Wie konnte es dazu kommen?

Pforzheim: Wie ein toter Mann zwei Jahre unbemerkt in seiner Wohnung liegen konnte

Stand

Von Autor/in Patrisha Walters, Jessica Schnellbach

Zwei Jahre nach seinem Tod findet die Polizei im Januar einen Mann in seiner Wohnung in Pforzheim. Niemand hatte bemerkt, dass er gestorben war. Wie konnte es dazu kommen?

Anfang des Jahres wird ein toter Mann in Pforzheim gefunden. Das Problem: er ist schon seit zwei Jahren tot. Irgendwann im November 2022 muss der Mann in Pforzheim verstorben sein. Unbemerkt. In seiner Wohnung. Darauf weisen die alten Fernsehzeitungen aus dem November und die abgelaufenen Produkte im Kühlschrank hin. Weder Familie noch Nachbarn oder sein gesetzlicher Betreuer hatten seinen Tod in all der Zeit bemerkt.

Wie konnten so viele Menschen den Tod eines Mannes zwei Jahre lang nicht bemerken?


Der Betreuer des toten Mannes

Mit 21 Jahren hatte der Mann einen schweren Verkehrsunfall. Seitdem hatte er einen gesetzlichen Betreuer an seiner Seite. Nach seinem Umzug vor über zehn Jahren nach Pforzheim wechselte die Zuständigkeit. Schon damals hatte der Mann keinen persönlichen Kontakt mit seinem gesetzlichen Betreuer gewünscht, teilt Amtsgerichtsdirektor Oliver Weik mit. Die Schwester des Verstorbenen sagt jedoch dem SWR gegenüber, der Verstorbene hätte seinen Geschwistern noch im Sommer 2022 telefonisch über Treffen mit seinem Betreuer informiert und sich über ihn beschwert.

Als der ehemalige Betreuer in den Ruhestand ging, musste ein neuer Betreuer den Fall übernehmen. Dafür wurde der Mann im November 2022 vor dem Amtsgericht vorgeladen. Er kam zu dem Termin am Gericht. Der neue Betreuer begann im Januar 2023 mit seiner Arbeit, bestätigt Weik. Der Betreuer versuchte den Mann mehrmals telefonisch zu kontaktieren und ihn zu Hause anzutreffen. Doch die Kontaktversuche liefen ins Leere. Vermutlich war der Mann zu diesem Zeitpunkt schon tot.

Weitere Kontaktversuche blieben erfolglos. Trotzdem kümmerte sich der gesetzliche Betreuer um die Folgeanträge beim Jobcenter und anfallende Rechnungen.

Gesellschaft Rechtliche Betreuung – Echte Hilfe oder Entmündigung?

Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder einer Behinderung können unter einen rechtlichen Betreuer gestellt werden, wenn sie ihre Angelegenheiten nicht regeln können.

Der Betreuer: Seine Aufgaben

Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht zu den Aufgaben des Betreuers: "Der Betreuer hat den erforderlichen persönlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten, sich regelmäßig einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen und dessen Angelegenheiten mit ihm zu besprechen."

Laut Amtsgerichtsdirektor Weik hätte es trotz der Kontaktversuche erkennbar keinen Kontaktwunsch gegeben. So sei es auch in den vorherigen Jahren gewesen. Über den angenommenen Wunsch, die Kontaktaufnahme zu vermeiden, hätte man sich nicht hinwegsetzen wollen. Eine Prüfung hätte stattgefunden, bestätigt Amtsgerichtsdirektor Weik. Fehlverhalten des gesetzlichen Betreuers hätte nicht festgestellt werden können.

Auch die Staatsanwaltschaft teilt mit: "Hinsichtlich des gesetzlichen Betreuers des Verstorbenen bestehen derzeit keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten, weshalb gegen ihn auch kein Ermittlungsverfahren geführt wird."

Das Betreuungsgericht

Während seines Einsatzzeitraums musste der gesetzliche Betreuer regelmäßig Berichte vorlegen. In seinem ersten Jahresbericht schreibe der Betreuer erneut davon, dass die Kontaktversuche abgelehnt worden seien, sagt Amtsgerichtsdirektor Weik. Dieser Bericht sei die erste Möglichkeit gewesen, sich den Fall näher anzusehen.

Das Jobcenter in Pforzheim

Weil seine Wohnung vom Jobcenter bezahlt wurde, musste halbjährlich ein Folgeantrag gestellt werden. Wären in einem vergleichbaren Fall keine Anträge eingetroffen, hätte die Stadt Pforzheim nach eigenen Angaben die Mietzahlungen gestoppt. Doch obwohl der Mann tot war, gingen Anträge beim Jobcenter ein. Der gesetzliche Betreuer des Verstorbenen hatte sich um seine bürokratischen Angelegenheiten gekümmert. Auch nach dessen Tod.

Die Nachbarn

Auch zwischen dem verstorbenen Mann und seinen Nachbarn scheint es nur wenig bis keinen Kontakt gegeben zu haben. Sein gesetzlicher Betreuer schreibt in seinem ersten Jahresbericht, ein Nachbar hätte gesagt, der Verstorbene wäre oft zu Hause gewesen. Man würde ihn höchstens beim Einkaufen sehen. Seine Schwester sagt hierzu jedoch, die Nachbarn hätten ihn vor seinem Tod immer wieder gesehen. Der Geruch aus der Wohnung sei ihnen aufgefallen, doch sie wären dem nicht auf den Grund gegangen.

Auch die Post häufte sich nicht, denn Briefe konnten durch einen Schlitz in der Tür eingeworfen werden, sagt Amtsgerichtsdirektor Weik. Auch hier widerspricht die Schwester des Verstorbenen. Es hätte keinen Briefschlitz gegeben, die Briefe im Briefkasten hätten sich in Grenzen gehalten.

Die Familie

Wie auch schon zu seinen Betreuern und den Nachbarn hatte der Verstorbene auch zu seinen Geschwistern wohl keinen regelmäßigen Kontakt gehalten. Erst als seine Schwester und der Betreuer nach mindestens zwei Jahren ohne Kontakt die Polizei einschalteten, konnte der Leichnam geborgen werden.

Beisetzung zwei Jahre nach seinem Tod

Viele Beteiligte wurden zum ersten Mal mit einem solchen Fall konfrontiert. Auch Amtsgerichtsdirektor Weik habe so etwas noch nie erlebt. Der Fall sei bereits in mehreren Besprechungsrunden Thema gewesen und man würde Lehren daraus ziehen.

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