Wie kommt man auf die Idee, einen Ozean in einem Ruderboot zu überqueren? "Ich habe letztes Jahr meinen Bootsführerschein gemacht und Navigation gelernt. Danach dachte ich: Eigentlich habe ich jetzt alles, was ich für eine Ozeanüberquerung brauche", erzählt der 40-jährige IT-Experte Evgeniy Sudyr im Gespräch mit dem SWR. Die Reise soll am 5. Mai im westaustralischen Carnarvon starten und in Kenia enden. Die Distanz: 9.000 Kilometer über offenes Meer.
Natürlich sei das gefährlich, wenn man keine Erfahrung auf dem Ozean habe. Daher habe er sich ein erfahrenes Team gesucht: "Unser Skipper hat schon zwölf Ozeanüberquerungen gemacht, und auch die anderen sind erfahrene Extremsportler. In diesem Team kann ich alles lernen, was ich brauche", so Sudyr.
Jeder Mensch hat seine ganz persönliche große Herausforderung im Leben. Das ist meine.
Für den Deutsch-Ukrainer aus Trier ist die Expedition mehr als eine sportliche Grenzerfahrung. "Der Indische Ozean ist für mich ein Symbol", sagt er. "Jeder Mensch hat seinen eigenen Ozean, seine ganz persönliche große Herausforderung im Leben. Das ist meine."
Mit seiner Teilnahme wolle er zeigen, wie wichtig Zusammenhalt über Grenzen hinweg ist. "Wir sind ein internationales Team aus vier Nationen: Stefan Ivanov aus Bulgarien, Liu Yong aus China, Ralph Tuijn aus den Niederlanden und ich." Die geplante Reise stehe für Teamwork, Vielfalt und Zusammenhalt.

Rudern im Schichtsystem 75 Tage lang
Die Eckdaten der Ozeanüberquerung lesen sich wie aus einem Survival-Roman: Das Boot ist nur 8,60 Meter lang und 1,40 Meter breit. Für jeden gibt es genau zwei kleine Seesäcke – mehr Gepäck ist nicht drin. "Das Boot ist wirklich winzig. Beim ersten Mal dachte ich: Oh, das ist zu klein", erinnert sich Sudyr. Komfort gibt es nicht, stattdessen ein Schichtsystem, das keine Pausen kennt: Zwei Stunden wird gerudert, zwei Stunden geruht – Tag und Nacht, ungefähr 75 Tage lang.
Auch die Versorgung ist minimalistisch: Es gibt gefriergetrocknete Expeditionsnahrung und, wenn möglich, frisch gefangenen Fisch. Getrunken wird Meerwasser, das zuvor durch einen Wasseraufbereiter gefiltert wird. Strom kommt über Solarpanels. Für die Hygiene gibt es nur zwei Eimer: einen als Toilette, einen zum Waschen.

Gefahr und Gemeinschaft auf engstem Raum
Die Liste der Gefahren ist lang: Sturm, meterhohe Wellen, Ausfall der Technik, extreme Hitze und nicht zuletzt die psychische Belastung. "Ich habe keine Angst – ich weiß, alles kann gefährlich sein", sagt Sudyr dem SWR. Das Wichtigste sei, wie man als Team mit Problemen umgehe. "Wir haben keinen Motor, kein Segel, nur uns und den Ozean." Hilfe im Notfall gebe es – wenn überhaupt – nur per Satellitennotruf. Auch das Wasseraufbereitungssystem ist ein potenzieller Schwachpunkt: Wenn das Gerät ausfällt, bleibt nur eine manuelle Pumpe. Die zu bedienen ist ein echter Kraftakt.
Das Extremste, was ich bisher gemacht habe, war ein Tag im Disneyland.
Auf die Frage, ob er schon immer den Nervenkitzel gesucht habe, lacht Sudyr: "Das Extremste, was ich bisher gemacht habe, war ein Tag im Disneyland mit meinen zwei kleinen Töchtern". Seine Familie, vor allem seine Kinder, gibt ihm Kraft. „Wir sprechen über alles. Zum Glück haben wir Internet an Bord und können manchmal per Video telefonieren."

Vorbereitung auf den Ausnahmezustand
Sudyr hat nach eigenen Angaben in Großbritannien ein Spezialtraining für Ozeanrudern absolviert, mit erfahrenen Ruderern trainiert und gemeinsam mit dem Team alle Eventualitäten durchgespielt. Das Ruderboot, gebaut von einer britischen Werft, wirkt wie Hightech pur: GPS, Temperatursensoren, Satellitentelefon, Notfallboje, Solaranlage und sogar ein Datenlogger, der Bewegungen, Temperaturen und Windgeschwindigkeit für wissenschaftliche Zwecke speichert.
Die große Unbekannte bleibt wohl das Wetter, vor allem die berüchtigte Strömung zwischen Madagaskar und Kenia. "Wenn wir Pech haben, landen wir in Somalia", sagt Sudyr. Das wäre nicht so gut. Nicht wegen der Piraten, sondern weil es sehr schwer sei, von dort aus das Boot zurück nach Deutschland zu bringen. Sein Wunsch: "Ich hoffe, wir schaffen es sicher bis Mombasa und können am Ende sagen: Wir haben unser Ziel erreicht."
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Expedition ist als sechsfacher Rekordversuch angemeldet
Die Expedition ist nicht nur eine persönliche Herausforderung, sondern auch offiziell bei der Ocean Rowing Society und für den Guinness World Record angemeldet. "Insgesamt haben wir die Möglichkeit, sechs Weltrekorde aufzustellen. Aber für mich zählt vor allem die Erfahrung – und dass wir zeigen: Mit Mut, Entschlossenheit und Zusammenhalt kann man fast alles schaffen."
Was passiert nach der Rückkehr? Sudyr lacht: "Kein Urlaub! Mein Urlaub sind diese zweieinhalb Monate auf dem Ozean. Danach geht’s direkt zurück ins Büro."