Fremdenfeindliche Sticker an Werkstatt

"Nett hier"? Aufkleber der AfD sorgen für Empörung in Hochdorf

Stand

Sticker, die fragen, ob man nicht ausreisepflichtig ist: Solche Aufkleber der AfD-Landtagsfraktion wurden an eine Autowerkstatt geklebt. Der Besitzer und die Mitarbeiter sind entsetzt.

Alles andere als "nett" findet Adnan Izmir den Aufkleber, der eines Morgens an seiner Autowerkstatt in Hochdorf (Kreis Esslingen) klebt. Im Stil der baden-württembergischen Landeskampagne steht dort eben nicht "Nett hier. Aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg?", sondern "Nett hier. Aber sind Sie nicht ausreisepflichtig?"

Izmir und seine Mitarbeitenden, die überwiegend einen Migrationshintergrund haben, fühlen sich angegriffen. Die Aufkleber wurden einst von der AfD-Landtagsfraktion gedruckt. Die Fraktion sieht in den Stickern bis heute kein Problem.

AfD-Aufkleber empört Werkstattbesitzer: "Eine tierische Wut im Bauch"

Als Adnan Izmir den Aufkleber sieht, der zwei Tage vor der Bundestagswahl plötzlich an seiner Werkstatt klebt, fühlt er vor allem eines: "Wir hatten eine tierische Wut im Bauch. Wir haben uns beleidigt gefühlt." Seit 20 Jahren ist Izmir mit seiner Werkstatt selbstständig in Hochdorf, er selbst ist hier wie viele seiner Kollegen geboren. Insgesamt zu zehnt arbeiten Izmir und seine Mitarbeiter in der Werkstatt - ein Großteil der Belegschaft hat einen Migrationshintergrund. "Ein kunterbuntes Team", sagt Izmir.

Sticker der AfD-Landtagsfraktion mit fremdenfeindlicher Botschaft

Für Adnan Izmir ist der Sticker ganz klar fremdenfeindlich. Mit dem Slogan auf dem Aufkleber hätte man ihn und seine Kollegen direkt ansprechen wollen. Die eigentliche Botschaft interpretiert Izmir so: "Du bist der nächste, pack deine Koffer, du musst bald gehen." Erst kämen die Geflüchteten, dann sind Menschen mit Migrationshintergrund dran, so befürchtet Izmir.

Dabei fühlt er sich in dem kleinen Ort oberhalb des Filstals eigentlich wohl. "Ich bin ein Hochdorfer, das kann man so sagen", sagt er. Dass Hochdorf auch ein sehr soziales Dorf ist, merke er jetzt auch. Nach der Sticker-Aktion hätten sich viele Stammkunden gemeldet und Adnan Izmir ihre Unterstützung ausgesprochen. Eine Strafanzeige möchte er aber nicht stellen. "Das wird nichts bringen."

AfD-Fraktion sieht Sticker unproblematisch

Laut AfD-Landtagsfraktion sind die Aufkleber 2023 entstanden und wurden in einer geringen vierstelligen Stückzahl gedruckt. Ihre Aktion hat die Partei auch auf der Plattform X geteilt. "Der Aufkleber sollte sich auf humoristische Art und Weise mit der Problematik nicht-stattfindender Abschiebungen selbst von Personen ohne Bleibeberechtigung auseinandersetzen. Dazu steht die Fraktion auch heute noch", heißt es auf SWR-Anfrage.

Dass sich bestimmte Gruppen bedrängt fühlen könnten, sei laut einem Sprecher der Fraktion nicht nachvollziehbar. "Wer hingegen nicht ausreisepflichtig ist, beantwortet für sich die auf dem Aufkleber stehende Frage mit 'Nein'." Das gelte auch für Menschen mit Migrationshintergrund, wie etwa die Besitzer der Hochdorfer Autowerkstatt, so der Sprecher weiter. Die Sticker seien heute nicht mehr frei erhältlich.

Der Landesvorsitzende der AfD, Emil Sänze, sagt, die Sticker seien unüberlegt gedruckt worden.
Der Landesvorsitzende der AfD, Emil Sänze, sagt, die Sticker seien unüberlegt gedruckt worden.

Der AfD-Politiker Emil Sänze war nach eigener Aussage an der Kampagne nicht beteiligt. Er wolle sich nicht als Vertreter der Fraktion, sondern lediglich als Landesvorsitzender seiner Partei dazu äußern. Er sagt auf SWR-Anfrage, dass er es gut finde, dass die Sticker der Fraktion nie groß verteilt wurden. Die Aufkleber würden zum Missbrauch verleiten. "Ich finde es nicht humorvoll. Es ist eine Provokation. Das war eine unüberlegte Handlung der damals Verantwortlichen." Die AfD wolle gegen die illegale Einwanderung vorgehen. Diese Tatsache habe der Slogan auf den Sticker nicht differenziert genug wiedergegeben, sagt Sänze.

Staatsministerium BW: "THE LÄND steht für Vielfalt"

Doch darf die Landtagsfraktion überhaupt den Slogan zweckentfremden? So ganz klar scheint das nicht zu sein. Das Staatsministerium, das die ursprüngliche "Nett hier"-Kampagne entwickelt und inzwischen mit dem Slogan "THE LÄND" fortführt, erklärt dazu: "Die Kampagne THE LÄND setzt auf Partizipation, hat aber klare rechtliche Grenzen, beispielsweise bei der Verwendung des Landeslogos oder dem Einsatz für kommerzielle Zwecke."

In Bezug auf den Slogan der AfD, der an der Autowerkstatt in Hochdorf klebte, stellt das Staatsministerium auf SWR-Anfrage klar: "Die Botschaft des Aufklebers entspricht weder den Zielen der Kampagne noch der politischen Linie der Landesregierung. THE LÄND steht für Vielfalt, Respekt und Wertschätzung."

SWR3 hatte Anfang Januar Fotos von Hörerinnen und Hörern gesammelt, die "Nett hier"-Aufkleber in aller Welt fotografiert haben:

Ein „Nett hier“-Aufkleber vor einem See in Chile
„Wurde mir aus Chile gesendet 😂“, schreibt Userin Uta Klemmer. Bild in Detailansicht öffnen
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Verfassungsschutz: Aufkleber spiegelt AfD-Position wider

Auf SWR-Anfrage erklärt der Landesverfassungsschutz Baden-Württemberg, dass der Aufkleber die Position der AfD Baden-Württemberg beim Thema "Remigration" widerspiegeln würde. Durch eine Forderung nach einer restriktiveren Migrationspolitik würde aber nicht automatisch eine Verletzung der freiheitlich demokratischen Grundordnung folgen.

"Ob der Aufkleber auch strafrechtlich relevant ist, können wir, wie bereits angedeutet, nicht beurteilen." Der Landesverfassungsschutz Baden-Württemberg beobachtet den AfD-Landesverband und stuft ihn als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein.

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