Oft kaum Hinweise auf Pläne

LKA-Chef warnt: Gefährliche Täter werden immer jünger

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Der tödliche Messerangriff in Mannheim oder ein Auto, das in eine Menschenmenge rast. Laut Polizei gibt es mehr potenzielle Täter, deren Absichten kaum zu erkennen sind.

Nach mehreren Gewalttaten wie zuletzt in Mannheim sehen die Ermittlerinnen und Ermittler eine wachsende Gefahr durch immer schneller radikalisierte Einzeltäter oder Menschen mit psychischen Auffälligkeiten. "Wir sind mit einer Quantität konfrontiert, die problematisch ist", sagte der Präsident des baden-württembergischen Landeskriminalamts (LKA), Andreas Stenger. Besonders heikel: Die Täter würden immer jünger und es gebe oft kaum Hinweise darauf, dass jemand tatsächlich eine Gewalttat plane, so der LKA-Chef weiter.

Mehr Gewalttaten ohne Vorzeichen

Ein Beispiel: Anfang März raste ein Mann mit seinem Auto durch die Fußgängerzone in Mannheim. 2 Menschen starben, 14 weitere wurden verletzt. Der Täter, ein Deutscher, der laut Innenministerium an einer psychischen Erkrankung leidet, hatte keine Vorwarnzeichen gezeigt.

Zuvor schockierte schon ein anderer Vorfall in Mannheim: Ende Mai vergangenen Jahres griff ein mutmaßlicher Islamist mit einem Messer sechs Menschen an und tötete einen Polizisten. Beide Taten kamen für die Ermittlerinnen und Ermittler überraschend.

Stenger: Absoluter Schutz nicht möglich

LKA-Chef Stenger sagte, dass die Polizei ihr Bestes tue, um solche Taten zu verhindern. Aber: "Mannheim zeigt, dass es keinen 100-prozentigen Schutz geben kann." Es sei schlicht unmöglich, jede Tat im Voraus zu verhindern - weder durch Einzelpersonen noch durch die Polizei. Das gilt aus Sicht Stengers nicht nur für mögliche Taten von psychisch auffälligen Menschen, sondern auch für Anschläge durch zunehmend schneller radikalisierte Täter.

LKA-Chef: Radikalisierte junge Menschen besonders gefährlich

Das Problem: Viele jugendliche Täter wirkten nach außen komplett normal. Sie lebten scheinbar säkular und integriert, fielen also nicht auf. Doch auf ihren Handys speicherten sie Videos von Hinrichtungen oder beschäftigten sich heimlich mit extremistischen Ideen. Es gebe Fälle, da suchten Minderjährige gezielt nach Waffen, sagte Stenger. Gewaltfantasien würden dabei zunehmend zur Realität. "Das ist weit mehr als irgendeine Spinnerei. Da gibt es oft konkrete Pläne, die uns immens herausfordern."

Für Aufsehen hatten zuletzt Jugendliche aus Nordrhein-Westfalen und Ostfildern (Kreis Esslingen) gesorgt, die nach Überzeugung der Justiz islamistisch motivierte Terroranschläge auf Kirchen und Polizeireviere geplant hatten. Sie hatten sich laut Staatsanwaltschaft durch den Konsum von Propaganda des sogenannten Islamischen Staates (IS) über das Internet radikalisiert. Zwei Mädchen und ein Junge waren deswegen zu jeweils drei Jahren Haft, ein weiterer Jugendlicher aus Ostfildern zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Ermittler suchen gezielter im Internet

Beide Tätergruppen - die der psychisch belasteten und die der radikalisierten Täter - würden durch die veränderte sicherheitspolitische Lage in einem schwierigen gesellschaftlichen Klima beeinflusst, sagte LKA-Präsident Stenger und warnte: "Wir leben in einer Phase der Zuspitzung, geprägt von Extremen, von Desinformation, Social Media, Filterblasen, Echokammern und wachsender Agitation."

Um die Zeichen etwa von Radikalisierung früh zu erkennen, führe der Weg der Ermittlerinnen und Ermittler auch immer häufiger in das Internet. "Das Monitoring von Social Media, TikTok und Co. ist hier eine Kernaufgabe", sagte Stenger. "Aber wir suchen immer die Nadel im digitalen Heuhaufen - und während die Nadel gleich bleibt, wird der Haufen größer." 

Deshalb besitze das neue Staatsschutz- und Anti-Terrorismuszentrum (SAT BW) als eine wesentliche Säule eine spezialisierte Einheit zur Beobachtung des Internets. Ziel sei es, beim Monitoring per Mausklick Tendenzen zur Radikalisierung und extremistische Aktivitäten in digitalen Netzen und Diensten frühzeitig zu erkennen. 

Spezielle Ermittlergruppe im neuen Zentrum zur Terrorismusabwehr

Die Monitoring-Einheit aus Datenanalysten, Informatikerinnen und Medienforensikern ist Teil des SAT BW, das zur Jahreswende seine Arbeit unter dem Dach des Landeskriminalamts aufgenommen hat. Es soll vor allem die relevanten Akteure miteinander vernetzen - mit dabei sind nicht nur Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz, sondern auch der Sonderstab "Gefährliche Ausländer". In der Endstufe sollen 200 Mitarbeitende in dem Zentrum arbeiten.

Nach den Anschlägen von Solingen und Mannheim hatte sich die Landesregierung im September 2024 auf ein umfassendes Sicherheitspaket geeinigt. Die Sicherheitsbehörden sollen demnach mit mehr Befugnissen, mehr Personal und mehr Geld ausgestattet werden. Das Ziel: neue Bedrohungen früher erkennen und verhindern - auch in der digitalen Welt.

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