Mecklenburg-Vorpommern Drogenrückstände im Abwasser: Konsum in MV weiter gestiegen
Sechs Städte in Mecklenburg-Vorpommern sind in diesem Jahr auf Drogenrückstände im Abwasser getestet worden. Die Werte für Speed/Amphetamin sind vor allem im östlichen Landesteil hoch, auch wurde in Schwerin offenbar noch mehr Crystal Meth konsumiert als noch 2023. Landesweit fanden die Forscher Werte, die auf einen hohen Alkoholkonsum hinweisen.
Nach der ersten Erhebung im August 2023 hat die vom NDR in Auftrag gegebene Abwasseranalyse der Technischen Universität (TU) Dresden im Oktober dieses Jahres überraschende Ergebnisse zutage gefördert. So wurden im deutschlandweiten Vergleich überdurchschnittlich hohe Werte in Neubrandenburg und Neustrelitz gemessen. Sie entsprechen denen von Drogen-Hot-Spots in Städten in Schweden, den Niederlanden und Belgien. Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist die Menge in Neubrandenburg sogar noch angestiegen.
Björn Helm, Siedlungshydrologe der Technischen Universität Dresden sagt: "Gerade bei Speed und Chrystal Meth gibt es regionale Schwerpunkte, das kennen wir aus anderen Studien. Das deckt sich auch mit unseren Erfahrungen, dass Orte, die nah beieinander liegen, auch im Drogenprofil ähnlich sind." Der Anstieg über die Städte hinweg sei ernüchternd, so Helm.
Güstrow mit sehr hohen Alkohol- und Kokainwerten
Wie schon im vergangenen Jahr haben Wissenschaftler der TU Dresden das Abwasser der vier größeren Städte Schwerin, Rostock, Neubrandenburg und Greifswald untersucht, zusätzlich in diesem Jahr auch die Städte Güstrow und Neustrelitz. Besonders in Güstrow zeigten sich hier überraschende Ergebnisse: Nicht nur wurden überdurchschnittlich viele Kokainrückstände gefunden, sondern auch die Werte für Alkohol liegen weit über den Werten der anderen Städte.
"Überdurchschnittlicher Alkoholkonsum in MV"
Insgesamt ist die Menge an Alkohol an allen Standorten erheblich gestiegen. Eine mögliche Erklärung ist laut Helm, dass der Konsum von Alkohol saisonal unterschiedlich sein könnte. Dennoch: "Im Vergleich zu den deutschen Standorten ist es aber schon so, dass in Mecklenburg-Vorpommern überdurchschnittlich viel Alkohol konsumiert wird." Außerdem diene Alkohol vielen Menschen zur Beruhigung in schnelllebigen Zeiten und Kriegsgeschehen auf der Welt, berichtet Suchtberaterin Clara Evers-Zimmer aus der Arbeit mit Suchtkranken in Rostock.
Im Erhebungszeitraum vom 8. bis zum 29. Juni 2023 und 8. bis 29. September 2024 (in Neustrelitz vom 3. bis 10. Oktober) fanden die Wissenschaftler auch Rückstände von Ecstasy im Abwasser. Die Zahlen blieben hierbei in den Städten etwa gleich, wobei Güstrow die niedrigsten Rückstände verzeichnet und Neustrelitz die höchsten.
Cannabiskonsum in MV auf bundesdeutschem Durchschnitt
Neu war in diesem Jahr auch die Beprobung auf Cannabis. Hier waren die Ergebnisse auch mit Blick auf die Legalisierung mit Spannung erwartet worden. Alle Städte haben einen im deutschlandweiten Vergleich mittleren Wert gemessen. Die niedrigsten Werte fanden sich in Greifswald, die höchsten wurden in Neustrelitz gemessen. Im vergangenen Jahr war ein hoher Cannabiskonsum in Greifswald vermutet worden, da alle anderen Drogenwerte in der Stadt niedrig waren. Diese Annahme konnte also nicht bestätigt werden.
