Eveline Lübbert aus Clausen verschwand 1967 in Pirmasens

Rheinland-Pfalz Filmemacher aus Clausen dreht Doku über vermisste Kinder aus Pirmasens

Stand: 23.03.2025 14:50 Uhr

1962 verschwindet Walter Broschard. 1964 Klaus-Dieter Stark. 1967 Eveline Lübbert. Alle Kinder verschwanden an einem Freitag. Alle in Pirmasens. Bis heute leiden die Familien darunter.

"Sie war schüchtern, aber gleichzeitig mutig! Sie wollte weit nach oben - auf das Gymnasium, obwohl sie aus eher ärmlichen Verhältnissen kam. Doch diese Perspektive wurde ihr genommen", erzählt Henry Hauck, Filmemacher aus Clausen in der Südwestpfalz. Er war damals 16 Jahre alt, als seine Cousine Eveline Lübbert verschwand.

Henry Hauck und seine Cousine Eveline Lübbert aus Clausen auf einem Familienfoto vor ihrem Verschwinden 1967 in Pirmasens.

Henry Hauck und seine Cousine Eveline Lübbert aus Clausen auf einem Familienfoto, vor ihrem Verschwinden 1967 in Pirmasens.

Wo ist Eveline Lübbert aus Clausen?

Diese Frage stellt sich die gesamte Familie seit fast 60 Jahren. Das letzte Mal wurde die damals 10-jährige Eveline 1967 in der Kaufhalle in Pirmasens von einer Schulfreundin gesehen. Laut der Schulfreundin wollte Eveline sich Süßigkeiten kaufen und ist nicht, wie üblich, in den Schulbus gestiegen. Sie wurde nie wieder gesehen.

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Familie von Eveline Lübbert leidet bis heute

"Meine Tante, also die Mutter von Evi, hatte sich einigermaßen im Griff. Aber der Vater hat den Verstand verloren", sagt Henry Hauck. Sein Onkel sei Alkoholiker geworden und später tablettensüchtig. "Daran sieht man, wie sehr das eine Familie mitnimmt", erzählt er.

"Ich habe den Eindruck die Geschwister leiden immer noch sehr stark darunter. Gerade meine eine Cousine sucht immer wieder Auswege, um dem zu entgehen", so Henry Hauck. Laut dem 73-Jährigen hat diese Geschichte auch das Leben der Geschwister stark geprägt.

Auch Henry Hauck aus Clausen wird verhört

"Ich muss sagen: Ich erinnere mich nicht mehr so gut daran, denn ich war damals in einem Internat in Speyer", sagt Henry Hauck. Doch an eines erinnert er sich besonders gut: "Die Kriminalpolizei kam ins Internat, um mich zu verhören, weil auch ich verdächtigt wurde." Der Direktor und die Schwestern des Internats konnten bezeugen: Henry war bei Ihnen. "Ich wusste ja, ich habe damit nichts zu tun. Es hat mich mehr bewegt, dass meine Cousine verschwunden war", erzählt Henry Hauck.

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Henry Hauck dreht Doku über vermisste Kinder aus Pirmasens

Wut treibt ihn an: Filmemacher sucht Antworten über vermisste Kinder aus Pirmasens

Viele Jahre verdrängt Henry Hauck das Verschwinden seiner Cousine. Jahrelang traut er sich nicht, eine Dokumentation über die Vermisstenfälle von Eveline und den beiden Jungen zu drehen. Er hat schon mehr als 30 Jahre lang Erfahrungen im Filmbereich, doch diese Doku hat ihn besonders viel Überwindung gekostet. Derzeit läuft sein Film im Walhalla-Kinocenter in Pirmasens.

Player: videoAusschnitt aus "Spurlos - Warum die Zeit keine Wunden heilt"

Ausschnitt aus "Spurlos - Warum die Zeit keine Wunden heilt"

Drei Jahre recherchiert Henry Hauck intensiv über das Verschwinden von Eveline Lübbert, Walter Broschard und Klaus-Dieter Stark: Er spricht mit Geschwistern, Freunden, verbringt Tage im Stadtarchiv und durchsucht Akten. Sucht Antworten auf seine Fragen - auf die Fragen der Familien.

