch Ehrenamt lösen. Vielmehr brauche es Menschen, die in Teilzeit oder als Minijob bei den Vereinen angestellt werden, um auch die Wasserzeiten am Vormittag belegen zu können. Denn verfügbare Hallenzeiten gebe es genug, betont Vailakis vom Württembergischen Schwimmverband. Allerdings nicht zu den Stoßzeiten nach Feierabend, sondern am Vormittag.

Zuerst Wassergewöhnung, dann Schwimmunterricht

Schwimmlehrer Andreas Gering rät Eltern deshalb, ihr Kind bereits vor der Grundschule in Kurse zur Wassergewöhnung anzumelden. Dort lernen sie, wie man unter Wasser ausatmet oder sich in Notsituationen auf den Rücken dreht. "Je sicherer die Kinder im Wasser sind, desto schneller lernen sie schwimmen", so Gering. Deshalb sollte die Wassergewöhnung bestenfalls noch vor dem Anfängerschwimmen absolviert werden.

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