Personalmangel - Berliner Bezirke klagen in Brandbrief über völlige Überlastung der Sozialämter

Seit Jahren fehlt es in den Berliner Sozialämtern an Personal: Jetzt warnen alle Sozialstadträte der Bezirke in einem Brandbrief vor dem Zusammenbruch der Versorgung der Schwächsten. Die Sozialsenatorin kündigt Hilfe an. Von Laurence Thio
Jeden Dienstag- und Donnerstagmorgen bildet sich eine lange Schlange vor dem Sozialamt in Lankwitz. Wer vor 8:30 Uhr nicht da ist, bekommt keine Wartemarke mehr und kann im Sozialamt keine Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter beantragen.
50 Wartemarken werden dienstags und donnerstags zu den Sprechstunden herausgegeben. Mehr geht nicht, weil das Sozialamt überlastet ist. Tim Richter, Sozialstadtrat von Steglitz-Zehlendorf (CDU), sagt: "Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben im Schnitt etwa 400 Fälle, angemessen sind aus unserer Sicht etwa 110 Fälle."
Mehr Personal, um sozialen Frieden zu erhalten
Richter hat deshalb mit den elf anderen Sozialstadträten einen Brief an Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) geschrieben. Darin heißt es: "Inzwischen verschärft sich nunmehr bereits seit geraumer Zeit die überstrapazierte Situation in den Ämtern für Soziales auch noch durch eine sich zunehmend verschlechternde Wirtschaftslage, die zu einer weiteren Zunahme von Fällen führt."
Außerdem: Der Zuzug geflüchteter Menschen führe in Berlin zu einer exorbitanten Zunahme von Antragstellungen und erhöhten Fallzahlen. Die Sozialämter fordern in dem Schreiben mehr Personal, "um den sozialen Frieden in unserer Stadt zu erhalten". Nur so könne kurzfristig eine Bankrotterklärung der Ämter für Soziales verhindert werden, so die Sozialstadträte.
Situation in Sozialämtern hat sich weiter verschärft
Die Sozialämter klagen seit längerem über Personalmangel und Überlastung: Im Jahr 2023 haben die Sozialstadträte schon einmal einen Brandbrief geschrieben. Aber passiert ist nicht viel.
Inzwischen habe sich die Situation weiter verschärft, sagt Tim Richter, im Januar hätten viele ihre Nebenkostenabrechnungen bekommen. Es kämen jetzt auch Menschen, die eigentlich nicht zur typischen Klientel gehörten. Richter schätzt, dass er etwa 24 zusätzliche Mitarbeitende im Sozialamt Steglitz-Zehlendorf bräuchte, "um es überhaupt noch schaffen zu können".
Kiziltepe kündigt Maßnahmen an
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) reagiert auf den Brandbrief und kündigt konkrete Maßnahmen an: "Wir werden die sozialen Wohnhilfen digitalisieren." Dabei geht es im Wesentlichen um die Einführung einer gemeinsamen Datenbank für die Sozialämter in der die vorhandenen Unterbringungsplätze für Wohnungslose erfasst sind. So müssen die Mitarbeitenden im Sozialamt auf der Suche nach freien Unterbringungsplätzen nicht mehr alle Einrichtungen und Stellen einzeln abtelefonieren.
Das entsprechende Gesetz zur "Gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung" befinde sich in der Mitzeichnung. "Ich bin sehr optimistisch, dass die Sozialämter auch dadurch entlastet werden", so die Senatorin.
Sendung: rbb24 Abendschau, 23.01.2025, 19:30 Uhr