Ein abgerissenes Plakat für die Europawahl von der Partei Alternative für Deutschland (AfD)

Brandenburg Berlin Fragen und Antworten zu möglichem AfD-Verbot: Geht das überhaupt?

Stand: 14.10.2024 15:29 Uhr

Mehrere Bundestagsabgeordnete wollen ein Verbot der AfD auf den Weg bringen. Andere sind skeptisch. Noch lägen dafür nicht genug Beweise vor, sagen sie. Wie würde ein Verfahren ablaufen und wann muss ein Verbot ausgesprochen werden? Von Oliver Noffke

Sollte die AfD verboten werden? Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und zuletzt in Brandenburg ist diese Diskussion wieder da. Schließlich steht die Partei im Verdacht rechtsextremistisch zu sein. Für einige Landesverbände und Organisationen gilt das als erwiesen. In Brandenburg wird der Landesverband vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft, in Berlin nicht.
 
Eine parteiübergreifende Gruppe von Abgeordneten will das Thema im Bundestag auf die Tagesordnung im heben. In dem Entwurf für die Einleitung eines Verbotsverfahrens, der rbb24 Brandenburg aktuell vorliegt, heißt es zur Begründung: "Die Würde des Menschen sowie das Diskriminierungsverbot werden durch die AfD, ihre führenden Funktionäre sowie zahlreiche Mandatsträger und Mitglieder mittlerweile unverhohlen infrage gestellt."
 
Ob es im Bundestag tatsächlich eine Mehrheit für ein Verbotsverfahren gibt, ist ungewiss. Es steht nicht einmal fest, ob sich genug Unterstützer für eine Debatte dazu finden. Fünf Prozent der Parlamentsmitglieder müssen sich für die Einleitung aussprechen, also 37 Abgeordnete.
 
Doch es herrscht viel Skepsis, ob ein Parteienverbot erfolgreich sein kann. Schließlich wäre das ein schwerer Eingriff in den demokratischen Wettbewerb. Die juristischen Hürden dafür sind zudem hoch und das Vorhaben an sich gilt als politisch äußerst heikel. Wie viele sich der Initiative um Anke Domscheit-Berg (Die Linke) und den sächsischen CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz anschließen, ist bislang unklar.

AfD-Verbotsantrag eingereicht
Entwurf für AfD-Verbotsantrag liegt Abgeordneten im Bundestag vor

Die AfD soll durch das Bundesverfassungsgericht überprüft werden - so will es ein Entwurf für einen Verbotsantrag von mehreren Abgeordneten, der nun den Abgeordneten im Bundestag vorliegt. In ihm steckt viel Kritik gegenüber der Partei.mehr

Warum wird jetzt ein Verbot der AfD diskutiert?

Vor etwa zwei Wochen kam es während der konstituierenden Sitzung des neuen Thüringer Landtags zu Tumulten [tagesschau.de]. Eigentlich sollte die Beschlussfähigkeit des Parlaments festgestellt werden. Die Namen der Abgeordneten sollten vorgelesen werden, anschließend hätten die Abgeordneten einen Präsident oder eine Präsidentin gewählt. Dieses einflussreiche Amt wird üblicherweise aus den Reihen der größten Fraktion besetzt. Das ist Tradition, keine festgeschriebene Regel.
 
Im Thüringer Landtag stellt die AfD die größte Fraktion. Ihre Kandidatin um das Präsidentenamt, Wiebke Muhsal, wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt. Grundsätzlich, weil sie zur AfD gehört, die in Thüringen als gesichert rechtsextrem gilt. Aber auch, weil Muhsal eine verurteilte Betrügerin ist. Sie hatte einen Vertrag mit einer Angestellten in ihrem Abgeordnetenbüro vordatiert und unrechtmäßig Geld bei der Landtagsverwaltung abgerechnet [mdr.de].
 
