Berlin Nachwuchs im Leistungssport: Junge Berliner Fünfkämpfer trainieren für das Ziel Olympia
Einmal die olympische Goldmedaille in den Händen halten. Davon träumen viele junge Sportlerinnen und Sportler. Aber der Weg in den Profisport ist hart. Margarethe Neubauer erzählt, wie die Nachwuchstalente ihren Alltag meistern und warum ein Plan B unerlässlich ist.
"Und, was hattest du in Mathe raus?" Die siebzehnjährige Naya Fares dehnt ihre Armmuskeln mit einem roten Gummiband, während sie zu ihrer Mitschülerin herüberschaut. Gerade haben die Zwölftklässlerinnen eine Klassenarbeit nachgeschrieben. Mitten in den Herbstferien. Denn zum eigentlichen Termin waren sie in Polen bei den Olympic Hopes. Und wenn Wettkämpfe anstehen, muss die Schule warten.
Sechs Tage die Woche trainiert Naya Fares für ihren Traum von Olympia.
Naya Fares trainiert am Bundesstützpunkt für Modernen Fünfkampf im Olympiapark in Berlin. Nebenan besucht sie die Sportschule. An sechs Tagen in der Woche steht Training auf dem Plan: Schwimmen, Laufen, Fechten, Laserpistolenschießen und Obstacle Course Racing. Dabei müssen die Athletinnen und Athleten einen Hindernisparcours in kürzester Zeit durchklettern. Nach heftigen Debatten ums Tierwohl bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio ersetzt die neue Disziplin nun das Springreiten.
Zeit für Privates ist nur am Wochenende
"Das stört mich nicht", sagt Naya. "Obstacle macht mir sogar am meisten Spaß." Im Alter von vier Jahren beginnt die Berlinerin mit dem Schwimmen, kommt dadurch zum Fünfkampf. Etwa vier bis fünf Stunden täglich verbringt sie mit Sport. "Klar, man muss dem Sport sein soziales Leben unterordnen. Am Wochenende verbringe ich Zeit mit Freunden und der Familie. Aber in der Woche, wenn ich Schule und Training habe, mache ich gar nichts."
Die Teenagerin hat ein klares Ziel vor Augen: Olympia. "Ich glaube, das ist das Ziel eines jeden Sportlers. Dieses Jahr die Spiele in Paris zu verfolgen, hat nochmal die Motivation gesteigert, selbst irgendwann da im Fernsehen zu sein." Von zehn Athletinnen und Athleten, die hier in der siebten Klasse eingeschult werden, schaffen das im Schnitt einer bis zwei, erzählt Trainerin Sandra Schlürike.
Sandra Schlürike war einst selbst Leistungssportlerin, nun geht sie den klassischen Weg und trainiert andere Talente.
Mit dem Schulabschluss steht man am Scheidepunkt
Schlürike war selbst achtzehn Jahre lang im Spitzensport aktiv. Ein großer Scheidepunkt sei der Schulabschluss, sagt sie. "Wenn die Athleten ihr Abitur machen, ist dann oft die Frage: Konzentriere ich mich auf den Leistungssport? Viele gucken auf die Zukunft. Wo geht es beruflich hin? Und wie stützt mich der Sport finanziell?" Zwar gebe es verschiedene Förderungen durch die Deutsche Sporthilfe. Athletinnen und Athleten, die ausschließlich vom Sport leben können, seien aber selten.
Umso wichtiger seien die sogenannten Laufbahnberatungen durch den Olympiastützpunkt Berlin. Dabei werden Karriereoptionen mit den jungen Athletinnen und Athleten besprochen. Laufbahnberaterin Maria Picker berät circa 155 Spitzensportlerinnen und -sportler, sucht mit ihnen nach individuellen und vor allem machbaren Lösungen.
Spitzensport und Job müssen genau abgestimmt sein
"Auf die jungen Sportler prasseln viele Einflüsse ein", sagt Maria Picker. "Was wollen die Eltern? Was will der Trainer? Was wollen die Jugendlichen selbst? Wir versuchen, einen guten Weg zu finden, und machen gemeinsam den Realitätscheck."
Beispielsweise Mannschaftssport mit internationalen Spielen und Bundesliga am Wochenende sei eine Herausforderung, wenn sich Athleten für eine Ausbildung oder ein Präsenzstudium interessieren. "Leistungssport ist eigentlich ein Vollzeitjob", so Maria Picker.
Eine Alternative könne etwa ein Fernstudium sein. Beliebte Arbeitgeber seien zudem die Bundeswehr oder die Bundespolizei, die mit der dualen Karriere den Spitzensport und die Ausbildung aufeinander abstimmen und den Einstieg nach der aktiven Sportkarriere erleichtern würden.
Bei Naya Fares fing die Spitzensportlaufbahn mit dem Schwimmen an. Damals war sie vier Jahre alt.
Wichtig ist ein Plan B
"Irgendwann ist der Leistungssport zu Ende, das kann ich nicht ein Leben lang machen", sagt Laufbahnberaterin Maria Picker. "Und man darf nicht vergessen: Viele wollen auch noch etwas anderes vom Leben, fragen sich: Wer bin ich außerhalb des Sports? Und gerade für das Thema Verletzung brauchen die Sportler einen Plan B."
Verletzungen sind auch bei Naya Fares und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ein präsenter Gesprächsstoff. In den Pausen zwischen den Trainingseinheiten stehen die Jugendlichen beieinander, reden über die neuesten TikTok-Sounds und Hausaufgaben, aber auch über Meniskus- und Kreuzbandrisse.
Zwischen Verletzungspausen und Bestzeiten
"Das ist leider so", sagt Trainerin Sandra Schlürike, die mit Mitte zwanzig ihre Karriere verletzungsbedingt beendete. "Man sagt immer, Leistungssport ist gesundheitlich ein Tanz auf der Rasierklinge. Es ist natürlich eine hohe Belastung mit den fünf Disziplinen. Da bleibt es nicht aus, dass mal etwas wehtut."
Auch die siebzehnjährige Naya musste gerade wegen einer Fußverletzung ein Jahr pausieren. Nun versucht sie, zu alter Form zurückzufinden. Beim Obstacle Course Racing hangelt sie sich durch die Ringe, rennt auf die drei Meter hohe Rampe zu. 35 Sekunden - eine neue Bestzeit.
"Ich wäre schon traurig, wenn ich es nach all den Jahren, die ich trainiert habe, nicht zu Olympia schaffe. Aber das ist normal. Es schafft nicht jeder." Ihr Plan B ist nach dem Abitur Jura zu studieren. Im besten Fall geht beides. "So oder so, Sport wird immer ein Teil meines Lebens sein. Und ich weiß, was ich kann."
Erst Training und Schule, dann Privates und Ferien: Die Sportkarriere hat immer Vorrang.
Sendung: Wir wollen reden, 26.11.2024, 20:15 Uhr