Katharina Denninghoff fühlt sich in ihrem Zuhause nicht mehr wohl. Denn sie ärgert sich sehr über ihren Vermieter.

Rheinland-Pfalz Betreutes Wohnen in Hillesheim: Senioren fühlen sich im Stich gelassen

Stand: 27.09.2024 06:10 Uhr

Rund 20 Senioren leben in einer betreuten Wohneinrichtung in Hillesheim in der Vulkaneifel. Doch seit ein neuer Investor im Spiel ist, fühlen sich die Menschen allein gelassen.

Die Heizung kaputt, ein Wasserschaden in der Wohnung und der Vermieter nicht erreichbar: So hat sich Katharina Denninghoff ihr Leben im Alter nicht vorgestellt. Seit 2021 wohnt die 91-Jährige im St. Josefs-Haus in Hillesheim.

Die Seniorin ist hier eingezogen, weil man ihr versprochen hat, sich um sie zu kümmern. "Aber von betreutem Wohnen kann nicht mehr die Rede sein", findet Denninghoff.

Denn seit eine Immobilienfirma aus Frankfurt das Haus gekauft hat, gehe "alles den Bach runter". Im Treppenhaus werde nicht mehr geputzt. Und wenn etwas kaputt ist, komme niemand, um es zu reparieren. Auch gegen den Wasserschaden in ihrer Wohnung unternehme der Vermieter nichts, sagt die Seniorin. Er reagiere nicht mal mehr auf Anrufe oder E-Mails.

Heizung kaputt: Senioren in Hillesheim mussten frieren

Das Schlimmste: Die Heizung falle immer wieder wegen Störungen aus. Als Katharina Denninghoff im Frühjahr im Kalten saß, habe sie daher selbst 1.000 Euro in die Hand genommen, um sie reparieren zu lassen. Vom Eigentümer des Hauses habe sie dafür keinen Cent bekommen. "Wir sind hier auf uns allein gestellt", sagt die Rentnerin.

Die Liste der Mängel ist lang. Einige der Waschmaschinen im Keller des Hauses sind defekt.

Die Liste der Mängel ist lang. Einige der Waschmaschinen im Keller des Hauses sind defekt.

Dieses Haus ist eine Gefahr für Leib und Leben der Bewohner. Rosi Steffen, Seniorenbeauftragte Hillesheim (Vulkaneifelkreis)

Ihre Nichte Rosi Steffen macht sich deshalb Sorgen um ihre Tante und die etwa 20 anderen Senioren, die in dem Haus in Hillesheim wohnen. "Dieses Haus ist eine Gefahr für Leib und Leben der Bewohner", sagt die Frau, die auch Seniorenbeauftragte in Hillesheim ist: "Wir haben hier einen Griff ins Klo gemacht. Meine Tante wäre besser woanders untergekommen, weil der Vermieter sich um rein gar nichts kümmert."

Rosi Steffen sorgt sich um die Senioren im St. Josefs Haus in Hillesheim.

Rosi Steffen sorgt sich um die Senioren im St. Josefs Haus in Hillesheim.

Die Liste der Mängel im Haus ist inzwischen lang: Die Haustür schließt nicht mehr, Feuerlöscher sind abgelaufen und Fenster kaputt. Die Brandschutztüren wurden nicht gewartet, Telefon und Notrufsystem funktionieren nicht und die Waschmaschinen im Keller sind defekt. Laut Steffen gibt es noch etliche weitere Baustellen, die sie alle aufgelistet und dem Vermieter übermittelt habe. "Und dann ist gar nichts passiert", sagt sie: "Keine Reaktion."

Angehörige: Investor bietet gar keinen Service

Auch Handwerker kämen nicht mehr, weil sie auf ihren Rechnungen sitzen blieben. Putzservice und Hausverwaltung hätten die Arbeit eingestellt, weil sie vom Eigentümer kein Geld bekommen haben, sagen die Angehörigen.

Hinweis an der Pinnwand im Treppenhaus: Die Stadtbürgermeisterin warnt die Bewohner davor, selbstständig Handwerker zu bestellen. Denn sie würden auf den Kosten sitzen bleiben.

Hinweis an der Pinnwand im Treppenhaus: Die Stadtbürgermeisterin warnt die Bewohner davor, selbstständig Handwerker zu bestellen. Denn sie würden auf den Kosten sitzen bleiben.

Bewohner müssen sich selbst versorgen

Bevor der Investor das Haus vor vier Jahren gekauft hat, sah das noch anders aus. Ein Berliner Pflegekonzern kümmerte sich um die Bewohner. Es gab einen Pflegedienst im Haus, der regelmäßig nach den Mietern geschaut hat. Im Speisesaal wurde noch warmes Essen serviert und es gab Veranstaltungen und Feiern. Ein Hausmeister kümmerte sich um alles, was anfiel.