Die übrigen Parteien wollten eigene Kandidaten aufstellen und entsprechend dafür Anträge einbringen. Die Geschäftsordnung sollte dafür geändert werden. Das wurde nicht zugelassen, die Sitzung endete im Chaos.
 
Geleitet wird eine konstituierende Sitzung vom ältesten Mitglied eines Parlaments. In Erfurt war dies der 73 Jahre alte AfD-Politiker Jürgen Treutler. Doch Treutler setzte seine Aufgabe erst um, nachdem das Landesverfassungsgericht ihn dazu aufgefordert hatte [tagesschau.de]. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es das noch nie.
 
Von vielen Befürwortern eines AfD-Verbots wird dieser Vorfall als Beweis angesehen, dass sich die Partei nicht an die Regeln des Rechtsstaats hält. Dass sie Macht missbraucht und die Demokratie untergräbt.

Symbolbild: Der Plenarsaal des Brandenburger Landtages. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Was bedeutet eine Sperrminorität im Landtag?

Die AfD wird im kommenden Landtag mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellen. Damit hält sie eine Sperrminorität. Politik machen lässt sich damit kaum. Denn dieser Mechanismus schützt etwas, das von vielen Rechtspopulisten kritisch betrachtet wird. Von Oliver Noffkemehr

Wie läuft ein Verbotsverfahren gegen eine Partei ab?

Parteien, die verfassungswidrige Ziele verfolgen oder sich entsprechend verhalten, können verboten werden. Die Entscheidung darüber darf nur das Bundesverfassungsgericht treffen [gesetze-im-internet.de/gg]. Nur Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung können ein Parteiverbot beantragen.
 
Bevor es zur Hauptverhandlung kommt, prüft das Bundesverfassungsgericht, wie aussichtsreich so ein Antrag ist [bundesverfassungsgericht.de]. Das geschieht "nach Aktenlage". Erkenntnisse und Einschätzungen, die von den Verfassungsschutzbehörden veröffentlicht wurden, könnten dazugehören.
 
Wird ein Hauptverfahren zugelassen, prüft das Bundesverfassungsgericht, ob die Partei tatsächlich verfassungswidrig ist. Bestätigt sich dies, wird die Partei aufgelöst. Das Verbot gilt dann auch für alle Nachfolgeorganisationen.

Symbolbild: Der Brandenburger Landtag am frühen Morgen. (Quelle: dpa/Michael Bahlo)
Im neuen Landtag sitzen mehr rechtsextreme AfD-Abgeordnete

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Was bedeutet "verfassungswidrig" für eine Partei?

Organisationen oder Personen gelten als extremistisch, wenn sie sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Land richten, diese gefährden oder aktiv beseitigen wollen. Einzuschätzen, ob das zutrifft, ist Aufgabe der Inlandsgeheimdienste.
 
Politische Parteien gelten als verfassungswidrig, wenn sie außerdem eine "aktiv kämpferische, aggressive Haltung" zeigen, mit der sie ihre Ziele umsetzen wollen, so das Bundesverfassungsgericht. Außerdem wird bewertet, wie realistisch es ist, dass die Partei ihre Ziele wirklich umsetzen kann.

Trifft das auf die AfD zu?

Das ist die entscheidende Frage, mit der sich das Bundesverfassungsgericht beschäftigen müsste.
 
Der AfD-Bundesverband wird vom Bundesverfassungsschutz als "rechtsextremistischer Verdachtsfall" geführt [verfassungsschutz.de]. Die Behörde hat also noch kein abschließendes Urteil getroffen und beobachtet die Partei. Am Montag kündigte der Bundesverfassungsschutz an, bis Ende des Jahres ein neues Gutachten zur AfD vorzulegen. Ob sich an der Einschätzung als Verdachtsfall etwas ändert, blieb offen.
 
"Die AfD beweist täglich, dass sie mit dem Grundgesetz im Konflikt steht", so Anke Domscheit-Berg. Die Bundestagsabgeordnete (Linke) aus Oberhavel ist Mit-Initiatorin der Initiative für ein AfD-Verbotsverfahren.
 
