Video: Richtig oder falsch? Diskussion um Handyverbot an Schulen (6 Min)

Handyverbot an der Schule - Länder und Eltern sind sich nicht einig

Stand: 09.04.2025 08:06 Uhr

Die Landesregierung in Hessen hat letzte Woche ihren Gesetzesentwurf für ein landesweites Handynutzungsverbot an Schulen auf den Weg gebracht. Eine landesweite Regelung ist weder in Niedersachsen noch in Hamburg geplant.

von Yasemin Ergin

Der hessische Vorstoß sorgt für Diskussionen - auch in Norddeutschland. Viele Schulen wünschen sich ähnlich klare Regeln zur Mediennutzung, statt ihre eigenen Konzepte zu entwickeln. NDR Kultur hat sich in Niedersachsen umgehört und war dafür unter anderem an einer Gesamtschule.

Tablets statt Mobilfunkgeräte im 12. Jahrgang der KGS Hemmingen

Englischunterricht im zwölften Jahrgang der KGS Hemmingen. Die Schüler*innen lösen Aufgaben an Tablets, die hier neuerdings zum Einsatz kommen. Gleichzeitig herrscht seit Beginn des Schuljahres ein konsequentes Handynutzungsverbot.

Ein Mann mit weissem Hemd und dunklem Sakko spricht im Interview mit dem NDR
In der Oberstufe setzt die Gesamtschule auf die Nutzung von Tablets, statt auf Smartphones.

Eine Umstellung, die nicht allen gefällt. "Das ist jetzt schon relativ streng. Also wenn man das Handy rausholt, dann wird es einem eigentlich schon direkt abgenommen", sagt eine Schülerin. "Ich finde, für die Oberstufe sollte das freigestellt sein, ob man sein Handy benutzt oder nicht, weil ich glaube, dann ist man alt genug, um das selber zu entscheiden", gibt ein Mitschüler zu bedenken.

Schüler halten Handys in den Händen.

Nach den Sommerferien sollen Handys an Hessens Schulen verboten werden. In Hamburg soll das anders geregelt werden.

Schulleiter: "Es gibt keinen Grund, Handy in der Schule zu benutzen"

Für Schulleiter Gregor Ceylan war die neue Regelung ein notwendiger Schritt. "Wir haben festgestellt, dass die Kinder, wenn wir in den Pausenhof gucken, zwar im Kreis zusammenstehen oder über das Schulgelände laufen, aber eben immer nur auf ihr Handy gucken. Die ganze Zeit." Das habe das Kollegium ändern wollen und besprochen, die Handyzeit drastisch einschränken: "Denn es gibt eigentlich keinen Grund, sein Handy bei uns in der Schule zu benutzen", so Ceylan.

An der Schule gilt: Gleiche Regeln für alle, Ausnahmen nur im dringenden Notfall. Andere Schulen erlauben die Nutzung in den Pausen oder in "Handyzonen". Jede Schule macht ihr eigenes Konzept, das mit Schülervertretung, Eltern und Lehrkräften abgestimmt werden muss. Das kostet Zeit und Energie. Eine landesweite Regelung, oder zumindest ein entsprechender Gesetzesentwurf, wie ihn Hessen gerade vorgelegt hat, ist in Niedersachsen nicht geplant.

Kultusministerin Julia Willie Hamburg: "Halte wenig von landesweitem Verbot"

Eine Frau mit grünem Sakko und weißer Bluse und schulterlangen Haaren im Interview (Julia Willie Hamburg)
Die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg sagt zur Handynutzung an Schulen in Niedersachsen: "Ich halte wenig von einem landesweitem Verbot".

Kultusministerin Julia Willie Hamburg beruft sich auf die niedersächsische Schulautonomie: "Ich halte wenig von einem landesweiten Verbot. Denn erfahrungsgemäß werden Regeln am besten eingehalten, wenn sie miteinander entwickelt werden und wenn sie dann auch durch alle getragen werden."

Handynutzungsverbot versus Handyverbot

Doch den Schulen fehle es an Sicherheit, wenn sie ihre eigenen Handykonzepte entwickeln, sagt Schulleiter Ceylan. "Wir kommen da an rechtliche Grenzen. 'Handy-Nutzungsverbot' und 'Handyverbot' sind unterschiedliche Dinge, das ist völlig klar, dass wir kein Handyverbot aussprechen dürfen. Schulen würden sich sehr unterstützt fühlen, wenn es tatsächlich landesweite Regelungen geben würde."

