
Rheinland-Pfalz Mutter aus Kruft: "Nora ist ein Kind wie jedes andere - nur mit Down-Syndrom"
Für viele Eltern ist die Diagnose Down-Syndrom ein Schock. Für Claudia Weinand aus der Eifel war klar, dass sie ihre Tochter bekommt. Jetzt berät sie andere Eltern zu Trisomie 21.
Nora will raus in den Garten, mit ihrer Freundin Mila auf die Schaukel. Deshalb stürmt die Siebenjährige ins Wohnzimmer, direkt auf ihre Mutter zu. Claudia Weinand bestimmt, dass sich Nora eine warme Jacke anzieht und dass ihre ältere Schwester Fia auf sie aufpassen muss.

Nora mit ihrer Familie im Garten in Kruft (von links nach rechts): Ihre Schwester Fia, Vater Matthias, Nora mit ihrer Mutter Claudia und die große Schwester Runi.
Denn Nora hat das Down-Syndrom. Wegen ihrer Behinderung kann sie Risiken nicht gut einschätzen. "Manchmal läuft sie weg, weil sie so neugierig ist auf die Welt hinter dem Gartenzaun," sagt ihre Mutter. Deshalb müsse man sie im Auge behalten.
Nora ist sehr aufgeschlossen und hilfsbereit. Noras Vater Matthias Weinand
Familie aus Kruft lebt mit dem Down-Syndrom
Nora wächst behütet in ihrer Familie auf. Für ihre Mutter Claudia, ihren Vater Matthias und die beiden älteren Schwestern Fia und Runi ist ihre Behinderung nichts, worüber sie sich groß Gedanken machen. Nora ist eben einfach Nora. Ihr Vater bewundert die Lebensfreude seiner Tochter, ihren Mut und ihre Zielstrebigkeit. "Nora ist sehr aufgeschlossen und hilfsbereit."
Und ihre Mutter erzählt, dass Nora alles wissen will. "Sie hat einen unbändigen Willen zu Lernen und unabhängig zu sein. Und sie kann sehr gut verzeihen. Das finde ich unglaublich stark." Doch natürlich gebe es auch Momente, in denen das Verhalten von Nora sie nervt, sagt Claudia. "Sie ist ein Kind wie die anderen beiden auch."
Leben mit Kindern mit Down-Syndrom oft anstrengend
Oft haben diese Momente aber auch speziell mit den geistigen Einschränkungen von Nora zu tun. Wenn ihre Tochter nicht wolle, dann dann sei es beispielsweise unheimlich schwer, schnell das Haus zu verlassen, um etwas zu erledigen. Auch die tägliche Körperpflege sei ein Kampf. Das brauche viel Geduld, sagt Claudia, da man mit Nora nicht so vernünftig reden kann wie mit anderen Kindern.
Diagnose Down-Syndrom nach Pränataltest
Matthias und Claudia Weinand wussten vor Noras Geburt, dass ihre Tochter mit dem Down-Syndrom auf die Welt kommen würde - dank Pränataltest. "Ich selbst habe diesen Test gemacht, weil ich wissen wollte, ob unsere Tochter eine Trisomie 21 hat oder nicht. Wir haben eine Hausgeburt geplant, es gab Auffälligkeiten und ich wollte vorbereitet sein", erklärt Claudia Weinand.
Die Diagnose sei für sie aber kein so großer Schock gewesen wie für andere Eltern: Matthias Weinand hatte schon als Zivildienstleistender Kontakt mit Menschen mit Behinderung, auch mit Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom.
Man hat kein Recht und keine Garantie auf ein perfektes Kind, bei dem alle Chromosomen ordentlich sortiert sind. Noras Mutter Claudia Weinand
Und auch Claudia selbst hatte früher als Sozialpädagogin immer wieder mit Menschen mit Down-Syndrom zu tun. Sie arbeitete unter anderem in einem Wohnbereich mit erwachsenen Behinderten. Außerdem ist sie auch überzeugt: "Man hat kein Recht und keine Garantie auf ein perfektes Kind, bei dem alle Chromosomen ordentlich sortiert sind."
