Brandenburg Berlin Mehrere schwere Fälle an Silvester: Deshalb sind Kugelbomben so gefährlich
Bei mehreren Explosionen in der Silvesternacht in Berlin und Brandenburg sollen Kugelbomben heftige Schäden an Häusern, schwere Verletzungen und den Tod eines Mannes verursacht haben. Die Feuerwerkskörper sind enorm gefährlich und nicht für Laien gedacht.
Acht schwerverletzte Menschen in Berlin-Tegel, ein Toter in Kremmen (Oberhavel), ein lebensgefährlich Verletzter in Havelsee-Fohrde und teils massiv beschädigte Wohnhäuser in Berlin-Schöneberg und -Neukölln: Fünf Vorfälle aus der Silvesternacht bei denen die Polizei von Kugelbomben als Ursache ausgeht.
Große Explosionen, gedacht als Profi-Feuerwerk
Kugelbomben sind Sprengkörper, die wegen ihrer hohen Explosionskraft in Deutschland nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen sind. Es handelt sich dabei - wie der Name schon sagt - um kugelförmige Geschosse. In unterschiedlichen Größen, bis zu mehreren Kilogramm Gewicht werden sie eigentlich im professionellen Großfeuerwerk eingesetzt. Um sie legal im Fachhandel zu kaufen, muss man eine entsprechende Erlaubnis als geprüfter professioneller Pyrotechniker vorweisen können und muss mindestens 21 Jahre alt sein. Man darf sie auch nur in einem zugelassenen Lager aufbewahren, weil die Lagerung beispielsweise in einfachen Wohnräumen zu gefährlich wäre.
Die Kugelbomben können unterschiedliche Größen haben und dabei mehrere Kilogramm wiegen. Im Inneren können verschiedene Effekte eingebaut werden. Die Kugelbomben werden richtig angewandt mit einem Mörser bis zu mehrere Hundert Meter hoch in die Luft gefeuert, also deutlich höher als frei käufliches Feuerwerk. Hoch oben explodieren sie dann zeitverzögert und können verschiedene Effekte freisetzen. Im Inneren ist so viel Sprengstoff, dass der Explosionsdurchmesser über hundert Meter groß sein kann.
Illegal angeboten in Chatgruppen
Illegal verwendet besteht die Gefahren darin, dass die Bomben sich unkontrolliert bewegen und explodieren, wenn sie nicht aus einer Abschussvorrichtung geschossen werden. Sie haben deutlich mehr Explosionsmasse als legales Feuerwerk und können durch eine Druckwelle erhebliche Schäden anrichten - auf dem Boden dürfen sie auf keinen Fall gezündet werden. Dazu kommt: Die Zündschnur brennt extrem schnell und leicht ab, was die Laien-Käufer nicht wissen. "An der Kugelbombe ist eine lange Zündschnur dran. Allerdings reicht jeder kleine Funke aus, um diese Zündschnur direkt auszulösen. Ein Meter brennt innerhalb von 0,3 Sekunden ab. Und das kann, wie man festgestellt hat, auch tödlich enden", sagt der professionelle Brandenburger Pyrotechniker Sebastian Mikliss dem rbb. "Wir zünden nur noch elektrisch. Handzündung gibt es bei uns eigentlich gar nicht mehr."
In offenen Chatgruppen beispielsweise bei Telegram, werden Kugelbomben illegal angeboten, ohne jegliche Kontrollen. Die Polizei zieht zwar immer wieder solche illegalen Händler aus dem Verkehr, die meist aus Polen und Tschechien eingeschmuggelte Pyrotechnik findet aber offensichtlich trotzdem den Weg auf Berliner Straßen. Zur Art und den Verkaufswegen solcher für Laien verbotenen Kugelbomben konnte die Berliner Polizei auf Nachfrage von rbb|24 kurz vor Silvester keine näheren Angaben machen.
Welche Folgen die Kugelbomben anrichten können, beobachten die Ärztinnen und Ärzte nun in den Rettungsstellen: Im UKB spricht man von einem neuen Trend.