Silke Müller: Strafen für Eltern, die jungen Kindern Smartphone mitgeben

Silke Müller ist ebenfalls Schulleiterin in Niedersachsen, gleichzeitig Digitalbotschafterin des Landes und Expertin für die Gefahren von Social Media. Auch sie ist für zentrale Regelungen, die Schulen entlasten würden. "Es geht nicht um das technische Gerät. Es geht am Ende um die Inhalte, nach denen die Kinder nicht immer suchen, sondern algorithmisch bedingt finden grausame Inhalte auch die Kinder. Sie erleben Tierquälerei, härteste Pornografie, sie erleben Gewaltszenen. Um Kindern wirklich eine Sicherheit im Netz zu ermöglichen, braucht es staatliche Vorgaben."

eine Frau mit langen welligen Haaren und lilafarbenem Jackett spricht im Interview in einem Klassenzimmer
Silke Müller ist Schulleiterin und digitale Botschafterin des Landes Niedersachsen.

Wenn es nach Silke Müller ginge, bräuchte es für jüngere Kinder noch viel strengere Regeln, als ein Handyverbot an der Schule. "Ich meine, dass Eltern, die ihrem Kind in der Grundschule ein Smartphone geben, bestraft werden sollten, und zwar ziemlich hoch. Ich glaube, wir brauchen wirklich Richtlinien, nach denen man sich richten und orientieren kann, für die man auch sanktioniert werden kann, wenn man sich nicht daran hält."

Die Schulen nehmen ihre Verantwortung ernst - können den Schutz der Kinder aber nicht alleine stemmen, sagt Schulleiter Ceylan: "Wir dürfen unseren Einfluss nicht überschätzen, wir dürfen uns aber auch nicht überfordern." Etwa würde die Schule ein Kind, das zu Hause seit dem sechsten Lebensjahr ein Handy besitze und die ganze Nacht durchzocken dürfe, nicht "umkrempeln" können. "Wir können aber Impulse setzen und vielleicht trägt das Früchte."

Das Handyverbot ist also eine Art Notlösung: Schule als "Safe Space", in dem die Kinder eine dringend nötige Pause vom Handy bekommen.

Auch der Bundeselternrat ist sich nicht einig

Die unterschiedlichen Haltungen der Bundesländer spiegeln sich auch beim Bundeselternrat wieder. Dessen stellvertretende Vorsitzende Aline Sommer Noak sagte im NDR-Interview, dass es kein klares Dafür oder Dagegen im Rat gebe. Sie mahnte aber: "Es darf nicht vergessen werden, dass es nicht die Schulen sind, die den Kindern die Handys in die Hand geben - das machen die Eltern."

Eine Schülerin sitzt mit dem Handy in der Hand vor ihren Schulsachen.

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Eine Schülerin sitzt mit dem Handy in der Hand vor ihren Schulsachen.

Nach den Sommerferien sollen Handys an Hessens Schulen verboten werden. Auch in Niedersachsen wird darüber diskutiert.

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Aus Hetze gegen Frauen im Netz wird schnell Gewalt im echten Leben. Bildung und Aufklärung sind eine wirksame Strategie dagegen.

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Eine Person hat auf einem Smartphone die TikTok-App geöffnet.

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Ein Daumen schwebt über einem Smartphone-Bildschirm mit vielen Social Media Apps.

Bei unseren Nachbarn teils schon lange Alltag: Handyverbot im Unterricht - auch an der Schule der Deutschen Minderheit.

Ein Teenager-Junge mit dunklen kurzen Haaren sitzt in einem Verhör an einem Tisch mit einer Frau mit schulterlangen Haaren in einem großen Raum mit großem Tisch - Szene aus der "Netflix"-Serie "Adolescence" mit Schauspieler Owen Cooper

Seit vielen Wochen ist "Adolescence" Thema. Wie hat die Netflix-Serie um einen 13-Jährigen, der einen Mord begeht, einen Nerv getroffen?

Ein Schüler legt sein Handy in ein Schließfach.

Bundesweit wird über Handyverbote an Schulen diskutiert. Eine Kieler Schule hat mit sehr strengen Regeln gute Erfahrungen gemacht.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 31.03.2025 | 07:20 Uhr

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Eine Schülerin sitzt mit dem Handy in der Hand vor ihren Schulsachen.

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