René Springer, AfD-Bundestagsabgeordneter und Brandenburger Landesvorsitzender, sieht darin den Versuch, die Opposition auszuschalten. "Ein Verbot unserer Partei würde den politischen Wettbewerb um vernünftige Lösungen willkürlich beseitigen und nicht nur das Vertrauen in unsere Demokratie, sondern die Demokratie selbst zerstören."
 
Inwiefern sich die AfD "aktiv kämpferisch-aggressiv" gegen die Freiheit und Demokratie engagiert, ist zudem umstritten. Besonders deutlich zeigt sich das an der chaotischen Landtagssitzung in Thüringen.
 
Die Art und Weise, in der Alterspräsident Treutler von der AfD die Sitzung führte, Anträge der Abgeordneten ignorierte oder sie nicht zu Worten kommen lassen wollte, ist einzigartig. Anträge aus anderen Fraktionen zu ignorieren oder Volksvertretern das Wort abzustellen, ist ein schwerer Eingriff in die Arbeit eines Parlaments. Der Rechtswissenschaftler und frühere Bundesrichter Thomas Fischer bezeichnete Treutlers Vorgehen in seiner Spiegel-Kolumne etwa als "im Kern satanische" Inszenierung [spiegel.de, Bezahlinhalt].
 
Der Zeit-Journalist Heinrich Wefing wies hingegen darauf hin, dass der Fall auch zeige, die demokratischen Institutionen funktionierten. Das zuständige Gericht hat sich schnell mit dem Fall beschäftigt und Treutler hat daraufhin seine Aufgabe umgesetzt. "Schließlich hat die AfD das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs sofort akzeptiert." Ob aus Respekt oder Taktik sei dabei unerheblich, so Wefing [zeit.de, Bezahlinhalt].

Archivbild: Tino Chrupalla (l-r), AfD-Bundessprecher, Hans-Christoph Berndt, stellvertetender Vorsitzender der AfD Brandenburg und Spitzenkandidat, und Alice Weidel, AfD-Bundessprecherin, klatschen bei der Wahlparty der Brandenburger AfD in einem Gasthaus in Potsdam-Marquardt vor den ersten Hochrechnungen. (Quelle: dpa/Soeder)
Aus welchen Gründen die AfD gewählt wird

Die AfD beschäftigt seit Jahren den Verfassungsschutz. In Brandenburg gilt die Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Bei einigen Personen, die nun im Landtag sitzen werden, ist das gesichert. Viele Wähler hat das offenbar nicht gestört. Von Oliver Noffkemehr

Könnten einzelne Landesverbände oder Ableger der AfD verboten werden?

Die Geheimdienste sagen noch mehr über die AfD. Die Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind den jeweiligen Jahresberichten der Landesverfassungsschutzbehörden zufolge gesichert rechtsextrem.
 
In den drei Ländern sowie in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wird auch die Junge Alternative für Deutschland (JA), die Nachwuchsorganisation der AfD, als gesichert rechtsextrem angesehen. Unter anderem, weil Kontakte zu rechtsextremen oder faschistischen Gruppen bestünden, so die Verfassungsschützer. Der Bundesverband der JA wurde 2023 ebenfalls so eingestuft. Dagegen hat sich die JA vor Gericht gewehrt. Im Februar wurde ihr Eilantrag abgewiesen [tagesschau.de].
 
Zudem gelten mehrere Führungspersönlichkeiten als Rechtsextremisten. Darunter mehrere Abgeordnete in oder aus Brandenburg. Ein Verbot einzelner Landesverbände kann beantragt werden [bundestag.de]. Allerdings hat es diesen Fall noch nie gegeben. Auch die JA könnte verboten werden. Da es sich dabei nicht um eine Partei handelt, sondern um einen Verein, wäre das Bundesinnenministerium dafür zuständig.
 