UKB-Direktorin und Feuerwehr beobachten Trend
Teilweise werden die Kugelbomben auch selbst gebastelt. Die Direktorin des Berliner Unfallkrankenhauses, Leila Harhaus-Wähner sagte im rbb24 Inforadio, man habe auffällig viele Verletzte aufgrund selbstgebastelter Kugelbomben in der Silvesternacht gesehen. Sie sprach sogar von einem erkennbaren Trend. Den Menschen, die selbstgebaute Kugelbomben zünden, seien sich häufig nicht über die möglichen Auswirkungen im Klaren. "Die ziehen natürlich erheblich schwerere Verletzungsfolgen nach sich", sagte sie.
Der größte Unterschied zu Unfällen mit legalem Feuerwerk sei, dass häufig mehr Körperteile betroffen seien. Kugelbomben explodieren im Prinzip in alle Richtungen. "Primär explodieren sie in der Hand, sodass wir wirklich die schwersten Hand- und Amputationsverletzungen gesehen haben, in Verbindung mit schweren Verbrennungen. Dann waren aber eben auch Gesicht, Hals, Augen betroffen", sagte Harhaus-Wähner. Die Betroffenen seien ihrer Beobachtung nach "alle im jugendlichen Alter oder junge Erwachsene, ausschließlich männlich".
Der Berliner Landesbranddirektor Karsten Homrighausen sagte in der rbb24 Abendschau, auch die Feuerwehr habe in diesem Jahr deutlich mehr Unfälle mit Kugelbomben registriert. "Im vergangenen Jahr war das noch überschaubar, jetzt greift es immer mehr um sich", sagte Homrighausen.
Hausfassade schwer beschädigt
Zum Jahreswechsel detonierte eine solche Kugelbombe offenbar direkt an einem Hauseingang in Berlin-Schöneberg. Die Fensterscheiben des Hauses wurden zu einem Großteil zerstört, auch in umliegenden Gebäuden kam es zu erheblichen Schäden, Menschen wurden verletzt. Eine Person wurde festgenommen. Auf das Zünden solcher Sprengsätze stehen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren und Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro.
In Berlin-Tegel explodierte eine vermeintliche Kugelbombe inmitten einer Menschenmenge. Acht Menschen wurden nach Angaben eines Feuerwehrsprechers verletzt, darunter zwei lebensbedrohlich. Unter den beiden Schwerstverletzten sei auch ein siebenjähriger Junge, der wegen lebensgefährlicher Verletzungen notoperiert werden musste. Die zerstörerische Gewalt der Kugelbomben sorge in solchen Fällen für traumatisierende Bilder bei den Einsatzkräften, sagte Karsten Homrighausen. Bei der Berliner Feuerwehr habe man deshalb die psychosoziale Notfallversorgung hochfahren müssen. In der Neuköllner Okerstraße beschädigte die Druckwelle einer Kugelbombe Fensterscheiben von vier Wohnhäusern und drei Autos.
Mehrere Verletzte und ein Toter in Silvesternacht
In Brandenburg kam es nach Polizeiangaben ebenfalls zu zwei schweren Unfällen mit Kugelbomben. In Kremmen im Landkreis Oberhavel starb ein 21-jähriger Mann nach einer Explosion an seinen Verletzungen. Er hatte laut Polizei keine Erlaubnis für diese Pyrotechnik. "Im Moment gehen wir davon aus, dass hier unsachgemäß mit Pyrotechnik gearbeitet wurde, die auch derjenige gar nicht hätte besitzen dürfen", sagte ein Polizeisprecher dem rbb am Mittwoch. Wie der 21-Jährige an die Kugelbombe gekommen ist, ist noch nicht bekannt. Auf den illegalen Verkauf an Unberechtigte stehen bis zu drei Jahrfen Gefängnis und Geldstrafen.
In Havelsee-Fohrde nahe der Stadt Brandenburg an der Havel verletzte sich ein 42-jähriger Mann bei der Explosion einer selbstgebauten Kugelbombe lebensgefährlich an Hand und Körper. Er wurde in eine Berliner Klinik geflogen und dort notoperiert. Sein Zustand war auch am Mittwochabend nach Polizeiangaben kritisch.
Sendung: rbb24 Abendschau, 01.01.2025, 19:30 Uhr