Kommentar | Sprach-Auflagen bei Pro-Palästina-Demo - Ein Schritt vor "hier wird gefälligst Deutsch gesprochen"

So 09.02.25 | 22:01 Uhr | Von Efthymis Angeloudis
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Ein pro-palästinensischer Protest auf dem Wittenbergplatz in Berlin wurde durch ein gewaltsames Vorgehen der Polizei aufgelöst. (Quelle: dpa/Michael Kuenne)
Bild: dpa/Michael Kuenne

In Berlin verbietet die Polizei auf einer propalästinensischen Demo Parolen und Plakate, die nicht auf Deutsch oder Englisch sind. Das ist nicht nur ein starker Eingriff in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, sondern befeuert einen gefährlichen Diskurs, findet Efthymis Angeloudis.

Es klingt wie eine Nachricht aus einer fernen Dystopie. "Für eine pro-palästinensische Demonstration am Samstag in Berlin-Schöneberg gelten strenge Auflagen. Laut Polizei sind Slogans und Plakate nur auf Deutsch und Englisch erlaubt", so berichtete auch rbb|24 in der vergangenen Woche.

Als Grund für die Einschränkungen nannte die Polizei eine Vielzahl an Straftaten bei solchen Versammlungen in der Vergangenheit. Unter anderem komme es dort regelmäßig zu antisemitischen Äußerungen und Volksverhetzung.

Das ist zu verurteilen. Nun aber kündigte die Polizei nicht etwa an, streng zu prüfen, ob es bei Parolen und auf Plakaten zu derlei Äußerungen kommt. Sondern sie untersagt direkt pauschal die Verwendung aller Sprachen außer Deutsch und Englisch – meint damit aber hier konkret Arabisch.

Diese Auflage soll zudem nicht nur an diesem Wochenende gelten, etwa weil der arabisch-Übersetzer der Berliner Polizei zufällig ausfiel, wie man vermuten könnte. Nein. Schon vor Demobeginn kündigte die Polizei an, dass die neuen Auflagen "bis auf Weiteres" gelten sollen, also nicht nur am Samstag. Und das ist nicht nur ein Novum, sondern auch gefährlich.

Vor 25 Jahren sorgte ähnliche Forderung für Empörung

Noch im Jahr 2000, hatte eine beängstigend ähnliche Forderung des SPD-Politikers Hans-Ulrich Klose [welt.de], fremdsprachige Transparente bei Kundgebungen verbieten zu lassen, für deutschlandweite Empörung gesorgt – Klose selbst musste einräumen, dass ein solcher Vorschlag mit Blick auf die im Grundgesetz garantierte Meinungs- und Versammlungsfreiheit problematisch sei.

25 Jahre später wird ebendiese Forderung nun auf Berliner Kundgebungen umgesetzt - und es herrscht ohrenbetäubende Stille.

Dabei ist das längst nicht die einzige Sprach-"Einschränkung" die auferlegt wurde. Bereits im April 2024 war die Polizei in Kritik geraten, als für ein propalästinensisches Protestcamp vor dem Reichstagsgebäude Redebeiträge auf Arabisch und Hebräisch untersagt wurden. Auch auf einer ukrainischen Demonstration vor der russischen Botschaft im Juli letzten Jahres wurden Redebeiträge in ukrainischer Sprache verboten.

Dazu kommt, dass propalästinensische Demonstrationen besonders häufig mit weiteren unverständlichen bis hin zu exzessiven Einschränkungen belegt werden. So wurde in mehreren Fällen das Zeigen der Palästina-Fahne oder das Tragen des "Palästinensertuchs" Kufiya untersagt – beides ist in Deutschland aber nicht verboten. Propalästinensische Demonstrationen wurden zudem bereits 2022 mitunter vollkommen untersagt.

Versammlungsfreiheit garantiert auch freie Wahl der Sprache

Nun sind strenge Auflagen nicht das Gleiche wie gänzliche Demonstrationsverbote. Aber die Versammlungsfreiheit garantiert meiner Meinung nach auch die Art und Weise der Meinungskundgebung - und damit auch die freie Wahl der Sprache.

Die Polizei soll und muss gegen Volksverhetzung und menschenfeindliche Parolen vorgehen. Ein Ausschluss von Sprachen, die jemand bei der Ausübung seines Versammlungsrechts benutzen darf, ist jedoch ein direkter Eingriff in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Und das ist in einer Demokratie gefährlich.