Vereinsverbote sind selten, aber nicht ungewöhnlich [bmi.bund.de]. Unter Juristen sind sie jedoch äußerst umstritten. Ein Jugendverband einer Partei ist noch nie verboten worden. Und es gibt sehr unterschiedliche Ansichten unter Verfassungsrechtlern zu der Frage, ob Jugendorganisationen von Parteien wirklich selbstständige Organisationen sind? Oder sind sie Teil der Partei und müssen über ein Parteiverbot quasi "mitverboten" werden [tagesschau.de]?
 
Tatsächlich ist ein Vereinsverbot ein Verwaltungsakt, gegen den sich die Betroffenen juristisch wehren können. Spricht das Bundesinnenministerium das Verbot aus, ist immer das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zuständig - in erster und gleichzeitig letzter Instanz.

Welche Parteien sind bereits verboten?

In der Geschichte der Bundesrepublik wurden zwei Parteiverbote ausgesprochen. 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten. Vier Jahre später die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
 
Ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD (heute Die Heimat) scheiterte hingegen gleich zweimal. 2003 aus "verfahrensrechtlichen Gründen", weil die Partei zu stark von V-Leuten durchsetzt war. Bei einem zweiten Anlauf wurde die Partei 2017 als zu unbedeutend angesehen, als dass sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele tatsächlich umsetzen könnte [bundesverfassungsgericht.de].

Wahlkampfabschluss der Alternative für Deutschland (AfD) für die Bundestagswahl und die Wahl zum Berliner Abgeordentenhaus. (Quelle: dpa/Jürgen Heinrich)
"Schrill und ohne Galionsfigur"

Am Wochenende will die Berliner AfD ihre Liste für die Bundestagswahl aufstellen. Ob die Partei so erfolgreich sein kann wie in anderen ostdeutschen Bundesländern, ist nach Auffassung eines Parteiforschers allerdings fraglich. Von Agnes Sundermeyermehr

Wieso gelten Verbotsverfahren gegen Parteien politisch heikel?

Die AfD ist allerdings deutlich bedeutender und einflussreicher. Elf Jahre nach ihrer Gründung hat sie sich etabliert. Seit sieben Jahren sitzt sie im Bundestag und stellt Fraktionen in fast allen Landesparlamenten – abgesehen von Bremen und Schleswig-Holstein. Bei den jüngsten Landtagswahlen erzielte sie Rekordwerte. In Brandenburg stellt sie nun mehr als ein Drittel der Abgeordneten und verfügt über großen Einfluss.
 
Eines habe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im zweiten NPD-Verbotsverfahren klargestellt, schreibt Verfassungsrechtler Klaus Ferdinand Gärditz: "Konsequenterweise erleichtern dann gerade Wahlerfolge, die konkrete Machtperspektiven jedenfalls in greifbare Nähe rücken, den Nachweis der Potentialität erheblich." Mit anderen Worten: Die AfD ist nicht zu groß, um sie zu verbieten, so Gärditz [rsw.beck.de].
 
Er schreibt aber auch: "Die Politik muss sich der Realität stellen, dass Teile der Bevölkerung extremistische Einstellungen pflegen, extremistische Politik wollen und genau das wählen, was sie wollen." Daran werde ein Verbot nichts ändern.
 
Aus diesem Grund sehen viele Politiker einen Verbotsantrag kritisch. Das Risiko damit zu scheitern sei zu groß, sagte etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete für Barnim/Uckermark, Stefan Zierke, rbb24 Brandenburg aktuell: "Dann jubelt die Gegenseite und wir Demokraten haben nichts erreicht."
 
Die Bevölkerung ist in der Frage ebenfalls gespalten. 42 Prozent der Befragten hielten die Einleitung eines Verbotsverfahren gegen die AfD für angemessen. 46 Prozent für nicht angemessen [tagesschau.de].

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.10.2024, 13:05 Uhr

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