
Hessen Umstrittene Logistikzentrum in Echzell: Amazon will Standort nicht mehr
Seit Jahren sorgt ein geplantes Logistikzentrum in der Wetterau für Streit. Nun ist bekannt: Amazon will den Standort offenbar gar nicht mehr haben. Dagegen wehrt sich der Bauherr. Es geht um Millionen - und die Frage: Was wird dann aus den halbfertigen Hallen?
Viele Wetterauer haben sich an diesen Anblick bereits gewöhnt: Eine riesiges, unfertiges Betongerippe, direkt an der B455, am Ortseingang von Grund-Schwalheim, einem Ortsteil der Gemeinde Echzell. Seit 2021 ruhen hier die Bauarbeiten.
Entstehen sollte eigentlich eine etwa 14 Meter hohe und 8.500 Quadratmeter große Logistikhalle für den US-amerikanischen Onlineversandhändler Amazon. Hunderte Sprinter hätten sie jeden Tag ansteuern sollen. Doch daraus wird offenbar nichts.
Amazon gibt den Standort auf. Das bestätigt das Unternehmen auf hr-Anfrage. Zuvor war bekannt geworden: Amazon versucht offenbar schon seit 2022 aus dem Mietvertrag für das Gelände herauszukommen. Inzwischen auch mit juristischen Mitteln.
Amazon: "Andere Lösungen gefunden"
"Wir haben uns aufgrund erheblicher Verzögerungen im Bauablauf und fortbestehender rechtlicher Unsicherheiten bezüglich der Fertigstellung dazu entschlossen, nicht an dem Projekt in Echzell festzuhalten", teilt Amazon zu den Rückzugsplänen mit.
Damit spielt der Versandhändler auf den laufenden Rechtsstreit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) an. Bereits 2021 hatte dieser gegen das Projekt geklagt, weil das Gebäude unmittelbar an ein Vogelschutzgebiet grenzt.
Bis Frühjahr 2024 gab es einen Baustopp. Dieser ist zwar gerichtlich aufgehoben worden, weitergebaut wurde dennoch nicht. Wohl auch, weil der BUND ein zweites Mal geklagt hat. Das Verfahren am Hessischen Verwaltungsgerichtshof dazu läuft noch.
Man habe zwischenzeitlich "andere Möglichkeiten ergreifen müssen, um unser bestehendes Netzwerk zu optimieren", teilt Amazon mit Blick auf Echzell mit. Weitere Details könne man wegen der laufenden juristischen Auseinandersetzung nicht nennen.
Bauherr pocht auf Mietvertrag
Allerdings scheint auch der Rückzug nicht so einfach vonstattenzugehen: Inzwischen stehen sich Amazon und der Bauherr vor Gericht gegenüber, wie zuerst die Wetterauer Zeitung berichtete. Dabei geht es um die Gültigkeit des Mietvertrags.
Entwickelt wird das Gelände von der Firma Sechsundneunzigster Logimac Logistik Grundbesitz GmbH, einer Tochterfirma des Immobilienunternehmens Garbe aus Hamburg. Diese pocht auf den Mietvertrag mit Amazon und hat deshalb geklagt.
Millionenforderung gegen Amazon
Wie das Landgericht Gießen dem hr mitteilt, geht es in dem Verfahren um drei sogenannte "Beendigungserklärungen", die Amazon verschickt hat. Die erste stammt aus dem Mai 2022, die zweite aus dem August 2022, die dritte aus dem September 2024.
Die Frage ist, ob Amazon mit diesem Schreiben das Mietverhältnis in Echzell rechtmäßig aufgekündigt hat. In einem zweiten Schritt geht es aber auch darum, wer die bisher angefallenen Kosten für die halbfertige Logistikhalle trägt.
Logimac macht vor Gericht rund 14 Millionen Euro an Kosten geltend. Auf hr-Anfrage wollte sich das Immobilien-Unternehmen Garbe aufgrund des laufenden Verfahrens bislang nicht zu der Angelegenheit äußern. Eine Entscheidung wird für Mai erwartet.
In der Wetterau ist es nicht das einzige umstrittene Projekt dieser Art. Auch über ein geplantes Logistikzentrum von Rewe in Wölfersheim gibt es seit Jahren Streit. Zuletzt erreichte der BUND auch hier einen Baustopp. In Lich (Gießen) war ebenfalls jahrelang gegen einen großen Lagerhallenbau protestiert worden. Das Zentrum wurde schließlich gebaut, aber nie voll ausgelastet und kürzlich geschlossen.
Bürgermeister befürchtet Bauruine
Wie es mit dem Gelände in Echzell weitergeht, ist offen. Echzells Bürgermeister Wilfried Mogk (parteilos) äußerte sich besorgt: Der Amazon-Rückzug sei "sehr bedauerlich". Er habe bisher nichts davon gewusst, dass Amazon den Standort nicht mehr haben will.
Für die Gemeinde bedeute das den Verlust von 130 bis 180 möglichen Arbeitsplätzen, so Mogk. "Zudem bleibt eine seit über 25 Jahren ungenutzte Gewerbefläche weiter unentwickelt." Die Zukunft des Geländes sei ungewiss, man sei aber weiterhin daran interessiert, dass die Fläche gewerblich entwickelt wird.
Laut Mogk sei der Austausch mit Garbe nur sporadisch, das Unternehmen sei "wenig mitteilungsfreudig", so der Bürgermeister. "Unsere größte Befürchtung ist tatsächlich, dass dort nun über viele Jahre hinweg eine Bauruine stehen wird."