In einer Weltmetropole wie Berlin, in der zudem 150.000 Menschen mit arabischem Migrationshintergrund leben, sollte es möglich sein, ausreichend Polizisten mit Arabischkenntnissen oder notfalls Übersetzer einzusetzen.

Denn die Sprachauflagen der Berliner Polizei kommen zu einem Zeitpunkt, in dem kulturelle und daher auch sprachliche Enge in Deutschland um sich greift. Migration wird vor der Bundestagswahl als das wichtigste Problem des Landes bezeichnet, Migranten und Geflüchtete nachfolgend in Diskussionen und Parteiprogrammen häufig in den Bereich der Sozialschmarotzer oder der potentiellen Straftäter verortet. Eine Polizei, die nun vor diesem Hintergrund den Anschein erweckt, dass auch die Sprache von Migranten lieber vorsorglich verboten werden sollte, befeuert ebendiese gefährliche Richtung des Diskurses nur weiter.

Die Symbolwirkung solch strenger Auflagen darf zudem nicht unterschätzt werden. Denn das Verbot von Parolen in ausländischer Sprache auf Demonstrationen ist nur einen Schritt entfernt von "hier wird gefälligst Deutsch gesprochen".

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95 Kommentare

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  1. 95.

    Nein, dieser Beitrag stimmt so nicht. Juden können nicht mehr frei hebräisch in Berlin reden. Aber das stört euch nicht. Hingegen Antisemiten möchten laut den Hass herausrufen und fühlen sich benachteiligt, wenn sie es nicht mehr dürfen.

    Und was ist mit mir? Was darf ich noch? Was passiert mit mir, wenn ich laut hebräisch rede?


    Merkt ihr selbst, oder?

  2. 94.

    Demonstriert man hier nicht, um für sein Anliegen politisches und gesellschaftliches Gehör in D zu finden? Wozu dann Parolen in anderen Sprachen? Ich finde die Auflagen vor dem Hintergrund der Vorfälle bei ähnlichen Demos gut - sie verhindern einen Missbrauch des Rechts auf freie Meinungsäußerung.
    Auch an der Schule meiner Tochter nutzten manche Schülergruppen gezielt ihre Muttersprache, um ungestraft zu beleidigen. Hier wird nun auch die Verwendung der deutschen Sprache eingefordert. Gut so!

  3. 93.

    Ach so? Ich darf in Berlin laut hebräisch reden? Oder bin ich nicht gemeint?

    Unsere Realität ist eine andere, niemand traut sich laut hebräisch zu reden.

  4. 92.

    Und Juden dürfen nicht einmal mehr hebräisch sprechen, da werden sie angegriffen, sie haben Angst, sich als Juden zu zeigen. Ihre Sprache nennt niemand, denn auch diese Sprache sollte laut ausgesprochen werden dürfen.

    Genau jene, die ihr Recht einfordern, Schränken bereits die Rechte der Juden ein. Nicht alle, aber jene, die dem Hass folgen.

  5. 91.

    Es ist ein Trugschluß der RBB-Mitarbeiterin, daß das Demonstrationsrecht auch die Wahl der Sprache einschließe. Die Art und Weise, „ Wie“ demonstriert wird, unterliegt staatlichen Regelungen; also auch den Auflagen der Polizei.

  6. 90.

    Hass ist keine Meinung.

  7. 89.

    Irgendwie verdreht hier jemand im Beitrag Täter und Opfer und verwechselt Antisemitismus mit Meinungsfreiheit. Ich lebe multikulturell, aber dieser Antisemitismus in verschiedenen Formen schleicht sich immer weiter ein. Was soll ich meinen Kindern sagen? Habt keine Angst, die Menschen werden uns schützen oder sollte ich sagen, sie schützen jene, die in einer anderen Sprache gegen uns rufen möchten? Was rufen sie denn für friedliche Sachen, die nur arabisch sprechende Menschen verstehen?

  8. 88.

    Es herrscht politische Stille, den Krach der Zwerge interessiert keinen. Kann einer wie sie nicht verstehen. Vermutlich wissen sie doch gar nichts über den Konflikt. RBB und öffentlich rechtliche tun ja auch nichts um den Konflikt zu beleuchten.

  9. 87.

