Hessen Stadt will beim Mahnmal für NS-Opfer in Homberg nachbessern
Eine Gedenkstele am ehemaligen "Adolf-Hitler-Platz" in Homberg (Efze) soll an das Schicksal einer jüdischen Kaufmannsfamilie erinnern. Doch der Text auf der Stele stößt auf Kritik - nicht nur wegen Rechtschreibfehlern. Nun will die Stadt nachbessern.
Wer die "Stele der Toleranz" in ihrem ganzen Ausmaß erfassen will, muss den Kopf in den Nacken legen: Acht Meter hoch ist das 30.000 Euro teure Mahnmal aus rotem Glas und Stahl, das ein Bürger im Stadtzentrum von Homberg (Efze) privat initiiert hat.
Auf einem Platz vor der Kreissparkasse soll es eigentlich an ein friedliches Miteinander erinnern und zu mehr Toleranz aufrufen. Stattdessen mehrt sich die Kritik - wegen eines Vergleichs des Nationalsozialismus mit einer Virus-Epidemie.
Umstrittenes Wortbild vom "unaufhaltbaren, braunen Virus"
Stein des Anstoßes ist ein Text, der auf der Stele unter anderem an das Schicksal der jüdischen Familie Höxter während der Zeit des Nationalsozialismus erinnern soll. Die alteingesessene Familie betrieb hier, am damaligen "Adolf-Hitler-Platz", ein Kaufhaus, wurde dann aber angefeindet und enteignet. Das Kaufhaus wurde abgerissen, Familienmitglieder wurden deportiert und ermordet.
"Braunes Gedankengut" habe sich verbreitet "wie ein kalter Nebel. Vergleichbar mit einer Virus-Epidemie", heißt es dazu erläuternd auf der im Juli dieses Jahres aufgestellten Stele. "Durch die langen Entbehrungen war das Immunsystem der Menschen geschwächt und so wurden die ersten angesteckt. Dann kam der Kipppunkt und der braune Virus [sic] konnte nicht mehr aufgehalten werden. Die Juden wurden zum Staatsfeind."
Der Text der Gedenk-Stele in Homberg sorgt für Irritation.
"Das war kein Virus - das waren die Bürger"
Eine Auslegung, die so manchem Homberger verharmlosend erscheint. "Das verweist gar nicht auf die Täter, sondern es wird als ein biologischer Prozess dargestellt, der über ein Virus kam", kritisiert etwa der ehemalige Stadtverordnete Delf Schnappauf. "Aber das war nicht das Virus – das waren die Homberger Bürger, die das gemacht haben."
Er empfindet die Darstellung als Verhöhnung: "Sie ist dem Thema nicht angemessen." Auch an einigen Rechtschreibfehlern stößt sich Schnappauf. "Der braune Mopp war zufrieden", steht auf der Stele - statt "Mob". Sein Urteil: "Das ist sehr schludrig."
Initiator verteidigt Stele: "Es ist auch ein Appell"
Stelen-Initiator Peter Capitain hatte sich privat um Gestaltung und Bauantrag für das Homberger Mahnmal gekümmert, Sponsoring unter anderem über den Lions-Club, die Kreissparkasse und den Magistrat organisiert. Die Stele wurde vom Künstler Karl-Martin Hartmann aus Wiesbaden geschaffen, im Rahmen eines weltweiten Toleranz-Projekts, das unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments steht.
Für die Aufschrift, an der sich einige nun stören, ist Capitain nach eigenen Angaben selbst zusammen mit Freunden verantwortlich. "Dass da textliche Fehler drin sind wie mit dem Mopp, das ist natürlich blöd gelaufen."
Von dem Wortbild des Virus will Capitain trotzdem nicht lassen. Ihn habe die Geschichte der Familie Höxter sehr berührt. "Ich habe mich gefragt, wie kann es sein, dass Menschen plötzlich anders denken, obwohl sie vielleicht gar nicht von ihrer Grundeinstellung rechts orientiert sind?" Die Erklärung eines ansteckenden Virus sei für ihn einleuchtend gewesen. "Es ist auch ein Apell: Man muss sein Immunsystem gegen rechts verbessern und stärken, gerade in der heutigen Zeit."
Arolsen Archives: "Das ist historisch nicht richtig"
Auch Experten des Internationalen Zentrums über NS-Verfolgung in Bad Arolsen (Waldeck-Frankenberg) sind mittlerweile auf die Stele aufmerksam geworden. Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives, schätzt zwar die Idee hinter der Aktion, wie sie dem hr erläutert. Aber: "Den Vergleich mit einer Virus-Epidemie halte ich für komplett falsch."
Es entstehe das Bild, dass man nichts gegen den Nationalsozialismus hätte machen können, "das ist historisch nicht richtig". Schließlich habe es Planungen gegeben und verschiedene Akteure mit Handlungsspielräumen, die bewusst Entscheidungen getroffen hätten.
Stadt setzt sich für Überarbeitung ein
Capitain fühlt sich angesichts zunehmender Kritik missverstanden. Schließlich gehe es ihm auch um Toleranz. "Natürlich kann ich die Kritik auch verstehen – dass Menschen andere Meinungen haben. Es ist schade, dass wir hier heute stehen und über irgendwelche falschen Texte reden, anstatt über Toleranz und unsere Geschichte."
Das letzte Wort in dieser Sache könnte nun die Stadt Homberg haben. In deren Eigentum war die "Stele für Toleranz" nach einer Vereinbarung übergegangen, weil diese auf städtischem Grundstück steht. "Der Text am Fuße der Stele sollte noch einmal überarbeitet werden", teilte Bürgermeister Nico Ritz (parteilos) dem hr auf Anfrage mit. Hierzu werde sich die Stadt sowohl mit dem Initiator des Projekts als auch dem Künstler austauschen.