Es waren vor allem Deutschlandflaggen und Friedenstauben, die am Samstagnachmittag auf dem Reutlinger Festplatz Bösmannsäcker beim Protesttag von "Gemeinsam für Deutschland" zu sehen waren. Allerdings sehr viel weniger als erwartet. Laut Veranstalter waren es nicht mehr als 800 Menschen, die Polizei spricht von rund 500 Teilnehmern. Die Veranstalter, das Bündnis "Gemeinsam für Deutschland", bezeichnen sich selbst als parteiunabhängig, allerdings hat auch die AfD zu den Demonstrationen aufgerufen. Ihre Forderungen: "Flächendeckende Grenzkontrollen", "Keine Tauruslieferungen" an die Ukraine und die "Wahrung der Meinungsfreiheit" - so zu lesen auf einem AfD-Flyer.
Demonstrationen in mehreren Bundesländern angekündigt
Deutschlandweit hatte die Gruppierung zu Protesten am Samstag aufgerufen. Laut baden-württembergischem Innenministerium handelt es sich bei "Gemeinsam für Deutschland" um eine deutschlandweite Veranstaltungsreihe mit Anknüpfungspunkten für "extremistische und nicht-extremistische Akteure". Die Polizei spricht vom "rechten Spektrum", auch Reste der Corona-Leugner- und "Querdenken"-Bewegung sollen sich dahinter verbergen.

Auch zur Gegendemonstration waren deutlich weniger Menschen gekommen als erwartet, nach Polizeiangaben waren es in Reutlingen rund 600, die in Sprechchören unter anderem "Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda" riefen. Schon kurz nach der Kundgebung gab es an der Stadthalle eine Auseinandersetzung der Antifa mit der Polizei, als sich eine Gruppe in Richtung Festplatz in Bewegung setzte. Die Polizei sagt, sie sei aus einer Gruppe Vermummter heraus angegriffen worden und setzte daraufhin Pfefferspray ein. Später blockierten Gegendemonstranten eine Straße in Richtung Innenstadt. Der Demonstrationszug konnte deshalb nicht wie geplant zum Marktplatz laufen.

Stattdessen wurde der Demonstrationszug durch ein Industriegebiet gelenkt - sehr zum Unmut vieler Demonstranten des Aktionsbündnisses "Gemeinsam für Deutschland". Vielfach bezeichneten Teilnehmer die anwesenden Medienvertreter als "Lügenpresse". Einige der selbsternannten "Friedenstüchtigen" äußerten gegenüber dem SWR die Überzeugung, die Gegendemonstranten seien von der Regierung bezahlt.
Tumult auf dem Reutlinger Marktplatz
Auf dem Reutlinger Marktplatz trafen am Abend zum ersten Mal Demonstranten und Gegendemonstranten zusammen. Unter den Demonstranten auch einige glatzköpfige Bomberjackenträger. Augenzeugen sprechen von verbalen Auseinandersetzungen mit linken Gegendemonstranten, die die Polizei mit bis zu 100 Beamten unterband.
Rechtsextremismusexperte Alexander Roth, stellvertretender Leiter der Online-Redaktion beim Zeitungsverlag Waiblingen, berichtete auf Instagram von Neonazis, die sich unter die Demonstrierenden gemischt hätten. Sie seien klar erkennbar und weitestgehend unbehelligt im Zug der Bewegung "Gemeinsam für Deutschland" mitgelaufen, so Roth. Beteuerungen der Initiatoren, man wolle sich von Rechtsextremen abgrenzen und werde sie von der Demo ausschließen, seien wirkungslos geblieben, so Roth.
Auf einem Video des Journalisten ist zudem ein Mann des Demonstrationszuges von "Gemeinsam für Deutschland" zu sehen, der eine Geste macht, die dem Hitlergruß ähnelt. Die Polizei bestätigte dem SWR am Dienstag, dass ein Teilnehmer den Hitlergruß gezeigt habe. Der Mann wird angezeigt.
Polizei hat Ermittlungen aufgenommen
Sonst liegt der Reutlinger Polizei bisher keine Anzeige wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen gegen einen Teilnehmer von "Gemeinsam für Deutschland" vor.
Zudem ermittelt sie gegen drei Menschen aus dem linken Spektrum wegen Körperverletzung. Sie sollen einen Mann angegriffen haben, der die Demo in der Tübinger Straße beobachtete. Auch sind Anzeigen wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot und wegen tätlicher Angriffe gegen Beamte eingegangen, so die Polizei.
Zwei Demonstrationen in Karlsruhe
Auch für Karlsruhe hatte "Gemeinsam für Deutschland" am Samstag eine größere Protestkundgebung angekündigt. Es kamen etwa 200 Teilnehmer. Deutlich mehr - rund 1.200 - waren es bei der Gegendemonstration, zu dem unter anderem das Netzwerk "Karlsruhe gegen Rechts" aufgerufen hatte. Die Polizei hielt beide Demonstrationen getrennt, es kam zu keinen Zwischenfällen.

Auch in Balingen (Zollernalbkreis) gab es Demonstrationen. Dem Aufruf von "Gemeinsam für Deutschland" folgten etwa 330 Protestierende, zur Gegendemonstration kamen rund 200 Leute.