Ein Volkswagen Logo glänzt in der Sonne in der Autostadt am Volkswagen Stammwerk.

Niedersachsen Sparpläne: VW bereitet Weg für betriebsbedingte Kündigungen

Stand: 11.09.2024 10:08 Uhr

Die möglichen Folgen der Sparpläne beim Wolfsburger Autobauer Volkswagen werden greifbarer. Der Konzern hat unter anderem die seit rund 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung aufgekündigt.

Wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte, sei das Kündigungsschreiben der Gewerkschaft zugestellt worden. Angekündigt hatte VW diesen Schritt bereits vor einer Woche. Konkret geht es um den sogenannten Zukunftstarifvertrag, deren Teil die Job-Garantie ist. Ab Juli 2025 sind damit nun betriebsbedingte Kündigungen möglich. Darüber hinaus ist der Rahmentarifvertrag für Beschäftigte mit Spezialisten- oder Führungsfunktion sowie der Tarifvertrag über die Vergütung von Leiharbeit ausgesetzt. Betroffen sind außerdem die Konditionen für Auszubildende: Die Übernahmegarantie soll künftig für weniger Azubis gelten.

Wie kommt der VW-Konzern aus der Krise?

Neuverhandlungen sollen bald starten

Der Konzernvorstand habe nach Beratungen die Kündigung der Verträge beschlossen, hieß es aus Konzernkreisen. Die Verhandlungen über Neuregelungen mit Gewerkschaft und Betriebsrat sollen zügig begonnen werden, hieß es von Personalvorstand Gunnar Kilian. "Die aktuelle Phase trägt zu einer Verunsicherung bei. Dieser können wir entgegenwirken, wenn wir zeitnah zukunftssichere Perspektiven für unser Unternehmen schaffen", so Kilian. Die Tarifverhandlungen zum VW-Entgelttarif sollen vorgezogen werden. Dabei soll es auch um die nun gekündigten Verträge gehen. Der Konzern gab an, dass sich die kritische Lage bei der Kernmarke mit bisherigen Maßnahmen wie Altersteilzeit und Abfindungsprogrammen nicht lösen lasse. VW hat in Deutschland etwa 120.000 Mitarbeiter, mehr als die Hälfte davon ist in Wolfsburg beschäftigt.

Gewerkschaft: Schritt "völlig unbedacht"

Laut IG Metall ist mit der Kündigung des sogenannten Zukunftstarifvertrages "paradoxerweise" eine Entgeltanhebung für die tariflichen beschäftigten VW-Mitarbeiter verbunden, da dadurch alte tarifliche Regelungen in Kraft treten. Für knapp die Hälfte der Belegschaft, die vor 2005 unter dem ehemaligen Haustarifvertrag bei VW angefangen hat, bedeute dies künftig eine 35-Stunden-Woche und damit ein bis zwei Stunden mehr Arbeit und entsprechend mehr Geld. "Insgesamt wirkt der Schritt Volkswagens völlig unbedacht, schließlich können die neu entstehenden Kosten an der Milliardengrenze kratzen," so Gröger. Volkswagen selbst formuliert es in seiner Mitteilung so: "Das würde auch bedeuten, dass im Fall einer Rückkehr zum Tarifvertrag vor dem 1. Januar 1994, betriebsbedingte Kündigungen nicht auszuschließen sind."

Betriebsrat: Historischer Angriff auf Arbeitsplätze

Betriebsratschefin Daniela Cavallo sprach von einem historischen Angriff auf Arbeitsplätze und kündigte Gegenwehr an. Das Unternehmen habe nun "wahr gemacht, wovon wir seit Tagen ausgehen", sagte Cavallo. Die Betriebsratschefin zeigte sich kämpferisch: "Es wird mit uns keine betriebsbedingten Kündigungen geben." Als Betriebsrat könnten sie "viele Dinge blockieren". Darunter zählten demnach Mehrarbeit und Versetzungen. An erster Stelle gehe es nun aber darum, mit dem Unternehmen ins Gespräch zu kommen und herauszufinden, "worüber sie mit uns sprechen wollen", so Cavallo.

Lies kritisiert Umgang mit Belegschaft

Unterdessen hat sich Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) gegen Werksschließungen ausgesprochen. Die Beteiligten müssten sich zusammensetzen und Lösungen finden. "Wir erwarten auch, dass aus den Gesprächen klar wird, dass es keine Standortschließungen gibt", sagte er im Wirtschaftsausschuss des Landtags. Kritische Worte fand er für die Unternehmenskommunikation. Es sei ungewöhnlich, wie in der Öffentlichkeit mit Ängsten und Sorgen der Mitarbeiter umgegangen werde. Die Art und Weise sei "grenzwertig und dem sonstigen Stil des Unternehmens nicht angemessen".

Weil besucht Werk in Emden

Im VW-Konzern hält das Land Niedersachsen 20 Prozent der Stimmrechte. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und seine Stellvertreterin Julia Willie Hamburg (Grüne) sitzen im Aufsichtsrat, bei wichtigen Entscheidungen hat das Land ein Veto-Recht. Weil will am Mittwoch in Emden mit dem Betriebsrat über die aktuelle Lage sprechen.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 10.09.2024 | 19:20 Uhr