Der Fall einer Gruppenvergewaltigung in Freiburg sorgte 2018 bundesweit für Entsetzen und hitzige Diskussionen. Eine 18-Jährige wurde wenige Meter von einem Club entfernt im Hans-Bunte-Areal von mehreren Männern vergewaltigt. Unter den zehn verurteilten Tätern waren ein Deutscher und neun Flüchtlinge aus Syrien, Algerien und dem Irak. Innenminister Thomas Strobl (CDU) errichtete noch im selben Jahr den 'Sonderstab Gefährliche Ausländer'. Ziel: den Aufenthalt zum Beispiel von Mehrfach- und Intensivstraftätern beenden.
Wir sorgen mit größtmöglicher Konsequenz dafür, dass diese Ausländer das Land verlassen und gehen dabei an die Grenze dessen, was rechtlich und tatsächlich nur irgend möglich ist.
Acht der zehn verurteilten Ausländer wurden dem Regionalen Sonderstab Gefährliche Ausländer in Freiburg zugeteilt. Der "Badischen Zeitung" sagte 2019 ein Mitarbeiter des Sonderstabs, sobald die Personen aus der Haft entlassen würden, "dann werden die Straftäter direkt abgeschoben". Das für Abschiebungen in Baden-Württemberg zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe teilte nun mit, dass der in Freiburg verurteilte Iraker in Abschiebehaft sitzt und zeitnah abgeschoben werden soll - vier Jahre, nachdem er aus seiner Haft entlassen wurde. Wieso dauerte das so lange? Eine Rekonstruktion des Falles macht deutlich, warum die Abschiebung von Straftätern so schwierig ist.

Langwierige Rechtsklagen erschwerten Ausweisung
Rückblick: Ende 2015 kommt der Iraker als Flüchtling nach Deutschland. Wegen des Falls auf dem Hans-Bunte-Areal wird er 2020 zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Vergewaltigung verurteilt. Zunächst geht es sehr schnell. Im August 2021 kommt der Iraker vorzeitig auf Bewährung frei. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) widerruft zur selben Zeit seinen asylrechtlichen Schutzstatus. Damit erlischt seine Aufenthaltserlaubnis. Das BAMF stellt zudem fest, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen. Der Iraker klagt erfolglos gegen die Entscheidung. Fünf Monate später weist ihn das Regierungspräsidium Freiburg aus Deutschland aus. Damit wird er ausreisepflichtig. Zudem droht das RP mit Abschiebung in den Irak. Es geschieht jedoch zunächst nichts.
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Um die Flüchtlingszahlen in Baden-Württemberg zu senken, will das Justizministerium das Asylrecht in einigen Punkten verschärfen. Als Vorbild dient Dänemark - doch an dem Vorstoß gibt es Kritik.
Abschiebung des Irakers ist seit 2023 vollstreckbar
Eine Ausweisung muss nach geltendem Recht zeitlich begrenzt werden. Das Regierungspräsidium (RP) legt das Einreise- und Aufenthaltsverbot zunächst auf neun Jahre fest. Auch hiergegen klagt der Iraker, wiederum weitgehend erfolglos. Das Verwaltungsgericht Freiburg hebt zwar die Neun-Jahres-Frist auf, da keine "konkrete Wiederholungsgefahr" bestehe und daher lediglich eine Frist von maximal fünf Jahren gelte. Abgesehen von der aufgehobenen Frist bestätigt das Gericht aber die Ausweisung durch die Behörden. Die angedrohte Abschiebung ist damit seit Juni 2023 vollstreckbar.
Wie das Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, weigerten sich die irakischen Behörden, den Mann aufzunehmen. Der Irak würde nur Straftäter annehmen, die zu mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Daher lässt der Vollzug der Abschiebung weiter auf sich warten.
