Brandenburg Brandenburger AfD offenbar nur wegen Neuwahl nicht als "gesichert rechtsextrem" hochgestuft
Bereits im November wollte der Brandenburger Verfassungsschutz den Landesverband der AfD als erwiesen rechtsextrem hochstufen. Die Entscheidung wurde aber am Ende nicht getroffen - offenbar spielte die vorgezogene Bundestagswahl dabei eine Rolle.
Der Verfassungsschutz in Brandenburg hat offenbar geplant, den AfD-Landesverband als "gesichert rechtsextrem" einzustufen. Die Brandenburger AfD wird vom Verfassungsschutz bereits beobachtet. Mit einer neuen Bewertung würde der Landesverband als verfassungsfeindlich gelten.
Nach am Dienstag veröffentlichten Recherchen von WDR, NDR und der "Süddeutschen Zeitung" soll es im Verfassungsschutz Brandenburg konkrete Pläne gegeben haben, die Hochstufung bereits im November vorzunehmen. Dies soll wegen der vorgezogenen Bundestagswahl gestoppt worden sein, um nicht den Eindruck einer Einflussnahme der Politik auf die anstehende Bundestagswahl zu erwecken.
Die Hochstufung sollte den Recherchen zufolge mit einem vor wenigen Wochen fertig gestellten neuen Gutachten über die Brandenburger AfD begründet werden. Der Verfassungsschutz Brandenburg teilte auf Anfrage von WDR, NDR und "SZ" mit, dass er sich zur Einstufung von Beobachtungsobjekten zu gegebener Zeit äußere. Der Landesverband der AfD unterliege einer kontinuierlichen Prüfung.
Die Brandenburger Innenministerin Katrin Lange (SPD) bezeichnete die Recherchen gegenüber rbb|24 als Spekulation. Sie könne zu Vorgängen, die im November stattgefunden hätten, noch keine Einschätzung abgeben. Lange hatte das Innenministerium erst in der vergangenen Woche übernommen. Sie wolle die Vorgänge nun prüfen, so die Ministerin.
Zwei Landesverbände bereits "gesichert rechtsextrem"
Der Brandenburgische Landesverband der AfD gilt seit Juni 2020 für den Verfassungsschutz als Verdachsfall für rechtsextremistische Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Jugendorganisation der Partei , die "JA Brandenburg", wurde im Juli 2023 zur "erwiesen rechsextremistischen Bestrebung" hochgestuft, was offenbar im November mit dem Landesverband der AfD geschehen sollte.
Insgesamt gelten laut Verfassungsschutz drei Landesverbände der Partei als gesichert rechtsextrem: die AfD in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Langes vor wenigen Tagen aus dem Amt geschiedener Vorgänger als Innenminister, Michael Stübgen (CDU), hatte schon Anfang Dezember gegenüber rbb|24 eine Verschiebung der Einstufung aufgrund der bevorstehenden Wahlen angedeutet. Eine baldige Hochstufung sei "durchaus möglich", so Stübgen damals. Man habe es laut Erkenntnissen des Landesverfassungsschutzes mit einer Radikalisierung bei der AfD Brandenburg zu tun.
"Auf der anderen Seite gibt es klare Festlegungen des Bundesverfassungsgerichtes im Besonderen, aber auch vom Bundesverwaltungsgericht, dass Behörden im Zusammenhang mit unmittelbar bevorstehenden Wahlen äußerste Zurückhaltung zu üben haben". Über eine tatsächliche Höherstufung müsse eine neue Landesregierung befinden, so der Innenminister Anfang Dezember.
Die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Brandenburg, Alexandra Pichl, erklärte am Dienstag, es sei "inakzeptabel, wenn Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Strukturen aus politischen Rücksichten zurückgehalten werden". Der Verfassungsschutz habe die Aufgabe "als Vorwarnsystem für die Öffentlichkeit zu agieren", heißt es in der Mitteilung. "Es wäre dramatisch, wenn der Verfassungsschutz seine verfassungsgemäße Aufgabe für die wehrhafte Demokratie aus politischen Erwägungen heraus vor Wahlen einstellt", so Pichl.
Die AfD bewertete die Einstufung als "politisches Instrument" gegen die Opposition, wie eine Sprecherin der Partei am Dienstag mitteilte. "Da der Verfassungsschutz das Gutachten selbst nicht veröffentlichen will, spielt er nun über Bande." Die öffentlich-rechtlichen Medien und die "Süddeutsche Zeitung" seien offenbar "Kollaborateure" des Inlandsgeheimdienstes.
Der Weg zur gesichert extremistischen Bestrebung
Der Verfassungsschutz ist der Inlandgeheimdienst und sieht sich als "Frühwarnsystem der Demokratie". Er ordnet mögliche Fälle verfassungsfeindliche Bestrebungen in drei Stufen ein: Prüffall, Verdachtsfall und Vorliegen einer gesichert extremistischen Bestrebung. Bei einem Prüffall sucht der Verfassungsschutz nach Anhaltspunkten für eine Beobachtung und darf sich nur aus offen zugänglichen Informationsquellen bedienen.
Gibt es genügende Anhaltspunkte, wird eine Organisation als Verdachtsfall eingestuft und als "Beobachtungsobjekt" behandelt. Der Verfassungsschutz kann dann unter anderem Informanten anwerben, Personen beobachten oder unter bestimmten Voraussetzungen die Telekommunikation überwachen.
Wenn aus Sicht der Behörde keine Zweifel mehr am Vorliegen extremistischer Bestrebungen bestehen, wird ein Verdachtsfall zur gesichert extremistischen Bestrebung hochgestuft. Bei jedem Verdachtsfall und jeder gesichert extremistischer Bestrebung ist der Verfassungsschutz dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit informieren.
Einstufung hätte keine zwingenden Konsequenzen für die Partei
Es gibt keine zwingenden Konsequenzen für eine Organisation oder Partei, wenn sie als "gesichert extremistisch" eingestuft wird, denn der Verfassungsschutz ist keine Strafverfolgungsbehörde. Sie leitet aber Informationen an die Bundesregierung, Landesregierungen sowie an Polizei und Staatsanwaltschaft weiter. Konsequenzen kann es für Beamte, Soldatinnen oder Richter geben, wenn sie sich aktiv für die extremistische Bestrebung einsetzen. Das muss im Einzelfall geprüft werden, eine bloße Mitgliedschaft reicht dafür aus Expertensicht nicht aus.
In den vergangenen Monaten wurde über ein mögliches Verbot die AfD diskutiert. Die juristischen Hürden für das Verbot einer politischen Partei sind in Deutschland sehr hoch. Nur das Bundesverfassungsgericht darf das – auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung. In der Geschichte der Bundesrepublik wurden nur zwei Parteiverbote ausgesprochen – in den 1950er gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP) und gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD (heute: Die Heimat) scheiterte hingegen zwei Mal.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.12.2024, 11:20 Uhr