Mittlerweile wischt eine Seniorin im Treppenhaus. "Sonst würden die Menschen hier im Dreck leben", sagt Rosi Steffen. Und auch alles weitere - Essen und Pflege zum Beispiel - müssten die Bewohner trotz der hohen Mieten im Haus selbst organisieren.

Eigentümer ist für Bewohner seit Monaten nicht zu erreichen

Vergangenes Jahr reagierte der Frankfurter Investor noch auf die Anfragen der Bewohner. Er kam sogar vorbei, um sich den Zustand seiner Immobilie anzuschauen. "Aber diese Gespräche mit ihm und seinen Mitarbeitern - das war vertane Zeit", meint Seniorenbeauftragte Rosi Steffen: "Schall und Rauch." Denn gekümmert habe er sich danach nicht mehr.

Mittlerweile gehe der Vermieter gar nicht mehr ans Telefon. Die Senioren und ihre Angehörigen wissen seit Monaten nicht, wie sie ihn erreichen können. Bewohner, die inzwischen ausgezogen sind, wissen nicht einmal, wo sie die Kündigung hinschicken sollen.

Auch auf SWR-Anfrage hat der Geschäftsführer der Frankfurter Firma nicht geantwortet. Am Telefon meldete sich niemand, E-Mails gingen ins Leere. Die Firmen-Homepage ist inzwischen offline, die E-Mail-Adressen gelöscht. Die Post kommt zum Absender zurück. Laut Medienberichten ist die Firma des Geschäftsführers, die AEDIFICIA Infrastruktur- und Entwicklungsgesellschaft, insolvent.

Zumindest eine von mehreren Frankfurter Firmen ist insolvent

Wer über den Mann recherchiert, findet aber heraus, dass er in Frankfurt und Offenbach noch weitere Unternehmen leitet. Sie tragen Namen wie Rhein-Mitte-Ruhr-Beteiligung GmbH oder Ruhr-Mitte Realwert GmbH.

Die offenbar insolvente AEDIFICIA war spezialisiert auf den Kauf von alten Gebäuden in ganz Deutschland. Trotz angeblicher großer Pläne ließ die Firma die Häuser aber offenbar verfallen, wie mehrere Lokalzeitungen und Radiosender berichteten.

Im Aufenthaltsraum gab es früher Mittagessen, Feiern und Kaffeekränzchen. Heute gibt es dort gar keine Angebote mehr.

Im Aufenthaltsraum gab es früher Mittagessen, Feiern und Kaffeekränzchen. Heute gibt es dort gar keine Angebote mehr.

Investor hat auch Bahnhof in Cochem verfallen lassen

Ein Beispiel ist der Bahnhof in Cochem an der Mosel. Den hat das Unternehmen bereits vor gut zehn Jahren erworben, angeblich mit dem Plan, dort Wohnungen, Büros und Ladenlokale zu eröffnen. "Das hat uns damals natürlich gefreut, der Bahnhof ist ja das Eingangstor der Stadt", sagt Stadtbürgermeister Walter Schmitz (CDU).

Passiert sei dann allerdings nichts. Zehn Jahre lang blieb der Bahnhof im Dornröschenschlaf. Bis kürzlich ein Kölner Finanzberater auf die Stadt zukam - man wolle den Bahnhof wieder verkaufen. "Da sind wir jetzt am Prüfen, ob wir uns das leisten können und was wir mit dem Gebäude machen", sagt Walter Schmitz, der enttäuscht von dem Frankfurter Investor ist.

Der sanierungsbedürftige Bahnhof in Cochem.

Im Bahnhof in Cochem hat sich seit Jahren nichts getan.

Stadt kümmert sich um Garten, Müll und Winterdienst

Die Bewohner des Hillesheimer St. Josefs-Hauses wären froh, wenn die Stadt oder irgendjemand sonst die Betreute Wohneinrichtung kaufen würde. Schon jetzt kümmern sich die Hillesheimer Gemeindearbeiter um den Garten, den Winterdienst und die Müllentsorgung.

"Darüber hinaus sind uns hier aber die Hände gebunden", sagt Stadtbürgermeisterin Gabriele Braun, die regelmäßig in dem Haus vorbeischaut und sich die Probleme der Bewohner anhört: "Es ist eine Katastrophe für die armen Leute. Aber der Eigentümer muss sich kümmern." Und wenn er das nicht kann, soll er das Haus verkaufen, findet Braun.

Ich habe einfach Angst, dass die Heizung wieder ausfällt und meine Tante frieren muss. Rosi Steffen, Seniorenbeauftragte Hillesheim (Vulkaneifelkreis)

Dieser Ansicht ist auch Seniorin Katharina Denninghoff. Auch wenn sie wenig Hoffnung hat - denn das Vertrauen in ihren Vermieter sei dahin. "Wir stehen hier mit dem Rücken zur Wand und der Winter steht vor der Tür", sagt auch ihre Nichte Rosi Steffen. Sie ist inzwischen verzweifelt: "Ich habe einfach Angst, dass die Heizung wieder ausfällt und meine Tante frieren muss."

Sendung am Fr., 27.9.2024 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz