Rheinland-Pfalz Gewaltopfer aus Dirmstein: "Über die Opfer wird kaum gesprochen"
An diesem Samstag ist Tag der Kriminalitätsopfer. Thema ist unter anderem: Wie Medienberichterstattung auf Opfer wirkt. Ein Gewaltopfer aus Dirmstein erzählt von seiner Erfahrung.
Dass Fabian Pozywio lebt und in der Versicherungsbranche arbeiten kann, das gleicht einem Wunder. Denn vor fast zehn Jahren hat der heute 30-jährige um sein Leben gekämpft. Bei einer Party im pfälzischen Dirmstein (Kreis Bad Dürkheim) schlug ihm jemand von hinten eine Bierflasche auf den Kopf. Wochenlang lag Fabian im Koma, jahrelang musste er Reha machen.
"Weißer Ring": Mehr über die Opfer als die Täter berichten
Bierflaschen-Attacke im Soccerpark in Dirmstein fast zehn Jahre her
Die Medien - auch der SWR - haben den Fall eng begleitet. Fast zehn Jahre nach der Tat sagt Fabian, der inzwischen in Frankenthal lebt: "Meine Erfahungen sind sehr positiv den Medien gegenüber. Wir haben dadurch viele Spendengelder bekommen. Und der Prozess war voll mit unseren Leuten, das war sehr, sehr positiv".
Allerdings gab es auch einzelne Zeitungsberichte, über die sich Fabian geärgert hat, weil sie den verurteilten Täter aus seiner Sicht zu sehr in den Mittelpunkt stellten. Auch auf Facebook gab es Posts von Verwandten des Täters, über die sich Fabian und seine Familie ärgerten.
Generell stellt Fabian fest: "Über die Opfer wird kaum gesprochen. Meine Familie hat unheimlich viel für mich getan: Die Wohnung und das Bad umgebaut. Diesen ganzen Rattenschwanz sieht man gar nicht als normaler Mensch."
Weißer Ring: Schuldzuweisungen in sozialen Medien
Heinz Hussy von der Außenstelle Weinstraße des Weißen Rings kritisiert, dass vor allem in sozialen Medien im Internet Opfer oft zu Tätern gemacht würden. Beispiel Edenkoben: Da wurde vor eineinhalb Jahren ein Mädchen auf dem Weg zur Schule entführt und missbraucht.
Und einzelne Medien machten der Familie des Opfers plötzlich Vorwürfe, weil das Mädchen alleine zur Schule gegangen war wie viele andere auch. "Dann ist für den Vater eine Schuldzuweisung da: Wie kannst Du Deine Tochter da gehen lassen?", ärgert sich Heinz Hussy. Dabei habe der Vater nichts verkehrt gemacht. Heinz Hussy macht klar: "Schuld hat immer nur der Täter."
Nach dem Koma kämpfte sich Fabian zurück - alles musste er neu lernen.
Der Täter im Fall Fabian hat sich bis jetzt seiner Verantwortung entzogen: Kurz vor einem Gerichtsurteil in der Berufungsverhandlung flüchtete er ins Ausland. Die mehrjährige Haftstrafe, zu der er in Abwesenheit rechtskräftig verurteilt wurde, hat er nie angetreten.
Das Opfer muss weiter mit seinen körperlichen Einschränkungen klarkommen. Aber dass Fabian heute im Versicherungsbüro seines Vaters mitarbeiten kann, das ist das schöne Ende der Geschichte.
Sendung am Sa., 22.3.2025 6:57 Uhr, SWR4 Rheinland-Pfalz
