Zuhälterei Minderjähriger: Prozessbeginn gegen Gucci-Bande

Lokalzeit Bergisches Land 16.05.2024 18:35 Min. Verfügbar bis 16.05.2026 WDR Von Wolfram Lumpe

Prozessauftakt in Wuppertal: Prostitution von Jugendlichen

Stand: 16.05.2024, 17:53 Uhr

Drei Wuppertaler stehen seit Donnerstag vor Gericht, sie sollen junge Mädchen, die teils nicht mal 16 Jahre alt waren, auf den Strich geschickt haben. Der Prozess findet unter Auschluss der Öffentlichkeit statt.

Die Mädchen sollen sich anfangs freiwillig in die Prostitution begeben haben. Lea (Name von der Redaktion geändert) ist eine von ihnen. Im exklusiven WDR-Interview erzählt sie, warum sie mit 15 gegen Geld mit Männern schlief.

Prostitution aus Geldnot

"Ich hatte finanzielle Probleme. Ich hab das von einer Freundin gehört, die da mitgemacht hat und gut Geld verdient hat. Da habe ich mir gedacht, das mache ich auch. So bin ich da reingekommen." Laut Staatsanwaltschaft gingen die Mädchen auf die Angeklagten zu, weil sie Hilfe bei der Organisation ihres Prostituierten-Daseins suchten, gegebenenfalls auch Schutz. Fünf Mädchen sollen dabei tatsächlich angeschafft haben, ein sechstes Mädchen hatte sich dazu bereits bereit erklärt.

Im Prozess gehe es jetzt nicht nur um Zuhälterei, sondern auch um Zwangsprostitution: "Nach unseren Erkenntnissen haben die Beschuldigten die Situation dann bereitwillig ausgenutzt. Denn von dem Geld, was die Mädchen von den Freiern bekommen haben, soll so gut wie nichts nachher bei ihnen selbst gelandet sein", sagt Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert.  

Straffällig schon mit 14

Die beiden Angeklagten sind jetzt zu Prozessbeginn gerade einmal 19 Jahre alt, ein dritter Mitangeklagter ist 21. Schon im Jahr 2019, als sie gerade einmal strafmündig waren, sorgten sie als Mitglieder der nach einem Rap-Song benannten "Gucci Gang" über Wuppertal hinaus für Entsetzen.

Damals schlugen sie aus nichtigem Anlass auf einen 70 Jahre alten Rentner ein. Der wurde zum Dauer-Pflegefall und starb Ende vergangenen Jahres an den Folgen der Verletzungen. Die Täter wurden zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Auch danach sollen sie mehrfach straffällig geworden sein. Unter anderem sollen sie einen anderen Mann mit Messern und einer Flasche angegriffen haben. Auch dieser Vorwurf wird jetzt am Landgericht verhandelt.

Prozessauftakt in Wuppertal: Prostitution von Jugendlichen

WDR Studios NRW 16.05.2024 00:25 Min. Verfügbar bis 16.05.2026 WDR Online


Angst vor Aussage vor Gericht

Lea muss im Prozess aussagen. Und sie hat Angst davor, die Angeklagten wiederzusehen:

"Weil ich nicht weiß, wie die darauf reagieren werden. Und wenn die sehen, dass ich da bin, was sie halt machen werden." Lea

Auf die Frage, ob ihr Gang in die Prostitution ein Fehler war, sagt sie klar: Ja. "Weil ich dadurch Sachen erfahren habe, also erlebt habe, die ich eigentlich gar nicht erleben wollte. Ich bin noch zu jung dafür gewesen. Und bin jetzt noch zu jung dafür." Ihre Mutter wird sie bei ihrer Aussage begleiten. Die sagt, sie habe Angst um ihre Tochter. "Dass sie wieder komplett einen psychischen Zusammenbruch hat, vorher oder nachher."

Kein Ausstieg

Der Einstieg in die Prostitution mag freiwillig gewesen sein. Doch ein Ausstieg war von den mutmaßlichen Zuhältern offenbar nicht vorgesehen. Oberstaatsanwalt Baumert: "Wir gehen davon aus, dass zumindest ein Teil der Mädchen irgendwann aussteigen wollte und dann mit recht ruppigen Methoden dazu gebracht worden ist, dann doch weiter zu machen."

Lea hat diese Zeit hinter sich. Das Erlebte habe einen Teil ihres Lebens komplett verändert. "Weil man es im Hinterkopf hat, was man gemacht hat. Und andere Menschen werden das halt auch erfahren. Und das auch dann immer im Kopf haben, dass du das gemacht hast."

Verurteilung nach Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht?

Spannend dürfte im Fall einer Verurteilung die Frage des Strafmaßes für die Angeklagten sein. Die Richter müssen entscheiden, ob sie noch Jugendstrafrecht oder schon Erwachsenenstrafrecht anwenden. "Die Anwendung von Jugendstrafrecht hängt davon ab, ob bei der Begehung die Angeklagten in ihrer Entwicklung eher einem Jugendlichen gleichzusetzen sind oder eher einem Erwachsenen", sagt Landgerichts-Sprecherin Helena Salamon-Limberg.

"Würden sie zu einer Jugendstrafe verurteilt, würde deren Dauer davon abhängen, was die Kammer für eine Erziehungsbedürftigkeit in Richtung eines straffreien Lebens sieht." Und sicherlich auch davon, wie schwer für die Richter die große Zahl der Vorstrafen wiegt.  

Quellen:

  • WDR-Reporter im Interview mit Opfern
  • Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert
  • Helena Salamon-Limberg, Sprecherin Landgericht Wuppertal

Über dieses Thema berichtet der WDR am 16.05.2024 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit Bergisches Land.

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