Hessen TikTok ohne Beauty-Filter? Das sagen Schülerinnen und Schüler
TikTok hat angekündigt, Beauty-Filter für unter 18-Jährige zu sperren. Damit reagiert die Plattform auf Kritik hinsichtlich unrealistischer Schönheitsideale. Was erwarten Jugendliche in Hessen davon? Ein Besuch an einer Schule in Butzbach.
Glatte Haut, große Augen, hohe Wagenknochen - wenn man die TikTok-App öffnet und ein Video aufnehmen will, werden unter "angesagt" direkt zahlreiche Schönheitsfilter vorgeschlagen. Was dann auf dem Display erscheint, hat nur noch bedingt etwas mit dem eigenen Gesicht zu tun. Doch damit soll bald Schluss sein, zumindest für Minderjährige.
Das gilt auch für Anna-Maria, Lucia und Till. Die 15-Jährigen gehen in die zehnte Klasse der Stadtschule Butzbach (Wetterau). Obwohl die Einschränkung auch sie selbst trifft und sie grundsätzlich finden, jede und jeder solle selbst entscheiden können, ob sie oder er Filter benutzt, können sie den Plänen von TikTok viel Positives abgewinnen.
"Extrem unrealistisches Schönheitsideal"
Die Schönheitsfilter verbreiteten ein "extrem unrealistisches" Schönheitsideal, findet Anna-Maria. Sie verbringt viel Zeit auf TikTok. "Heute sind's schon drei Stunden", sagt sie nach einem Blick auf die Angabe der Bildschirmzeit ihres Smartphones. Am liebsten schaut sie lustige Tiervideos und TikToks über ihre Lieblingsserien. Aber sie kennt auch die Gedanken gut, die aufkommen, wenn man sich selbst mit den Gesichtern hinter den Beautyfiltern vergleicht.
Anna-Maria aus der zehnten Klasse der Stadtschule Butzbach.
Gedanken wie dieser, sagt Anna-Maria: "Ich wünschte, ich hätte blaue Augen, runde Lippen und meine Backen wären nicht so fett."
Sie habe sich früher oft gefragt, warum ihr Körper nicht so aussieht wie die, die sie auf TikTok sieht, erzählt die 15-Jährige: "Da waren so ein Stechen und ein Loch im Herz. Das hat sich nicht schön angefühlt."
Studie zeigt negativen Effekt
Ständig mit diesen vermeintlichen Schönheitsidealen konfrontiert zu werden, könne gerade in der Pubertät gefährlich sein, sagt Christian Reuter. Er forscht im Fachbereich Informatik an der TU Darmstadt zu TikTok und hat sich mit der Wirkung der Schönheitsfilter beschäftigt.
Ein Risiko sei, dass das Selbstwertgefühl in einer Phase, in der junge Menschen in der Entwicklung sind, gestört werden könne. Denn beim Einsatz der Beauty-Filter gehe es nicht um kleine Dinge wie das Überdecken eines Pickels, sondern um große Veränderungen im Gesicht.
Christian Reuter forscht an der TU Darmstadt zu TikTok.
"Es kann sein, dass man dadurch sogar das Bedürfnis entwickelt, operativ etwas machen zu wollen", so Reuter. Das sei eine problematische Entwicklung.
Verbot als Reaktion auf Kritik an TikTok
Dass TikTok dem entgegenwirken will, ist wohl eine Reaktion auf den wachsenden Druck auf das Unternehmen. Nach Einschätzung von Christian Reuter agiert TikTok in einer Art vorauseilendem Gehorsam. "So sind sie die Positiven, die etwas verändern für den Jugendschutz. Anders wären sie diejenigen, die die Jugend gefährden und denen ein Riegel vorgeschoben werden muss."
Nach Vorwürfen, dem Jugendschutz nicht nachzukommen, gab TikTok selbst eine Studie in Auftrag, um zu untersuchen, welche Auswirkungen die Schönheitsfilter auf junge Menschen haben. Das Ergebnis: Sie beeinflussen deren Selbstbild negativ.
KI könnte Alter feststellen
TikTok hat angekündigt, nicht nur die Filter einzuschränken, sondern auch die Altersverifzierung zu verbessern. Denn die App darf nur nutzen, wer mindestens 13 Jahre alt ist.
Lucia aus der zehnten Klasse der Stadtschule Butzbach.
Wie das alles konkret funktionieren soll, hat das Unternehmen auf hr-Nachfrage nicht beantwortet. Christian Reuter von der TU Darmstadt hält eine Lösung mithilfe von Künstlicher Intelligenz für wahrscheinlich.
"In Posts, in denen man das Gesicht erkennt, kann aufgrund der Symmetrie und Geometrie des Gesichts eingeschätzt werden, in welchem Altersspektrum die Person ist", erklärt er. Zusätzlich könne das Nutzungsverhalten der Userinnen und User mit einbezogen werden. So könnten Schönheitsfilter für minderjährige Nutzerinnen und Nutzer gesperrt werden.
Gesichter auf TikTok bald natürlicher?
Schülerin Lucia glaubt nicht daran, dass Minderjährige durch die geplanten Einschränkungen keine Beauty-Filter mehr nutzen. In ihrem Freundeskreis machen das viele, wie sie erzählt. Sie glaubt, dass sie weiterhin einen Weg dafür finden würden. "Wer das will, wird sich eine App holen, das Video schneiden und einen Filter drauf machen. Und dann postet man es so."
Effektiver als ein Verbot sei mehr Aufklärung zu sozialen Netzwerken, findet Till - zum Beispiel zu den möglichen Folgen der Benutzung von Schönheitsfiltern, aber auch zu anderen Themen wie Fake News. "Es sollte in der Schule mehr Prävention geben, auch schon früher als in der fünften oder sechsten Klasse", sagt der 15-Jährige.