Niedersachsen Die "Trotzdem da"-Kinder: Verbotene Beziehungen in der NS-Zeit
Enger Kontakt zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen war in der NS-Zeit verboten. Dennoch gab es solche Beziehungen. Die Ausstellung "Trotzdem da!" in Sandbostel (Landkreis Rotenburg) erzählt ihre Geschichten.
"Die Liebe war größer als der Krieg", sagt Ton Maas über das Verhältnis seiner Eltern. Nach dem Willen der Nationalsozialisten hätte es ihn und seine Schwester Erika niemals geben dürfen. Sein Vater Kees kam 1943 als niederländischer Zwangsarbeiter nach Berlin und musste bei Telefunken arbeiten. Dort lernt er die deutsche Martha kennen.
Verbotene Liebe zwischen Kriegsgefangenen und Deutschen
Die Strafen für Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen reichten von Gefängnis über die Einweisung in ein Konzentrationslager bis hin zur Todesstrafe. Und trotzdem kam es zu Liebesbeziehungen, aus denen Kinder hervorgingen. Bei über 13 Millionen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern gehen die Ausstellungsmacher von Tausenden Kindern aus solchen Beziehungen aus. "Genaue Zahlen gibt es da aber nicht", sagt Jan Dohrmann von der Gedenkstätte Lager Sandbostel.
Nationalsozialismus: Kinder aus verbotenen Beziehung starben oft
"Bei Zwangsarbeiterinnen wurden die Kinder in Heime gebracht, mit Sterblichkeitsraten von bis zu 90 Prozent, die den Krieg gar nicht überlebt haben, und die häufig gar nicht dokumentiert wurden". Viele Kinder der verbotenen Beziehungen hätten zudem möglicherweise nie von ihrem Schicksal erfahren. "Weil sie beispielsweise in Adoptivfamilien oder mit einem Stiefelternteil ausgewachsen sind und es Ihnen nie offenbart wurde", so Dohrmann. Es gebe lediglich Hinweise zu den Zahlen, die allerdings kritisch zu betrachten seien.
Die Geschwister Erika van Santen und Ton Maas sind aus einer verbotenen Beziehung hervorgegangen. Ihr Vater war Zwangsarbeiter, ihre Mutter Deutsche.
Gedenkstätte Lager Sandbostel: Kinder wissen wenig über ihre Eltern
Auch Katharina Sämann aus Worpswede wusste lange Zeit nicht, wer ihr Vater ist. "Mir wurde sehr lange nichts gesagt", erzählt die heute 80-Jährige. Ihre Mutter hatte eine Beziehung zu einem sowjetischen Mann, der als Kriegsgefangener in Sandbostel war. Bis heute weiß sie nicht, was aus ihrem Vater geworden ist, nachdem die Beziehung denunziert wurde. "Meine Mutter kam nach einer Gefängnisstrafe zurück und zog mich mit meiner Großmutter groß. Mein Vater wurde ins Gestapo-Gefängnis nach Bremen gebracht, danach verliert sich seine Spur. Ich hoffe dazu nochmal mehr zu erfahren."
Katharina Sämann weiß nicht, was aus ihrem Vater, einem sowjetischen Kriegsgefangenen geworden ist. Seine Spuren verlieren sich in Bremen.
Mehr als 20 Kinder ausfindig gemacht
Für die Ausstellung wurden europaweit mehr als 20 Kinder aus verbotenen Beziehungen ausfindig gemacht und interviewt. Viele berichten von rassistischen Beleidigungen und Diskriminierungen in ihrer Kindheit. Zudem eint viele die teils Jahrzehnte lange Suche nach einem unbekannten Elternteil, die bei einigen bis heute andauert.
Multimediale Ausstellung in Gedenkstätte Sandbostel
Die Schicksale der Betroffenen wurden auf Info-Tafeln zusammengefasst. Ergänzt durch Fotos, und Videointerviews lässt sich tief in die Geschichten der "Trotzdem da"-Kinder eintauchen. Die Porträts sind auch auf der Website der Ausstellung nachzulesen. In Sandbostel ist die Wanderausstellung noch bis März. Danach soll sie deutschlandweit an verschiedenen Orten gezeigt werden.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 08.12.2024 | 19:30 Uhr