Abschiebung wird 2023 wieder verhindert
Denn Mitte 2023 wird es noch komplizierter, weil zwei Verfahren gleichzeitig ablaufen: Zum einen korrigiert das Regierungspräsidium Freiburg das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf vier Jahre, um dem Urteil des Verwaltungsgerichts zu entsprechen. Erneut klagt der Iraker, auch weil er in der Zwischenzeit Vater einer deutschen Tochter geworden ist. Das Gericht weist im Januar 2025 die Klage vollständig ab. Grund: Die vom Kläger begangene Tat sei "besonders verwerflich". Zudem wirft die Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg dem Kläger vor, dass er die Beziehung mit seiner Partnerin aufgenommen und ein Kind gezeugt habe, obwohl er wusste, dass er Deutschland habe verlassen müssen. Diese Klage hat laut Behörden allerdings keine aufschiebende Wirkung für seine Abschiebung gehabt.
Der eigentliche Grund für die verzögerte Abschiebung, und das klingt nun absurd: Im September 2023 wird er wieder straffällig. Ausgerechnet wegen dieses Strafverfahrens verhindert die Staatsanwaltschaft Freiburg zunächst seine Abschiebung.
Verurteilung wegen versuchten Raubes verzögert Abschiebung
Das Amtsgericht Freiburg verurteilt ihn wegen versuchten Raubes im Juli 2024 zu anderthalb Jahren Gefängnis. Bei einem Strafverfahren muss die zuständige Staatsanwaltschaft einer Abschiebung zustimmen. Die weigert sich aber zunächst. Vier Tage nach der ersten Anfrage des SWR an die Regierungspräsidien Freiburg und Karlsruhe stimmt die Staatsanwaltschaft Freiburg am 27. Januar 2025 der Abschiebung aber doch zu. Ob es einen Zusammenhang gibt, ist unklar. Das Urteil vom Juli 2024 ist noch nicht rechtskräftig (Stand 10. Februar 2025).
Die Polizei nimmt den Iraker am 3. Februar 2025 in Gewahrsam. Seitdem wartet er in der Abschiebehaftanstalt Pforzheim auf seine Abschiebung. Diese soll laut RP Karlsruhe "möglichst zeitnah" geschehen. Falls die Abschiebung erfolgreich ist, hätte die Ausweisung des straffälligen Irakers länger gedauert als die ursprüngliche dreieinhalbjährige Haftstrafe wegen Vergewaltigung.
Was ist mit den anderen Tätern im Fall der Freiburger Gruppenvergewaltigung?
Insgesamt wurden Fall der Freiburger Gruppenvergewaltigung zehn Ausländer verurteilt. Neben dem Iraker wurden fünf weitere Personen in Baden-Württemberg ausgewiesen, erklärt das Regierungspräsidium Karlsruhe. Davon wurde laut Behörde bislang nur eine Person abgeschoben. Der Haupttäter, Majid H. aus Syrien, sei freiwillig ausgereist. Drei weitere Personen seien zwar ausreisepflichtig, konnten wegen Abschiebungsverboten nach Syrien aber bisher nicht abgeschoben werden. Das gleiche gelte für einen weiteren Syrer, der nach Hamburg gezogen ist und dort 2022 ausgewiesen wurde. Drei weitere Täter konnten nicht ausgewiesen werden, weil ihre Strafen zu gering waren, so das Regierungspräsidium. Im Aufenthaltsrecht ist festgelegt, dass erst ab drei Jahren Haft eine Ausweisung zwingend erfolgen muss.
Was hat der "Sonderstab Gefährliche Ausländer" gebracht?
Der Sonderstab hat laut eigenen Angaben seit 2018 rund 500 Abschiebungen von Mehrfach- und Intensivtätern veranlasst. Derzeit halten sich nach Angaben des Justizministeriums 90 schwere Straftäter aus Afghanistan und Syrien in Baden-Württemberg auf, die eigentlich abgeschoben werden könnten. Der Migrations-Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) sieht den Bund hier in der Verantwortung. "Sie sind ausreisepflichtig- und fähig, es liegen keine Verbote für sie vor, aber der Bund organisiert den entscheidenden Schritt nicht", so Lorek Ende Januar.