"Hoffmannkurve" wird angepasst - BER-Nachbargemeinden fürchten mehr Fluglärm

Fr 24.01.25 | 17:41 Uhr | Von Alexander Goligowski und Philipp Rother
  80
Symbolbild: Ein vom Flughafen Berlin Brandenburg ( BER ) gestartetes Flugzeug. (Quelle: dpa/Rainer Keuenhof)
dpa/Rainer Keuenhof
Video: rbb|24 | 10.02.2025 | Material: rbb|24 | Bild: dpa/Rainer Keuenhof

Der BER bekommt ein neues Navigationssystem. Dabei wird die "Hoffmannkurve" angepasst. Sie soll den Fluglärm in den südöstlichen Nachbargemeinden minimieren. Das Gegenteil könnte jetzt aber eintreten. Von A. Goligowski und P. Rother

Der Ärger um seinen Fluglärm ist älter als der BER selbst. Nun gehen die Diskussionen in die nächste Runde. Der Grund dafür ist schnell erklärt: Der BER bekommt ein neues, satellitengestütztes Navigationssystem für den Flugverkehr. Damit sollen die Routen genauer eingehalten werden und die Emissionen verringert.

Die Neuerung wird aber auch Auswirkungen auf die "Hoffmannkurve" haben. Es handelt sich dabei um eine Flugroute, besser gesagt um ein Flugmanöver, das dafür sorgt, dass am BER nach Osten startende Flugzeuge schnell im 90-Grad-Winkel abdrehen und dem Ballungsbereich von Eichwalde über Zeuthen bis nach Königs Wusterhausen (alle Dahme-Spreewald) nicht zu nahe kommen.

Grafik: Hoffmannkurve am Flughafen BER und die betroffenen Gemeinden Schulzendorf, Zeuthen und Wildau. (Quelle: rbb24)
Der Toleranzbereich (lila) erfasst auch Schulzendorf, Zeuthen und Wildau. | Bild: rbb24

Route wird weiter nach Osten verschoben

Infolge der technischen Umstellung wird die "Hoffmannkurve" nun aber angepasst. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hatte bereits im Oktober des vergangenen Jahres entsprechende Karten präsentiert. Die zeigen, dass sich die Route weiter nach Osten verschiebt. Weil jeder Pilot das Manöver anders fliegt, wurde die neue Kurve anhand der "schlechtesten Route" berechnet. Die Befürchtung ist, dass Flugzeuge künftig, statt an der Autobahn A13 abzuknicken, bis an die Eichwalder Bahnschienen heranfliegen könnten.

Zudem ist ein Toleranzbereich definiert worden, in dem die Flugzeuge fliegen dürfen. Dadurch würde das Überschießen der "Hoffmannkurve" legitimiert, sagen Kritiker. Das Flugerwartungsgebiet über Schulzendorf, Eichwalde und Zeuthen würde sich dadurch vergrößern. Als Folge könnten die Gemeinden künftig jederzeit direkt überflogen werden. "Wir fühlen uns da einfach nicht gesehen von der DFS", bemängelte Philipp Martens (Linke), der Bürgermeister von Zeuthen, im Gespräch mit dem rbb.

Änderung betrifft laut DFS nur die Kartendarstellung

Das löst in den südöstlichen BER-Umlandgemeinden Zeuthen, Eichwalde, Wildau, Königs Wusterhausen und Schulzendorf Unmut aus. Die rund 100.000 Anwohnerinnen und Anwohner fürchten eine erhöhte Lärmbelästigung. Besonders brisant: Häuser und Wohnungen verfügen in dem Bereich nicht über einen speziellen Lärmschutz, weil direkte Überflüge laut den offiziellen Routen nicht vorgesehen sind. Die drohen aber nun.

"Das Verfahren wird nicht verändert beziehungsweise verschoben. Die Änderung betrifft ausschließlich die Kartendarstellung", teilte die Deutsche Flugsicherung (DFS) dem rbb auf Nachfrage mit: "Also gehen wir davon aus, dass sich auch die Lärmsituation nicht ändert."

