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Bayern Bayerische AfD – radikaler als die Bundespartei?

Stand: 06.12.2024 05:25 Uhr

Sich abgrenzen von allen anderen Parteien, das gehört für viele zur AfD wie der rote Pfeil im Logo. Die bayerische AfD geht noch einen Schritt weiter und setzt sich häufig vom Kurs der Bundespartei ab. Ist die AfD in Bayern radikaler als im Bund?

Von Johannes Reichart

"Remigration", rechtsextreme Mitglieder und der Umgang mit der Presse: Die bayerische AfD sorgt immer wieder bundesweit für Schlagzeilen – und Spannungen mit dem Bundesvorstand. Rückblick: Ende 2023 sieht sich der Landtagsabgeordnete Daniel Halemba mit massiven Vorwürfen konfrontiert: Er soll bei der Kandidatenaufstellung zur Landtagswahl in Unterfranken von Tricksereien profitiert haben. Eigentlich ein klarer Verstoß gegen die Satzung.

Fall Halemba: Weidel forderte Ausschluss, Bayern wiegelte ab

AfD-Chefin Alice Weidel sagte damals, es sei "völlig klar, dass Herr Halemba nicht in der AfD Mitglied bleiben kann". Doch der Landesvorstand sah es anders. Und verhängte eine 24-monatige Ämtersperre gegen Halemba. Ein halbes Jahr später stimmte der Bundesvorstand im Rahmen eines Vergleichs mit Halemba einer 18-monatigen Ämtersperre zu. Gegen Halemba hat die Staatsanwaltschaft Würzburg Anklage erhoben, unter anderem wegen Volksverhetzung, Geldwäsche und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Ein Urteil steht noch aus.

Bayern-AfD fordert Massenabschiebungen

Auch nach BR-Recherchen zur Aufnahme rechtsextremer Mitglieder in Bayern ging der Bundesvorstand auf Distanz: Man bitte die bayerische Parteispitze, die Fälle zu prüfen und das Ergebnis zu berichten, hieß es vom Bundesvorstand zu den möglichen Verstößen gegen die interne Unvereinbarkeitsliste.

Vor zwei Wochen dann: Auf dem Landesparteitag verabschieden die Mitglieder eine "Bayerische Resolution zur Remigration". Damit ist Bayern der erste Landesverband, der das stark umstrittene Konzept der "Remigration" als eigene Forderung definiert. Die Idee kommt von der als rechtsextrem eingestuften Identitäre Bewegung (IB). Konkret geht es um die millionenfache Abschiebung von Migranten aus Deutschland. Laut Resolution sind damit nicht nur Straftäter gemeint, sondern auch "Integrationsunwillige und -unfähige".

Politikwissenschaftler: Gezielte "Provokation gegenüber der Parteiführung"

Die Resolution habe ein Ziel gehabt, sagt Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel: "Sie ist eine Provokation gegenüber der Parteiführung, die genau diesen Begriff auch im Rahmen ihrer Bundestagskampagne versucht zu vermeiden." Tatsächlich kommt der Begriff "Remigration" im aktuellen Entwurf des Wahlprogramms nicht vor. Für Schroeder nicht ohne Grund: "Die Parteispitze will da nicht zusätzliche Gräben aufmachen, sondern schauen, wie sie die protestorientierten Gruppen im Land abholen kann, ohne zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen."

Russlandreisen bayerischer Mandatsträger sorgen für Ärger

Auch die kremlnahe Linie bayerischer AfD-Politiker ist dem Parteivorstand ein Dorn im Auge. Erst diese Woche soll sich Bayerns Vize Rainer Rothfuß Zorn zugezogen haben. Der Grund: Gemeinsam mit dem bayerischen Landtagsabgeordneten Singer traf er sich in Sotschi am Rande des "Brics International Forum" mit dem früheren russischen Präsidenten und Putin-Propagandisten Dmitri Medwedew. Nach Medienberichten sollen Weidel und Chrupalla die Reise in einer Fraktionssitzung scharf kritisiert haben. Die Parteichefs verbaten sich weitere "Querschüsse" während des Wahlkampfes.

Europaabgeordneter Krah im radikalen AfD-Lager beliebt

Auch die anhaltende Unterstützung des radikalen Lagers in Bayern für den in Ungnade gefallenen Europaabgeordneten Maximilian Krah stößt in Berlin sauer auf. Krah flog wegen einer Spionageaffäre um seinen Mitarbeiter und nach Korruptionsvorwürfen aus dem Parteivorstand. Weil er zudem in einem Interview die Taten der deutschen SS relativierte, sitzt er nun fraktionslos im EU-Parlament. In Bayern wird er jedoch weiter zu Parteiveranstaltungen eingeladen.

Bayerischer Landesverband im Westen mit der radikalste

Die Bayern-AfD gilt bei Beobachtern als einer der radikalsten Landesverbände. Auch Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht im bayerischen Landesverband eine der "schärfsten Ausprägungen der AfD". Das Machtzentrum der AfD in Bayern liege beim offiziell aufgelösten Flügel rund um Rechtsaußen Björn Höcke. Inhaltlich folge man den Landesverbänden Thüringen und Sachsen, so Funke weiter.

Auch Politikwissenschaftler Schroeder hält die Bayern-AfD für besonders radikal. Ein Grund dafür sei die bayerische Parteienlandschaft: "Viele Positionen, die von der AfD in anderen Bundesländern vertreten werden, sind in Bayern schon abgedeckt durch Freie Wähler und CSU, sodass man mit den konservativen Rändern von CSU und Freier Wähler glaubt, durch Radikalisierung zu punkten", sagt Schroeder.

Das radikale Lager drängt in den neuen Bundestag

Wie stark in Bayern das radikale Lager innerparteilich wirklich ist, könnte die Listenaufstellung zur Bundestagswahl am kommenden Wochenende zeigen: Rechtsaußen Rainer Rothfuß, bei der letzten Wahl noch Nachrücker, soll laut mehreren Quellen selbstbewusst auf Platz 3 der Zweitstimmenliste antreten.

Ganz anders der derzeit Vorsitzende der bayerischen Landesgruppe, Rainer Kraft: Er könnte auf einem der hinteren Plätze von der Augsburger AfD-Politikerin Gabrielle Mailbeck herausgefordert werden. Mailbeck ist kein unbeschriebenes Blatt: Die 36-Jährige ist Mitarbeiterin von Rothfuß und organisierte als Kreisvorsitzende in Meitingen laut Verfassungsschutz mehrere Veranstaltungen mit der als rechtsextrem eingestuften Jungen Alternative (JA). An den Treffen nahmen "weitere Akteure des rechtsextremistischen Vorfelds der Partei" teil, so der Verfassungsschutz, unter anderem Aktivisten der Identitären Bewegung.

Hinweis: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, dass der bayerische Landesvorstand einem Vergleich mit Halemba zugestimmt habe. Richtig ist: Der Landesvorstand hatte eine 24-monatige Ämtersperre gegen Halemba ausgesprochen. Ein halbes Jahr später hat der Bundesvorstand im Rahmen eines Vergleichs mit Halemba einer 18-monatigen Ämtersperre zugestimmt.

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Quelle: BR24 im Radio 06.12.2024 - 07:00 Uhr