Stethoskope hängen im Behandlungszimmer einer Hausarztpraxis über einer Trennwand.

Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Diskussion um Gebühr für versäumte Arzttermine

Stand: 10.09.2024 17:25 Uhr

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält nichts von Ausfallgebühren für versäumte Termine in Arztpraxen. Kassenärzte-Chef Andreas Gassen hatte diese erneut ins Gespräch gebracht. Die sollten die Krankenkassen bezahlen.

Angesichts der angespannten Finanzlage vieler Arztpraxen spricht sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) für Ausfallzahlungen aus, wenn Patienten unentschuldigt nicht zu Arztterminen erscheinen. Eine solche Gebühr sollten die Krankenkassen übernehmen, forderte der KBV-Vorsitzende Andreas Gassen in der "Bild"-Zeitung. "Die Ärzte haben recht, ausgefallene Termine müssen die medizinisch bedingte Ausnahme sein. Geldstrafen sind aber der falsche Weg", kommentierte dagegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Gassens Vorschlag.

Rostocker Arzt: Hunderte Euro Verlust pro Tag

Wie sich nicht wahrgenommene, aber nicht abgesagte Arzttermine in der Praxis auswirken, davon kann beispielsweise Dr. Tobias Schuldt aus Rostock berichten: An den langen Praxistagen werden bis zu 45 Termine vergeben. Im Schnitt würden am Dienstag und Donnerstag sechs bis acht Termine einfach nicht wahrgenommen. "Pro Tag liegt der Verlust bei 200 bis 300 Euro. Das aufs Quartal hochgerechnet ist letztendlich schon als relevant anzusehen", sagt der Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Er hat mit seinem Team ein Recall-System eingeführt. Patienten bekommen mit etwas Vorlauf zu ihrem Termin eine elektronische Erinnerung. Auch das reiche oft nicht. Eine Ausfallgebühr hält er prinzipiell für sinnvoll, wenn auch schwer durchsetzbar.

Landesverband: Geld von Kassen einholen wäre nicht praktikabel

Der Vorschlag des Bundesverbands erzeugt in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt ein gemischtes Echo, selbst beim Landesverband der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Abwicklung einer Gebühr über die Krankenkassen wäre aus Sicht der Vorstandsvorsitzenden Angelika von Schütz nicht praktikabel: "Wie erkläre ich das der Krankenkasse, wie weise ich nach, dass der Patient aus guten oder weniger guten Gründen gefehlt hat? Das halte ich für einen ziemlich bürokratischen Aufwand." Unter Umständen könnten sich mit säumigen Patienten auch juristische Auseinandersetzungen um die Ausfallhonorare anschließen. Das würde die Praxen überfordern.

Niedersachsen: Ein Fünftel der Termine werden nicht eingehalten

In Niedersachsen werden laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVN),  20 Prozent der Termine, die beim Arzt vereinbart waren, nicht eingehalten. Wenn Patientinnen und Patienten nicht kämen, entstünden dadurch nicht nur finanzielle Einbußen, es hätten zu der Zeit auch andere Patienten behandelt werden können. Laut KVN gibt es einen Trend, bei mehreren Fachärzten Termine zu machen, den frühesten wahrzunehmen und die späteren nicht abzusagen. Es gebe in Niedersachsen schon Praxen, die ein Ausfallhonorar nehmen. Der Bundesverband der AOK bezeichnet nicht wahrgenommene Termine als unsolidarisch - spricht sich aber dagegen aus, die Kosten auf die Versicherten umzulegen.

Klarer Appell von Lauterbach, keine Termine unangekündigt ausfallen zu lassen

Lauterbach appellierte stattdessen an die Patientinnen und Patienten, keine Termine ausfallen zu lassen, ohne dass sie den Arzt ausreichend früh informiert haben. Die Praxen seien überfüllt, insbesondere bei Hausärztinnen und Hausärzten, "weil das Honorar-System so bürokratisch ist und es Budgets gibt. Beides schaffen wir mit dem Versorgungsstärkungsgesetz ab."

Vereinzelt werden bis zu 100 Euro fällig

Der "Bild"-Zeitung zufolge gibt es bereits Arztpraxen, die von Patienten für unentschuldigtes Fehlen 40 Euro, in Einzelfällen bis zu 100 Euro Kompensation verlangen. Gassen nahm die Ärzte in Schutz und betonte, die Termine seien geblockt und stünden dann für andere Patienten nicht zur Verfügung. Forderungen nach mehr und schnelleren Terminen nannte der KBV-Chef vor diesem Hintergrund "lächerlich".

Patientenschützer Brysch nennt Gassens Vorschlag "Abzocke"

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wies die Forderungen zurück. "Schon heute verlangen Praxen Strafgebühren für ausgefallene Termine", sagte Vorstand Eugen Brysch. Gassens Vorschlag sei nicht neu: "Wie im letzten Jahr erneut eine zweite Gebühr von den Versichertenbeiträgen zu fordern, ist Abzocke." Sollte das flächendeckend umgesetzt werden, müssten Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dann müssten Patienten und Krankenkassen im Umkehrschluss für ärztlich abgesagte Termine Ausfallgebühren erstattet werden.

Brysch riet der Kassenärztlichen Vereinigung, "erst mal vor der eigenen Haustür zu kehren". Eine systematische Überprüfung der Präsenzzeiten der Vertragspraxen gebe es nicht. "Schließlich ist die mangelnde Erreichbarkeit für Patientinnen und Patienten das größte Problem", sagte Brysch.

Patientin wünscht sich bessere Erreichbarkeit

Davon berichtet auch eine Seniorin aus Rostock: "Es kann auch mal sein, dass man einen Termin absagen muss, weil einem ein anderer wichtiger ist. Aber wenn Sie dann anrufen in der Praxis, zehn Mal, und es gibt keine Verbindung?" Eine bessere Erreichbarkeit würde es ihrer Meinung nach erleichtern, Termine zu verschieben - und sie auch nicht unentschuldigt nicht wahrzunehmen.   

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NDR Info | NDR Info | 10.09.2024 | 17:00 Uhr