Bremen Risiko Kind? Bremer Politik streitet über Nöte selbstständiger Mütter
Rechtliche Lücken können die finanzielle Existenz von Unternehmerinnen oder Freiberuflerinnen gefährden, wenn diese ein Baby bekommen. Die Politik streitet über Lösungen.
Kinder bekommen? Für selbstständig tätige Frauen ist das ein finanzielles Risiko. Denn sie genießen nicht den gleichen Schutz wie angestellte Frauen. Bremens CDU-Fraktion fordert daher eine Bundesratsinitiative. Sie soll helfen, selbstständige Mütter besser abzusichern, gerade wenn sie alleinerziehend sind. Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) steht den CDU-Plänen skeptisch gegenüber. Stattdessen fordert ihr Ressort eine grundsätzliche Reform der Sozialsysteme.
Was es mit diesem Streit auf sich hat, erklären wir hier:
Wie steht es um den Mutterschutz von Unternehmerinnen und Freiberuflerinnen?
Als Mutterschutz werden jene gesetzlichen Vorschriften bezeichnet, die Mutter und Kind nach der Geburt vor allem finanziell und beruflich schützen sollen. Dazu zählen unter anderem ein Beschäftigungsverbot für Angestellte vor und nach der Entbindung, ein besonderer Kündigungsschutz sowie Entgeltersatzleistungen.
Für Unternehmerinnen oder Freiberuflerinnen ist der Rahmen hingegen ein anderer. Auch hier gilt zwar im Prinzip der gesetzliche Mutterschutz von sechs Wochen vor der Geburt bis acht Wochen nach der Geburt. Entscheidend ist dabei aber, wie eine selbstständig erwerbstätige Mutter krankenversichert ist: privat oder freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse.
Elterngeld zu beantragen, ist für selbstständige Mütter mit vielen Fallstricken verbunden.
Wann bekommen selbstständig tätige Mütter Mutterschaftsgeld?
Stichwort Mutterschaftsgeld: Hierbei handelt es sich um einen Lohnersatz für erwerbstätige Frauen. Dieses am bisherigen Einkommen orientierte Ersatzeinkommen wird Arbeitnehmerinnen während der Zeit der gesetzlichen Schutzfristen vor und nach der Entbindung gezahlt.
Für Mütter, die selbstständig sind, ist es hingegen entscheidend, wie sie sich versichert haben:
- Selbstständige Mütter, die freiwillig bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, erhalten in den Wochen vor und nach der Geburt Mutterschaftsgeld in Höhe des mit der Versicherung vereinbarten Krankengeldes. Selbstständige hingegen, die keinen Krankengeldanspruch abgesichert haben, haben auch keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld.
- Selbstständige Mütter, die sich privat krankenversichert haben, erhalten nur dann Mutterschaftsgeld, wenn sie zusätzlich eine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen haben. Darauf haben sie während der Mutterschutzfristen Anspruch. Allerdings nur, wenn sie während dieser Zeit nicht oder nur eingeschränkt arbeiten.
Wann bekommen selbstständig tätige Mütter Elterngeld?
Elterngeld ist eine Leistung für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern. Es soll Müttern und Vätern mehr Zeit für die Erziehung und Betreuung ihres Kindes geben. Dadurch, dass Eltern in dieser Zeit beruflich kürzertreten, sinkt ihr Arbeitseinkommen. Dies soll, je nach bisherigem Einkommen, durch das Elterngeld von 300 bis 1.800 Euro im Monat über einen Zeitraum von bis zu 14 Monaten ausgeglichen werden.
Das Elterngeld richtet sich primär an Angestellte. An Selbstständige wird es nur unter Vorbehalt ausgezahlt, wobei sehr individuelle Regelungen und Berechnungen zugrunde gelegt werden. So kritisiert beispielsweise der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) in einer Stellungnahme im September 2024, dass es sowohl beim Mutterschutzgeld als auch beim Elterngeld "sehr komplexe rechtliche Regelungen und viele Fallstricke für Selbstständige" gebe.
Und auch der Deutsche Juristinnenbund (DJB) kritisiert, neben komplizierten Fristenregelungen und Antragstellungsverfahren, "die Frage der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld sowie die vom Gesetzgeber stark begrenzte Erwerbstätigkeit während des Elterngeldbezugs".
Mutterschutz ist gesetzlich derzeit noch auf Angestellte ausgerichtet. Selbstständige Mütter müssen sich selbst um den passenden Versicherungsschutz kümmern.
Wie viele Frauen sind betroffen?
In einer aktuellen Studie kommt das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) zu dem Schluss, dass nach jüngsten Zahlen auf zwei Jahre gerechnet rund 27.000 aller selbstständigen Frauen ein Kind bekommen haben. Umgerechnet liegt die Quote dem IfM zufolge somit bei 1,1 Prozent pro Jahr.
Einer ebenfalls 2024 veröffentlichten Umfrage des Allensbach-Instituts zufolge wünschen sich derzeit rund 85 Prozent der selbstständigen Frauen, dass der Staat die Rahmenbedingungen beim Mutterschutz verbessert. Ebenso hoch ist der Umfrage zufolge die Quote derjenigen Unternehmerinnen, die sich beim Mutterschutz gegenüber angestellten Frauen benachteiligt fühlen.
Warum wird der Mutterschutz derzeit intensiv diskutiert?
Bekannt sind die oft schwierigen Bedingungen für selbstständige Mütter schon lange. Bereits 2010 verabschiedete die Europäische Union die Richtlinie 2010/41/EU, die einen gleichwertigeren Mutterschutz für Selbstständige in allen EU-Staaten rechtlich verankern sollte. Politisch hat sich aber auch danach in Deutschland wenig getan.
Im Mai 2022 führte dies zu einer von selbstständigen Handwerksmeisterinnen eingereichten Petition mit dem Titel: "Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere". Sie landete im August 2022 im Bundestag und wird seit 2023 von der Bundesregierung geprüft.
Doch nicht nur dort gibt es Bewegung. In Niedersachsen plant die rot-grüne Regierung eine Bundesratsinitiative, die den Mutterschutz gesetzlich verankern soll. Und in der "Hamburger Erklärung" haben sich die wirtschaftspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der CDU/CSU ebenfalls dafür ausgesprochen, sich in ihren Bundesländern für einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld für Unternehmerinnen einzusetzen.
Was fordert Bremens CDU-Fraktion?
Die "Hamburger Erklärung" steht im Einklang mit den Forderungen der Bremer CDU-Fraktion, die Situation von selbstständigen Müttern zu verbessern.
"Wir müssen ganz eng an den Stellschrauben des Mutterschutzes drehen, um selbständigen Frauen die Möglichkeit zu geben, während des Mutterschutzes Betriebshelfer einzustellen und finanzielle Belastungen zu lindern", sagt Theresa Gröninger, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion Bremen.
Kinderkriegen darf nicht zu einer Karrierekrise führen.
(Theresa Gröninger, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion Bremen)
Wofür plädiert Bremens Wirtschaftsressort?
Im Ressort von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) werden die Vorschläge der CDU zurückhaltend beurteilt. "Natürlich sehen auch wir, dass es Ungerechtigkeiten in den Sozialsystemen gibt, die auch und vor allem mit der Sonderstellung von Selbständigen im Sozialversicherungsrecht zu tun haben", sagt Ressortsprecher Christoph Sonnenberg.
Die CDU bleibt hier auf halbem Weg stecken und betreibt reine Symptombehandlung.
(Christoph Sonnenberg, Sprecher der Bremer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt)
Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 27. Oktober 2024, 19:30 Uhr