    Ich dachte bisher, dass die Juden Angst haben und auf gepackten Koffern sitzen, weil ihnen mit dem Tod gedroht wird. Ich sehe niemanden, der laut gegen den Antisemitismus auf der Straße ist, egal, in welcher Sprache.



  10. 86.

    Wehret den Anfängen.

  11. 85.

    Ja, wenn alle gern verstehen würden, was da laut gerufen wird. Mein Menschenrecht. Ich werde übrigens diskriminiert, wenn jemand mir in einer unverständlichen Sprache den Tod wünschen würde, ich, nicht der Rufende. So auf einer friedlichen Demo.

  12. 84.

    Bricks (Nr.33): Ihre Argumente verfangen schon aus Gründen der Logik nicht. Natürlich ist niemand gezwungen, überhaupt auf einer Demonstration zu sprechen. Sie dürfen selbstverständlich auch schweigen - und zwar völlig unabhängig davon, ob Sie körperlich imstande sind,zu hören und zu sprechen.

  13. 83.

    In Deutschland sollten wir alle eine Sprache sprechen, die uns verbindet. Wer so laut ist, möchte gehört werden. Wer gehört werden will, will verstanden werden. Nur wer nicht von uns verstanden werden will, spricht es nicht in unserer Sprache aus. Für wenn wird es dann so laut ausgesprochen, wenn nicht für uns?

  14. 82.

    Schreiber Sabine (#13): Natürlich müssen Geflüchtete nicht gleich Deutsch sprechen können, sie sind indes auch nicht automatisch sofort Deutsche. Art. 8 Absatz 1 Grundgesetz gilt aber nur für deutsche (!) Staatsbürger. Und von denen dürfen wohl deutsche und/oder englische Sprachkenntnisse erwartet werden.

  15. 81.

    Es geht um eine Art Unterdrückung, wenn man allen Demonstranten pauschal verbietet in ihrer Sparche zu sprechen.

  16. 80.

    Die Symbolwirkung lautet: Berlin und Deutschland ist nicht Austragungsort von ausländischen Konflikten. Wer gerne in einer anderen Sprache demonstrieren möchte soll dies doch gerne in dem betreffenden Land tun wo die Sprache auch gesprochen wird…aber Konflikte hier austragen zu wollen, mit Menschen die nichts damit zu tun haben, ist vergleichbar mit einem kleinen Hund der erst lautstark bellt wenn er hinter einem Zaun bellen kann, aber ruhig ist wenn der Zaun weg ist. Zudem ist die Auflage für die Sicherheit aufgestellt worden. Wenn die Polizei oder Mit-demonstrierende nicht verstehen was verkündet wird, kann das ganz schnell gefährlich u. strafbar enden. Den Umkehrschluss zu ziehen zu „hier wird gefälligst deutsch gesprochen“ grenzt schon an Volksverhetzung, weil es suggeriert dass die Polizei und die deutsche Bevölkerung wegen der berüchtigten „German Guilt“ stillschweigend dabei zusehen soll wie strafbare Menschenverachtende Parolen geschrien werden können im eigenen Land#DeinErnst?

  17. 79.

    Wofür demonstrieren diese Leute denn genau?

  18. 78.

    Dann doch lieber einfach die Ohren davor verschließen, was dort auf Berlins Straßen skandiert wird? Oder was schlagen sie alternativ vor, Herr Angeloudis?
    Eine um sich greifende "kulturelle und daher auch sprachliche Enge in Deutschland" kann ich jedenfalls nicht erkennen.

    Dass diese Anweisung der Polizei ein untaugliches Feigenblatt der Politik ist, antisemitische Parolen von den Straßen Berlins fernzuhalten steht auf einem anderen Blatt. International wird sehr wohl beobachtet, was auf Deutschlands Straßen an offen gezeigtem Judenhass wieder straffrei möglich ist.

  19. 77.

    Es ist keine Behinderung der Polizei, wenn dieser mildere, ebenso wirksame Mittel zur Verfügung stehen. Das ist hier der Fall. Dolmetscher, Sprachkundige zusammen mit der stattfindenden Videodokumenttion wären sogar beweissicher.

  20. 76.

    Falsch! Es gibt in Deutschland drei offizielle Sprachen: Deutsch, Sorbisch und Dänisch.
    Die strammen Gleichmacher kennen tatsächlich nicht mal ihr eigenes Land.