Balkonkraftwerk an einem Mehrfamilienhaus

Rheinland-Pfalz Boom der Balkonkraftwerke in RLP: Doppelt so viele Anlagen wie zu Jahresanfang

Stand: 19.10.2024 05:00 Uhr

Mehr als 20.000 Balkonkraftwerke wurden in Rheinland-Pfalz dieses Jahr bisher in Betrieb genommen. Grund für den Boom sind unter anderem technische und bürokratische Vereinfachungen.

Doppelt so viele Inbetriebnahmen wie im Jahr zuvor

Seit April ist es für Bürgerinnen und Bürger bürokratisch und technisch einfacher geworden, ein Balkonkraftwerk zu installieren. Mehr als 20.000 Anlagen wurden seitdem in Rheinland-Pfalz in Betrieb genommen. Das sind mehr als doppelt so viele wie im selben Zeitraum 2023. Der Boom fällt bei den Balkonkraftwerken stärker aus als bei anderen Solaranlagen auf Dächern und Freiflächen. Am stärksten stieg die Zahl in allen Jahren in den Sommermonaten.

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Was ist ein Balkonkraftwerk?

Mit einem Balkonkraftwerk, auch Steckersolargerät genannt, können Haushalte Strom für den eigenen Bedarf produzieren. Das Gerät besteht aus Solarmodulen, die Sonnenlicht in Strom umwandeln, und einem sogenannten Wechselrichter, der den Strom umwandelt, sodass er in das Stromnetz des Hauses fließen kann. Im Vergleich zu anderen Solaranlagen ist die Leistung begrenzt. Deshalb kann ein Balkonkraftwerk leichter angeschlossen und registriert werden.

Balkonkraftwerk: ein Projekt für Hobby-Handwerker

Anfang des Jahres waren in Rheinland-Pfalz rund 18.500 Balkonkraftwerke in Betrieb. Ende September lag die Zahl bei knapp 41.000.

Gabriele Rau ist Geschäftsführerin des Landesverbands Erneuerbare Energie (LEE), ein Interessenverband aus Unternehmen, Kommunen, Vereinen und Privatpersonen. Sie ist sich sicher, dass die Vereinfachungen seit April zu dem rasanten Anstieg beigetragen haben: "Sicherlich spielt die Verschlankung des Prozesses eine wesentliche Rolle. Die Installation kann nun im Do-It-Yourself-Verfahren durchgeführt werden – ein Spaß für jeden Hobby-Handwerker."

Strom selbst erzeugen: Lohnt sich Balkonsolar?

Weniger Bürokratie, einfachere Technik

Wer sich ein Balkonkraftwerk zulegt, muss dieses seit April nicht mehr beim Netzbetreiber anmelden. Bei der Bundesnetzagentur müssen die Anlagen weiterhin registriert werden, dafür sind aber nur eine Handvoll Angaben nötig.

Mit dem Solarpaket 1 der Bundesregierung trat im Mai eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Kraft. Diese hat die Inbetriebnahme auch technisch einfacher und attraktiver gemacht. Verbraucher können übergangsweise ihre alten Stromzähler behalten, statt für das Balkonkraftwerk einen neuen, digitalen Stromzähler einzubauen. Die Anlagen dürfen außerdem leistungsfähiger sein als bisher. Und in Zukunft soll die Einspeisung des Stroms über die herkömmliche Steckdose zur Norm werden.

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Preisverfall und Energiekrise sorgen für Boom

Neben den technischen und bürokratischen Vereinfachungen gebe es noch weitere Gründe für den Boom von Balkonkraftwerken, meint Dagmar Schneider. Sie ist Pressesprecherin der Energieagentur Rheinland-Pfalz, die Kommunen bei ihren Plänen für Klimaschutz unterstützt. Balkonkraftwerke seien in den letzten Jahren erheblich günstiger und verfügbarer geworden, so Schneider. Inzwischen könne man die Geräte im Baumarkt kaufen, im Frühjahr sogar zu Aktionspreisen.

Durch den Ukraine-Krieg und die hohen Energiepreise sei auch der Anreiz gestiegen, sich eine "kleine, individuelle Energieunabhängigkeit" zu schaffen, so Schneider. Seit 2023 gibt es außerdem eine Fördermaßnahme der Landesregierung: Das Kommunale Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation (KIPKI) ermöglicht kommunale Förderprogramme für Balkonkraftwerke.

