Brandenburg Berlin Bundesamt stoppt vorerst Entscheidungen über Asylanträge von Syrern
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stoppt vorerst Entscheidungen über Asylanträge von Syrern. Grund ist die unklare Lage nach dem Sturz des Assad-Regimes. Deutschlandweit geht es um rund 47.000 Anträge.
- Bamf will über Asylanträge von Syrern erst einmal nicht mehr entscheiden
- Hintergrund ist Lage in Syrien nach Sturz von Machthaber Assad
- Berliner Flüchtlingsrat warnt vor längerer Bearbeitungspause
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat wegen der unklaren Lage in Syrien vorerst alle Entscheidungen über Asylanträge aus dem arabischen Land gestoppt. Das sagte ein Behördensprecher am Montag. Zuerst hatte der "Spiegel" berichtet.
Die Regelung gelte nicht für sogenannte Dublin-Verfahren, bei denen ein anderes EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist, sagte der Behördensprecher. Betroffen seien stattdessen alle Anträge, für die die Situation in Syrien ausschlaggebend sei. Betroffen seien derzeit mehr als 47.000 Asylanträge von Syrern, davon 46.081 Erstanträge. Auf bereits getroffene Asylentscheidungen hat die neue Lage in Syrien keine Auswirkungen.
"Im Stapel nach unten sortiert"
"Das Bamf schaut sich sehr genau an, wie der Einzelfall gelagert ist, dazu gehört auch eine Bewertung der Lage vor Ort im Herkunftsland", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums in Berlin. Bei einer unklaren Lage habe das Bundesamt die Möglichkeit, Asylentscheidungen zurückzustellen - und dass dies in Syrien der Fall sei, sei offensichtlich.
Praktisch bedeutete die Entscheidung des Bamf für die Betroffenen, ihre Anträge "werden im Stapel nach unten sortiert und andere Asylentscheidungen vorgezogen".
Kritik vom Flüchtlingsrat Berlin
Der Flüchtlingsrat Berlin kritisierte den Entscheidungsstopp des Bamf jedoch. "Es gibt überhaupt keinen Grund, hier jetzt Entscheidungen zu pausieren oder davon auszugehen, dass die Lage in Syrien irgendwie sich drastisch verbessern würde in den nächsten Monaten", sagte Emily Barnickel, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Berlin, dem rbb. "Die Menschen brauchen weiterhin Rechtssicherheit bezüglich ihrer Verfahren", betonte auch Mariella Lampe vom Flüchtlingsrat Berlin in einer Mitteilung von Montag.
Ferat Kocak von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus forderte, dass keine Abschiebungen nach Syrien stattfinden dürften. Dazu sei die Lage zu instabil und die Gefahr durch Islamisten zu groß. Auch der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein sagte, Geflüchtete aus Syrien müssten darauf vertrauen können, dass sie in Deutschland weiterhin Schutz finden und nicht abgeschoben werden.
Rebellen unter der Führung der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatten in der Nacht zum Sonntag die Kontrolle über die syrische Hauptstadt Damaskus übernommen und damit das Ende der mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Herrschaft der Familie von Präsident Baschar al-Assad eingeläutet. Der entmachtete Präsident floh mit seiner Familie nach Russland. Tausende Syrer feierten auf deutschen Straßen den Umsturz in der alten Heimat, auch in Berlin.
Fast eine Million Syrer in Deutschland
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums befanden sich mit Stand Ende Oktober 974.136 Menschen mit syrischer Staatsbürgerschaft in Deutschland.
Bei mehr als zwei Drittel der Menschen handelt es sich um sogenannte Schutzsuchende. Darunter befanden sich laut Bundesinnenministerium 5.090 Asylberechtigte. 321.444 Menschen sind demnach als Flüchtlinge nach der Genfer Konvention registriert, also aus begründeter Angst vor Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Religion.
Insgesamt 329.242 Syrerinnen und Syrer genießen subsidiären Schutz. Dieser greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden, den Betroffenen aber im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.
Unter den rund 300.000 weiteren Syrerinnen und Syrern sind laut Ministerium Menschen, die als Familienangehörige von Geflüchteten gekommen sind, in Deutschland eine Arbeitserlaubnis oder andere Aufenthaltstitel haben.
Rund 50.000 Syrer in Berlin - 21.000 in Brandenburg
Am 30. Juni 2024 lebten laut Landesamt für Statistik in Berlin 49.325 Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit.
In Brandenburg waren es (zum Stichtag 31. Oktober 2024) 21.347 syrische Staatsangehörige, wie das Innenministerium dem rbb mitteilte. Davon hatten 13.072 Personen ein Aufenthaltsrecht aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen. Von diesen standen 6.850 Personen unter sogenanntem subsidiären Schutz, 4.471 Personen wurde die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. 2.094 Personen hatten Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen. 1.166 Personen hatten Aufenthaltsrecht, weil bei ihnen z.B. das Asylverfahren noch lief. 335 waren Ausreisepflichtige, davon war bei 317 Personen die Abschiebung ausgesetzt (Duldung). 806 Personen hatten kein Aufenthaltsrecht und 56 Personen waren als Asylberechtigte anerkannt.
Mit Stand 30. November 2024 waren in Brandenburg 736 und in Berlin 1.497 Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen anhängig, teilte das Bamf am Montag dem rbb mit.
Sendung: Antenne Brandenburg vom rbb, 09.12.2024, 13 Uhr