Viele Kinder mit Down-Syndrom werden abgetrieben
Deshalb stand für die Weinands fest, dass sie ihre Tochter bekommen wollen und die Schwangerschaft nicht abbrechen lassen. Damit haben sie eine andere Entscheidung getroffen als viele andere werdende Eltern. Schätzungen zufolge kommen etwa neun von zehn ungeborenen Kindern mit der Diagnose Down-Syndrom nicht auf die Welt.
"Diese Statistik bestand ja schon, bevor es die Tests als Kassenleistung gab", sagt Claudia. Sie zeige nur deutlich, was vorher schon da war als Tendenz in der Gesellschaft. Für sie sind solche Pränatal-Tests daher Fluch und Segen zugleich: Einerseits könne man sich durch die Diagnose vorbereiten, andererseits stelle einen das Wissen aber auch vor eine schwere Entscheidung.
Bisher keine offene Ablehnung erfahren
Bereut haben Noras Eltern ihre eigene Entscheidung nicht. Auch haben sie - was Nora betrifft - bisher noch keine offene Ablehnung erlebt, erzählen sie. Aber in den Geschäften gebe es immer wieder diese Blicke, bedauert Matthias Weinand. "Kinder mit dem Down-Syndrom sehen anders aus und jeder erkennt das auch auf den ersten Blick", ergänzt Claudia Weinand. Doch durch Nora habe sie gelernt, sich keine Gedanken über andere Menschen zu machen.
Kinder mit dem Down-Syndrom sehen anders aus und jeder erkennt das auch auf den ersten Blick. Noras Mutter Claudia
Immer wieder berät sie werdende Eltern, die entscheiden müssen, ob sie ihr Kind mit Down-Syndrom bekommen. Oder die die Diagnose nach der Geburt bekommen haben. "Wenn Eltern mich fragen, dann sage ich als erstes - schließt eine Rechtsschutzversicherung ab." Denn vor allem der Kampf mit den Behörden sei oft kräftezehrend. Etwa, wenn man Leistungen einfordern muss, die einem zustehen, die aber nicht genehmigt werden.
Trauer gehört zur Akzeptanz dazu
Claudia Weinand weiß auch, dass es Zeit braucht, zu akzeptieren, dass das eigene Kind das Down-Syndrom hat. Eltern hätten immer eine konkrete Vorstellung von ihrem Kind und Träume für dessen Leben. Davon müsse man nach der Diagnose aber Abschied nehmen. Die Trauer darüber sei oft sehr groß und völlig berechtigt, sagt Noras Mutter. Man müsse erst lernen, damit zu leben - auch sie selbst.
Noras Eltern wünschen sich mehr Chancengleichheit
Bei Nora sei die Behinderung nicht so stark ausgeprägt wie bei anderen Kindern mit Down-Syndrom, sagen ihre Eltern. Das habe auch der Einschulungstest für die integrative Grundschule in Andernach gezeigt, auf die Nora seit Kurzem mit großer Freude geht. Sie sei clever und lerne Rechnen, Schreiben und Lesen. "Sie kann auch Bundeskanzlerin werden", sagt sie und lacht - wird dann aber schnell wieder ernst.

Die sieben Jahre alte Nora aus Kruft hat das Down-Syndrom. Sie spielt gerne im Garten auf der Schaukel.
Claudia Weinand hofft vor allem, dass ihre Tochter später möglichst eigenständig leben kann. Und dass die Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt einfacher wird: "Damit Menschen mit Behinderung nicht automatisch in einer Werkstätte arbeiten", sagt sie.
Das wäre auch Noras Vater Matthias wichtig. "Menschen mit Down-Syndrom werden zu oft in Schubladen gesteckt", sagt er. Sie bekämen selten die Chance zu zeigen, was sie können.
Sendung am Fr., 21.3.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz