In Mannheim herrschen am Tag nach der Amokfahrt mit zwei Toten und elf Verletzten am Montag Schock und Trauer vor. Notfallseelsorger sind in der Nähe des Tatorts am Wasserturm für alle ansprechbar, die das Geschehene verarbeiten wollen. Am Dienstag wurde der mutmaßlich psychisch kranke Täter vernommen. Die Ermittelnden erhoffen sich Antworten auf die Frage nach dem Tatmotiv des 40-jährigen Deutschen. Doch neben dieser Frage stellt sich - wie immer nach einer solchen Tat - auch die Frage nach der Sicherheit im Land.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Montag, hundertprozentige Sicherheit könne es nicht geben. Doch auch, wenn nicht jede Tat verhindert werden kann: Gibt es noch Möglichkeiten den öffentlichen Raum in Baden-Württemberg sicherer zu machen, ohne die Freiheit im Alltag zu stark einzuschränken?
- Experte zur Prävention von Angriffen mit Fahrzeugen
- BW-Innenministerium und Städtetag verweisen auf Sicherheitskonzepte
- Mehr Poller: Das sagt die Polizeigewerkschaft
Experte: Schutz gegen Taten wie in Mannheim zu 99,9 Prozent möglich
Christian Schneider ist Experte für Zufahrtsschutz beim Terrorabwehrzentrum der Vereinten Nationen und Initiator der Initiative Breitscheidplatz, die Behörden und Ämter für Konzepte zum Zufahrtsschutz berät. Am Breitscheidplatz in Berlin kam es im Dezember 2016 zu einem Terroranschlag mit einem Lkw, in dessen Folge dreizehn Menschen starben. Fahrzeuge, erklärt Schneider im Gespräch mit dem SWR, seien für potenzielle Täter besonders attraktive Angriffsmittel, weil sie leicht verfügbar seien und in der Regel keine komplexe Planung für eine Tat wie in Mannheim notwendig sei.
Es tut mir immer wieder in der Seele weh, wenn ich sehe, welche schrecklichen Taten passieren, weil ich eben weiß, dass wir uns gegen solche Überfahrttaten sehr wohl zu 99,9 Prozent schützen können.
Der Paradeplatz in Mannheim sei ein attraktives Ziel gewesen, weil vom Wasserturm aus die belebte Fußgängerzone mit einem Fahrzeug erreichbar war. Eine Fußgängerzone, durch die auch Straßenbahnen fahren. Ein solches Areal zu schützen sei zwar nicht einfach, so Schneider, aber durchaus möglich. "Für den Zufahrtsschutz gibt es heute eine riesige Auswahl an adäquaten Sperrmitteln, die man einbringen kann. Der Schlüssel liegt aber erstens in der Erkenntnis, dass man etwas tun möchte und zweitens darin, sich die entsprechenden Experten zu holen, um diese Schutzmaßnahmen zu planen, in das Stadtgefüge einzufügen und dann umzusetzen", sagt Schneider.
Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz beispielsweise sei hier Vorreiter: mit einer Kombination aus fest eingebauten Sperren, die man flexibel öffnen und schließen kann. Und mit mobilen Sperren, die dann je nach Lage eingesetzt werden können. Mit der richtigen Planung sei die Einrichtung solcher Schutzmaßnahmen dann auch nicht wesentlich teurer als etwa stationäre Poller, so Schneider.

BW-Innenministerium und Städtetag verweisen auf Sicherheitskonzepte
Das baden-württembergische Innenministerium und der Städtetag verweisen auf auf entsprechende Sicherheitskonzepte. Die Polizei schätze vor Ort ein und orientiere sich an Gefährdungsbewertungen von Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt, so Innenminister Thomas Strobl (CDU) auf SWR-Anfrage. "Freilich wird es absolute Sicherheit nie geben. Wir können und wollen unsere Innenstädte nicht zu eingezäunten Festungen machen." Der Städtetag verweist auf SWR-Anfrage darauf, dass Kommunen bei Großveranstaltungen in regelmäßigem Austausch mit der Polizei stünden. Einige Städte wie Freiburg hätten Leitfäden für die Organisatoren von Veranstaltungen erstellt. Entscheidend sei es, Risiken gemeinsam zu bewerten und angemessene Maßnahmen zu ergreifen.
Polizeigewerkschaft fordert mehr Poller
Der BW-Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, sagte dem SWR, für ihn spiele es zunächst keine Rolle, warum jemand in eine Menschenmenge fährt. Was Schutzmaßnahmen angeht, stimmt er aber mit dem Experten für Zufahrtssicherheit weitgehend überein: Weihnachtsmärkte, Faschingsveranstaltungen und öffentliche Plätze müsse man mit "stationären oder gegebenenfalls mit mobilen Pollern und Durchfahrtssperren sichern", so Kusterer. An einem Ort wie am Paradeplatz in der Mannheimer Fußgängerzone, wo Straßenbahnen verkehren, könnten laut Kusterer intelligente Pollersysteme eine Lösung sein. Die können im Boden verschwinden, wenn etwa eine Straßenbahn kommt. "Ich denke, man muss einfach das Geld in die Hand nehmen, um mehr Sicherheit zu bieten" so Kusterer.
Ans Innenministerium gerichtet sagte er außerdem, Minister Strobl müsse zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Kommission einsetzen, um über all diese Fragen zu beraten. Auch die Kameraüberwachung muss aus Sicht des Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft ausgeweitet werden. Das geht aber zumindest im Fall Mannheim an der Realität vorbei: in der Innenstadt sind aktuell etwa 70 Kameras in Betrieb, auch im Bereich des Tatorts gibt es Videoüberwachung, so das Innenministerium. Auch deshalb habe die Polizei schnell reagieren können.
Kommentare (1)
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Dass in Mannheim Straßenbahnen fahren ,könnte aber auch viel mehr Tote und Verletzte verhindert haben. Gerade weil auf den Schienen reger Verkehr herrscht, halten sich Passanten kaum in der Mitte der Straße auf.