Viel Lärm um nichts also? Alles nur ein riesiges Missverständnis? Die Betroffenen glauben das nicht: "Da kann mir einer erzählen, was er will - wir reden hier von einem Korridor, der geschaffen wird", erläuterte die Vorsitzende der Zeuthener Gemeindevertreter, Nadine Selch (CDU). Es sei "eine extreme Mehrbelastung der Menschen" zu befürchten.

Fast 7.000 Menschen unterschreiben Protestbrief

Benannt wurde die "Hoffmannkurve", umgangssprachlich "Kotzkurve" genannt, nach einem Privatpiloten aus Eichwalde namens Marcel Hoffmann, der sie vorgeschlagen hatte. Sie wurde speziell für den BER konzipiert, um den Fluglärm bei Starts im Vergleich zum standardmäßigen Geradeausabflug für die umliegenden Gemeinden im Südosten zu reduzieren.

Genau dort sorgen sich die Anwohnerinnen und Anwohner nun. In nur zehn Tagen haben in Schulzendorf, Eichwalde, Zeuthen, Wildau und Königs Wusterhausen fast 7.000 Menschen einen Protestbrief unterschrieben. Die Resonanz sei gewaltig, hieß es aus den Rathäusern. Am Mittwoch wurden die Unterschriften und der Protestbrief bereits der DFS übergeben.

Die Fluglärmkommission hat fünf Gegenvorschläge (unter anderem Optimierung der Startbahnnutzung, Routenführung überarbeiten, Anpassung des Lärmentgelts) gemacht. Auf eine Antwort der DFS wartet sie bisher aber vergebens - es herrscht Funkstille.

Forderung: System soll später eingeführt werden

Lothar Grosser und Stephan Bartz sind Mitglieder der Fluglärmkommission. Sie sagen, sie glaubten, dass die alte Hoffmannkurve gut zu fliegen sei. Zudem kritisieren sie den Toleranzbereich: "Wenn es ihn gibt, wird er auch ausgenutzt - für uns wäre das ein Schritt zurück", erläuterte Bartz im Gespräch mit dem rbb.

"Wenn die Streuung größer ist, dann werden natürlich auch Anwohner überflogen, die früher kein Problem damit hatten", ergänzte Grosser. An anderen Flughäfen gebe es einen solchen Toleranzbereich nicht. "Woanders kostet das für die Airlines richtig viel Geld, wenn sie von den Routen abweichen."

Nach einer EU-Verordnung soll in allen Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2030 die Navigation auf den Flughäfen auf das satellitengestützte System umgestellt und die bodengestützte Navigation abgeschafft werden. Die Zivilluftfahrtorganisation ICAO verspricht sich davon Einsparungen beim Treibstoffverbrauch und mehr Möglichkeiten, dicht bewohnte Gebiete umfliegen zu können.

Im Ballungsbereich von Eichwalde über Zeuthen bis nach Königs Wusterhausen fürchten viele genau das Gegenteil - und fordern daher eine Verschiebung der Einführung des neuen Systems. Am BER soll es bereits Ende Oktober eingeführt werden, dann würde auch die die neue Hoffmannkurve geflogen werden. Bereits am 23. Februar will die DFS ihre Pläne an das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung zur Genehmigung einreichen.

Sendung: rbb|24, 10.02.2025, Material: rbb|24

Beitrag von Alexander Goligowski und Philipp Rother

Nächster Artikel

80 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 80.

    Als ich das letzte Mal geflogen bin, gings noch von TXL los. Schnell hin, schnell rin, schnell weg. Ganz ehrlich, das einzige was vermisse ist der alte EsS-Bahn-Wagon mit der lecker Currywurst.

  2. 79.