Insgesamt sind die Werte für Crystal Meth in MV im deutschlandweiten Vergleich auf einem niedrigen Niveau im Vergleich zu Werten in Sachsen, Thürigen oder Bayern. Bei der Messung der Werte im vergangenen Jahr fiel die Stadt Schwerin mit MV-weit erhöhten Werten bei der Droge Crystal Meth auf. Auch hier stieg die Menge im Vergleich zum Vorjahr.
"Lieblingsdroge" - je nach Region und Wochentag
Die Proben wurden an verschiedenen Tagen in den Klärwerken der Städte entnommen und im Labor der Technischen Universität Dresden analysiert. Eine mehrtägige Messung sei wichtig, sagen die Forscher, da Speed und Crystal eher kontinuierlich eingenommen würden, Ecstasy und Kokain seien eher "Wochenend-Drogen". Auch überregional scheint die Verfügbarkeit und Vorliebe der Drogen unterschiedlich zu sein. So liege der Schwerpunkt von Crystal Meth eher im mitteldeutschen und osteuropäischen Bereich, während Amphetamine/Speed eher im nordeuropäischen Raum zu finden seien.
Zu den Gründen für die teilweise hohen Zahlen nennt Evers-Zimmer auch die Corona-Pandemie: Jugendliche würden jetzt auf diesem Wege nachholen, was sie in der Pandemie verpasst hätten.
Zunahme illegaler chemischer Drogen europaweit
Die TU Dresden führt seit 2016 die deutschlandweiten Untersuchungen zu Drogenrückständen im Abwasser im Auftrag der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EUDA) durch. Die EUDA lässt regelmäßig in ganz Europa das Abwasser analysieren, um an aussagefähige Daten zu kommen. Diese Studien sind die größten ihrer Art. Über 100 europäische Städte beteiligen sich daran. Die Wissenschaftler konnten bislang nachweisen, dass immer mehr Menschen in Europa harte Drogen wie Kokain, MDMA, Speed und Crystal Meth konsumieren. Ihre Studien sollen politischen Entscheidungsträgern auch Ansätze zur Drogenprävention geben, fordern die Forschenden.
Zahlen für MV fehlten
Für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern fehlten in der Vergangenheit jedoch aussagefähige Daten über den Konsum harter Drogen. Aus diesem Grund hatte die TU Dresden im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks bereits im Juni 2023 in den vier größten Städten Mecklenburg-Vorpommerns Rostock, Schwerin, Neubrandenburg und Greifswald das Abwasser in den Klärwerken der Städte auf Drogenrückstände untersucht. Jetzt wurde zusätzlich auch das Abwasser in den Städten Güstrow im Westen des Landes und Neustrelitz im Osten des Landes hinzugenommen.
280.000 Euro für Suchtprävention
Nach Veröffentlichung der vom NDR in Auftrag gegebenen Abwasseranalyse im Jahr 2023 kündigten das Sozialministerium und die betroffenen Städte an, mehr Präventionsangebote auf den Weg zu bringen. Aus dem Gesundheits- und Sozialministerium heißt es, die Maßnahmen zur Suchtprävention seien nach der Abwasseranalyse des NDR deutlich erweitert worden. Erst im Juli wurden zusätzliche Mittel in Höhe von rund 280.000 Euro für die nächsten zwei Jahre bereitgestellt. Die Dresdner Forscher befürworten ein regelmäßiges Abwassermonitoring durch die Städte: "Der Vorteil ist, dass man Veränderungen sehr objektiv erfassen kann, dass man Anstiege und Rückgänge im Konsum sehr gut für verschiedene Zeiträume miteinander vergleichen kann und darüber die Effektivität von Maßnahmen bewerten kann." Auch das Aufkommen von neuen Substanzen könne man so frühzeitig erfassen, betont Helm.
Grafiken: Isabel Lerch
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 14.11.2024 | 06:00 Uhr