In Rheinland-Pfalz gibt es überdurchschnittlich viele Balkonkraftwerke

Im Vergleich zu anderen Bundesländern fällt auf: In Rheinland-Pfalz gibt es mehr Balkonkraftwerke (je Tausend Einwohner) als anderswo. Warum das so ist, kann Gabriele Rau vom LEE nur spekulieren: "Dass so viele Bürger und Bürgerinnen den Gestaltungsspielraum nutzen, zeigt, dass die Energiewende und eine autarke Energieversorgung eine große Rolle in der Gesellschaft spielen", so die Expertin.

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Regionale Unterschiede durch kommunale Förderprogramme

Unterschiede gibt es auch zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten. Während im Westerwaldkreis rund 17 Balkonkraftwerke je Tausend Einwohner in Betrieb sind, sind es in Kaiserslautern nur rund 3.

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Im Rahmen des KIPKI seien in 56 Verbandsgemeinden, Landkreisen und Städten Förderprogramme für Balkonkraftwerke entstanden, schreibt die Energieagentur Rheinland-Pfalz. "Allein im Westerwaldkreis gibt es unseres Wissens acht Kommunen mit Förderprogrammen", so Dagmar Schneider. Dort zahlt die jeweilige Stadt oder Gemeinde meist 25 Prozent der Anschaffungskosten oder 200 Euro pauschal.

Installation von Balkonkraftwerken wird für Mieter leichter

Außerdem vermutet die Sprecherin der Energieagentur, dass Menschen, die in ihren eigenen Häusern wohnen, eher ein Balkonkraftwerk installieren. In städtischen Regionen, in denen mehr Menschen zur Miete wohnen, gebe es deshalb weniger.

Auch das soll sich in Zukunft ändern. Durch eine kürzlich beschlossene Änderung im Wohneigentumsgesetz und im Mietrecht werden Balkonkraftwerke zur "privilegierten Maßnahme".  Vermieter und Eigentümergemeinschaften können die Installation dann nur aus sehr gutem Grund ablehnen.

Balkonkraftwerke als Beitrag zur Energiewende?

Die kleinen Steckersolargeräte machen im Vergleich zu Anlagen auf Gebäuden und Freiflächen nur einen sehr geringen Anteil der Solarleistung in Rheinland-Pfalz aus. Sie helfen also - zumindest aktuell - kaum dabei, die Ausbauziele der Landesregierung zu erreichen.

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Laut Energieagentur lohnen sich Balkonkraftwerke trotzdem. "Der Strombedarf privater Haushalte macht weniger als ein Viertel des gesamten Strombedarfs in Deutschland aus. Damit liefern schon kleinere Erzeuger einen durchaus spürbaren Effekt", so Schneider. Außerdem könne ein Balkonkraftwerk 10 bis 20 Prozent des Strombedarfs im Haushalt decken. Jährlich ließen sich damit bis zu 180 Euro sparen.

Balkonkraftwerke sind eine niedrigschwellige Möglichkeit, die Energiewende mitzugestalten. Gabriele Rau, Geschäftsführerin des Landesverbands Erneuerbare Energie (LEE)

Gabriele Rau vom LEE fügt hinzu, der finanzielle Aspekt spiele sicherlich eine Rolle, sei aber wahrscheinlich nicht wesentlich. Stattdessen machen sich Bürgerinnen und Bürger Gedanken, wie sie selbst CO2-Emissionen reduzieren und gegen den Klimawandel wirken können. "Balkonkraftwerke sind eine einfache und niedrigschwellige Möglichkeit, die Energiewende mitzugestalten", so Rau.

Über die Daten zu Balkonkraftwerken

Das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur enthält Daten zu Anlagen zur Strom- und Gaserzeugung. Die Betreiber der Anlagen sind verpflichtet, ihre Daten selbst einzutragen und aktuell zu halten. Die Netzbetreiber müssen die eingetragenen Daten zu den Anlagen und deren Betreibern prüfen. Trotzdem finden sich im Register teils fehlerhafte Angaben. Für die Analyse wurden die Daten bestmöglich bereinigt. Die Daten sollten nur zur Darstellung eines Trends, nicht für punktgenaue Angaben verwendet werden. Für die Registrierung eines Balkonkraftwerks gilt eine Frist von einem Monat. Die Zahl der Inbetriebnahmen im September könnte dadurch in der Realität noch höher sein.

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