    1970 gab es keinen Lärmschutz und zu der Zeit waren die Lötkolben richtig laut. Da sind die aktuellen Dosen richtige Leisetreter im Vergleich zu den alten Tupolevs, Antonovs, Boeing 707, 727, 747, Bac-One-Eleven, DC8, 9 und 10.

  3. 78.

    Mal kräftig zustimm.

    Und auch wir hatten hier keine Schallschutzfenster!

    Mein Herz schlägt weiter für TXL. Der BER liegt doch am Hintern der Welt.

  4. 77.

    Niedrige Höhe, niedrige Geschwindigkeit, hohes Gewicht und dann diese Kurve im Steigflug. Immer in Gefahr, in einen Strömungsabriss zu kommen. Erstaunlich, dass sowas (meist aus aus wirtschaftlichen Gründen) überhaupt für genehmigungsfähig erklärt wurde. Komplett im Widerspruch zu den Verfahren, die in der Schulung den angehenden Piloten eingetrichtert werden: geradeaus im Steigflug bis zur Sicherheitsmindesthöhe und dann immer noch max. 30 Grad Kurvenneigung, eher 20 Grad und möglichst flach kurven in Bodennähe.

  5. 76.

    Immer wieder aufs Neue : Augen auf beim Grundstückskauf - im Nebel hinterm Feld, könnte ja plötzlich, ein Flughafen auftauchen.
    ,,(Ich lebe schon seit 8- 12 Generationen dort) und das man auch Eigentum verkaufen kann, wusste Ich noch gar nicht,,
    Lage Lage Lage - immer wieder.

  6. 75.

    Richtig, aber 1970?
    Man darf in diesem Land am besten nichts besitzen. Sonst gibt es Abgaben, Steuern, Gebühren, Strafen vom Ordnungsamt.

    Oder wie in diesem Fall, kalte Enteignung.

    Nat. nicht für die oberen 10.000, die werden sauber entschädigt.

  7. 73.

    Ich bin immer wieder überrascht über die Diskussionen über Flugrouten und zwar damals wie heute.
    Nahezu kein Flugzeug fliegt dieses Pattern.
    Hintergrund am Beispiel von Flügen, die nach Westen starten mit Zielen im Osten oder Norden. Diese Flüge verletzen regelmäßig die seiner Zeit heiß diskutieren Flugrouten über Wannsee, indem nach Erreichen von ca. 1500 Höhenmetern über Diedersdorf / Großbeeren rechts abgebogen wird, um dann über Lichterfelde, Lankwitz, Steglitz über die Stadt in Richtung Osten zu fliegen (Flugbetrieb über der Stadt war das Haupt Argument für die Schließung von TXL und THF)

    Natürlich ist diese Prozedur, also das Abweichen von definierten Standard Flugrouten, in begründeten Ausnahmefällen möglich. Es ist jedoch so, dass die Freigabe der DFS dafür regelmäßig erteilt wird und zwar ohne "ohne Not". Die Piloten stellen aus rein kommerziellen Gründen den Antrag und bekommen sofort die Freigabe. Dies führt sämtliche Diskussion um Lärmschutz etc. ad Absurdum

  8. 72.

    Aber irgendwelche Menschen und Gruppen, haben sich am überteuerten ,, Flughafen,, jedenfalls schön bereichert.
    An Fehlplanungen, Nachträgen und Verteuerung, verdient man in Deutschland, bekanntlich ja am Meisten.

  9. 71.

    Die Flugrouten ( Start und Landung ) werden, wie einst mal vorgesehen, nicht eingehalten. Start nach Westen beginnt auf der Südbahn mit einer starken Linkskurve statt gerade. Ortsteil Dahlewitz verstärkt vom Lärm betroffen, kein Schallschutz für stark betroffene Grundstücke.
    Nachtflugverbot fast jeden Tag nicht eingehalten.
    Die reinste Verarsche mit diesem vollkommen fehlgeplanten und überteuerten „ Flughafen“

  10. 70.