"Es hat mich eher wütend gemacht und dadurch motiviert, weil ich immer wieder Absagen bekommen habe. Gerade von der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft. Es wurde so viel abgeblockt. Das verstehe ich bis heute nicht! Ich wurde ständig hingehalten. Das fand ich wirklich sehr komisch." Auch die Familien der beiden verschwundenen Jungen sind nicht bereit, mit Henry Hauck darüber zu sprechen.

Ist der "Waldmensch" aus Pirmasens der Täter?

Bisher blieb die Suche nach den vermissten Kindern erfolglos. Ab 1973 nahm der neue Kriminalrat Ernst Fischer die Fälle der verschwundenen Kinder aus Pirmasens wieder auf. Laut Henry Hauck ermittelte Ernst Fischer mit einer neuen Methode, der sogenannten Rasterfahndung. "7.000 Männer wurden durchleuchtet. Amerikanische und französische Soldaten, Nachbarn, Bürger und Arbeiter. Und damals passte nur einer ins Raster: Günter Justus", erinnert sich Henry Hauck.

Wie funktioniert die Rasterfahndung?
Die Rasterfahndung ist ein Verfahren, bei dem Ermittler Daten aus verschiedenen Quellen untersuchen. Sie erstellen ein Profil des möglichen Täters mit bestimmten Merkmalen wie Alter, Herkunft oder Verhaltensweisen. Anschließend durchsuchen sie Datenbestände von Ämtern, Banken oder anderen Institutionen nach Personen, die diese Merkmale erfüllen. Ziel ist es, den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen. Die Personen, die in dieses Raster passen, werden überprüft.

Günter Justus war laut dem Filmemacher ein Außenseiter, der im Wald lebte. Er hatte immer wieder Kontakt zu den Kindern und brachte ihnen unter anderem das Schwimmen bei. Günter Justus wurde 600 Stunden von den Ermittlern verhört.

"Nachdem ich die Verhöre im Landesarchiv Speyer über Günter Justus gelesen habe, wurde mir klar: Er war es nie im Leben", meint Henry Hauck. "Auch ich kannte Günter Justus selbst. Der ist ab und zu in der gleichen Kneipe wie wir gewesen. Er wurde von unserer Gruppe immer anerkannt. Er war sehr freundlich und sehr höflich. Niemand konnte sich vorstellen, dass Justus mit dieser Sache etwas zu tun hatte!"

Könnte Eveline Lübbert aus der Südwestpfalz noch leben?

"Nein, ich denke nicht, dass sie noch lebt. Ich denke auch, dass es mehrere Täter gab. Ich habe da meine persönliche Theorie: Eveline könnte ins Ausland verschleppt worden sein - von einem Täter, der Kinder für reiche Familien beschafft hat, aber das sind alles nur Spekulationen", grübelt Henry Hauck. "Ich denke, es wurde zu viel ermittelt. Man hat sich damals zu sehr auf ein System konzentriert und andere Möglichkeiten außer Acht gelassen."

Henry Hauck fordert mehr Aufmerksamkeit für Vermisstenfälle mit Kindern

"Ich möchte mit meiner Doku nur eines bewirken: Mehr Aufmerksamkeit für Vermisstenfälle mit Kindern, denn jedes Jahr verschwinden bis zu 500 Kinder und die Öffentlichkeit nimmt keine Notiz davon." Der Filmemacher ist der Meinung, dass der Fall rund um seine kleine Cousine nicht mehr gelöst wird. Günter Justus starb 2021 in einem Pirmasenser Altenheim. Die Familien leben bis heute mit einer Ungewissheit.

Sendung am Mo., 17.3.2025 10:00 Uhr, SWR4 am Vormittag, SWR4

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