    Zehntausende Menschen, ziehen gerade wegen BER und Arbeitsplätzen in die Region.
    Die Menschen ziehen nicht weg - die Menschen ziehen gezielt dort hin.

  11. 69.

    Der war gut :
    Bauen Sie doch Bitte beim Nachbarn, dort drüben !
    - Das ist wirklich, deutsche Realsatire, Viele Liebe Grüße.

  12. 68.

    Und die Landkreise und deren Bewohner/innen im BER-Umfeld, profitieren auch seit vielen Jahrzehnten schon, von Strukturhilfen/Fördermitteln in Milliardenhöhe.
    Das wird dabei, sehr gerne verschwiegen - wie viele Milliarden schon geflossen sind und weiterhin fließen !!!!!!

  13. 67.

    Also, ich treibe mich nicht umher, Berlin ist meine Wahlheimat.
    Übrigens, überall wo ich mich in Deutschland niederlassen habe, da überwiegte das Gute!!!

  14. 66.

    Sie wissen doch, in Deutschland herrscht das Motto : man möchte Alles haben, aber nicht vor der eigenen Haustür/Grundstück.
    Das nennt man auch : Deutsche Doppelmoral.
    Alles muß verfügbar und in der Nähe sein - aber am Besten, unsichtbar oder irgendwo auf dem Dorfe ein paar Kilometer weiter, Viele Grüße.

  15. 65.

    Vielleicht, ist der Standort für Sie nicht der Richtige - mag vollkommen, auch so sein ?!
    Für sehr viele Millionen Menschen, ist der BER genau dort richtig - sonst würden nicht, 20, 30 oder.... Millionen Menschen, vom BER abfliegen und ankommen.
    Wäre der Standort dort falsch, würden vielleicht nur 2 oder 3 Millionen Menschen, abfliegen/ankommen.
    Der Standort, ist der einzig Richtige, in unserer Hauptstadt-Region - und nicht irgendwo am A...der Welt, davon profitiert die gesamte Wirtschaft in unserer Hauptstadt-Region.

  16. 64.

    Welchen Osten meinen Sie denn ???
    Wir in Westbrandenburg zum Beispiel, leben Westlich von Ihnen - und Berlin, liegt für Uns, schon im Osten.
    Und der sogenannte Internationale Großflughafen BER(oder besser, Milliarden Grab BER), liegt für uns und von uns aus, schon mehr in Polen, als in Deutschland, LG.
    Und wenn Berlin/Umland/Brandenburg, für Sie , der ,,meckernde Osten,, ist - Was treiben Sie sich dann, überhaupt in Berlin umher und machen Alles schlecht ??

  17. 63.

    „Der Standort ist genau der Richtige“ lt. „Paul“. Hm???
    Die Experten sahen das anders und sollten Recht behalten.

    Standortfehlentscheidungen sind nicht heilbar. Und es kommt IMMER schlimmer als gedacht...

  18. 62.

    Ihr Satz, trifft genau die Wahrheit - 100 Punkte !!!
    Viele Menschen in good old Germany, wollen Fliegen, Auto/Transporter/Jeeps/Wohnmobile fahren,
    Wollen am liebsten Mehrmals im Jahr, in den Urlaub.
    Menschen in Deutschland wollen Öko und BiO sein, die Landschaften mit Windparks und Solarfeldern zu pflastern, usw.
    Aber, Bitte immer beim Nachbarn und am Besten in Jwd, wo sich die Menschen, dann überhaupt Nicht mehr wehren können.
    Der Standort ist genau der Richtige im direkten Ballungsraum Berlin, wo 5 Millionen Menschen, leben, wohnen und arbeiten !!!

  19. 61.

    Nach hinein zeigt sich die grrößte Fehplanung, dass Berlin zur Hauptstadt gemacht wurde.
    Hätte man Bonn als Hauptstadt belassen, würde man im osten zwar auch meckern, aber das wäre als bedeutungslose Folklore abzuhaken,