Auf einer öffentlichen Veranstaltung werden Deutschland-Fahnen geschwungen.

Rheinland-Pfalz Wie Populismus den Wahlkampf beeinflusst

Stand: 11.01.2025 04:00 Uhr

Die Formel ist einfach: "Wir" sind die Guten, "Die" kümmern sich nicht um Euch. So wollen populistische Politiker und Politikerinnen auch im aktuellen Wahlkampf vor der Bundestagswahl die Menschen auf ihre Seite ziehen. Aber was ist eigentlich Populismus?

"Wir" sind in diesem Fall die einfachen Leute, die Mehrheit der Gesellschaft, die, deren Meinung nicht gehört, deren Anliegen nicht beachtet werden. "Die", wahlweise auch "Die da oben" sind das Establishment, die Eliten, die sich für die Belange des Volkes angeblich gar nicht interessieren. So lautet die Grundformel für die Ideologie Populismus. Die populistischen Aussagen können dabei durchaus echte Sorgen und Nöte ansprechen. Nur wird in der Regel nicht mit Fakten, sondern Emotionen und Provokationen agiert.

Welche Parteien sind populistisch?

Von der Politikwissenschaft mehrheitlich als populistische Parteien verordnet sind in Deutschland die Alternative für Deutschland (AfD) und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die Linke wird als Grenzfall betrachtet. Zu diesem Ergebnis kommen zum Beispiel die europäische Forschungsgruppe "PopuList" und der Politikwissenschaftler Jan Philipp Thomeczek von der Universität Potsdam. Auch der Politikwissenschaftler und Populismusforscher Kai Arzheimer von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz teilt diese Einschätzung.

Dass Sahra Wagenknecht eine populistische Akteurin ist, das ist relativ klar. Durch ihren Bezug auf die 'einfachen Leute' und diese 'durchgeknallten' Eliten, die Krieg führen, Europa und Kapitalismus lieben. Univ.-Prof. Dr. Kai Arzheimer, Institut für Politikwissenschaft Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Aber nicht nur AfD und BSW treffen populistische Aussagen, Vertreter nahezu aller Parteien bedienen sich emotionalisierender Sprache ohne Faktengrundlage und setzen im Wahlkampf auf Provokation. Beispielsweise polarisierte diese Woche die rheinland-pfälzische CDU-Politikerin und Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit einem Instagram-Post.

Wahlkampf mit Provokation

Klöckner schreibt auf Instagram: "Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU."

Das ist natürlich eine fatale Aussage für Spitzenpolitiker einer Mitte-Rechts-Partei. Vor allem ist es aber ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, mit rechtspopulistischen Akteuren angemessen umzugehen. Univ.-Prof. Dr. Kai Arzheimer, JGU Mainz

Später wurde das Posting gelöscht. Nicht selten, so funktioniert der Populismus, werde die Kritik von politischen Gegnern dann als Unterstellung abgetan und die eigene Haltung in Interviews und weiteren Stellungnahmen immer wieder präzisiert.

Rheinland-Pfälzer nicht immun gegen Populismus

Im Rheinland-Pfalz-Monitor 2023/2024, den das Trierer Institut für Demokratie- und Parteienforschung durchgeführt hat, wurden Menschen repräsentativ befragt, welche die größten Nachteile der Demokratie im Land sind. Hier landete "mangelnde Wehrhaftigkeit, Populismus und Extremismus" mit elf Prozent auf Rang zwei hinter "zu lange dauernden Entscheidungsprozessen" (13 Prozent).

Dem populistischen Grundgedanken, die Mächtigen in der Gesellschaft handelten zum Nachteil der "einfachen Bevölkerung" stimmen in Rheinland-Pfalz allerdings mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Einwohner und Einwohnerinnen zu.

Populismus baut auf Feindbilder und Ängste

Auch in Rheinland-Pfalz ist Populismus Teil politischer Debatten, vor allem im Netz. Zwei Beispiele: AfD-Bundestagsmitglied Roger Beckamp schrieb in einem Facebook-Post im Dezember 2022 "Ausland kassiert #Ahrtal friert". Das "eigene Volk" im Ahrtal werde also von der Regierung verraten, weil sie Gelder ins Ausland gibt. Auch ein Instagram-Beitrag des BSW Rheinland-Pfalz mit der Schlagzeile "Vorauseilender Gehorsam? Grüne wollen aufrüsten, bis es kracht!" spielt mit populistischer Sprache, es wird verkürzt und zugespitzt.

Populismus auf Bundesebene
Deutschlandweit gehören populistische Aussagen zum festen Handwerkszeug vieler Politiker. Aussagen von Alice Weidel (AfD) im Bundestag über "alimentierte Messer-Männer" und "Kopftuch-Mädchen", die den Sozialstaat gefährden würden, Sahra Wagenknecht, die "die Politik" dafür kritisiert, die Probleme der Bürgerinnen und Bürger nicht zu lösen und teils nicht einmal zu kennen sind nur zwei von vielen Beispielen populistischer Sprache aus der jüngeren Bundespolitik. In Bundestagsreden wird regelmäßig von Politikern der Opposition das Bild einer elitären, vom Volkswillen abgewandten Bundesregierung bedient, unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Auch Markus Söder (CSU) emotionalisiert stark, wenn er vom Drohszenario einer "zwanghaften Veganisierung Deutschlands" spricht. Par Excellence verkörpert diese Aussage von Hubert Aiwanger, dem bayerischen Wirtschaftsminister, das populistische Sprachschema: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende, große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss."

Populismus tritt dabei oft gegen marginalisierte Gruppen nach unten, beispielsweise gegen Migranten, Queere oder Bürgergeldempfänger. Nicht selten wird dabei ein Drohszenario gezeichnet. Ein Beispiel dafür ist dieses Wahlplakat der AfD:

Auf einem AfD-Wahlplakat steht "Remigration ist Heimatschutz".

Auf einem AfD-Wahlplakat steht "Remigration ist Heimatschutz". Damit betont die Partei, dass sie ein "geschütztes Deutschland" an der Anzahl an Menschen mit Migrationshintergrund festmacht.

Linker und rechter Populismus schließen sich nicht aus

Populistische Denkweisen und Aussagen gibt es also sowohl links als auch rechts im politischen Spektrum. Linker Populismus fokussiert sich auf die Feindbilder Globalisierung, Kapitalismus und Finanzelite. Für rechten Populismus sind in der Regel die EU, Zuwanderung und Pluralismus die Probleme. Gemein haben beide Ausrichtungen des Populismus, weniger alle überzeugen zu wollen, als viel mehr den eigenen Anhängern das Gefühl zu geben, auf der richtigen Seite zu stehen.

Guter Populismus?

In der Politikwissenschaft wird zwischen dem Kommunikationsstil Populismus und Populismus als Ideologie unterschieden. Wenn Politiker-Aussagen in Medien als populistisch bezeichnet werden, geht es vor allem um den Kommunikationsstil. Dieser wird nicht von allen Politikwissenschaftlern per se als demokratieschädlich angesehen. Laut Arzheimer kann er sogar helfen, Menschen, die sich bisher nicht politisch beteiligt haben zu aktivieren und neue Themen in den Diskurs einzubringen.

Es ist in einer Volksherrschaft total legitim, dass man Eliten scharf kritisiert. Populistische Akteure sind da nicht immer schlecht. Univ.-Prof. Dr. Kai Arzheimer, JGU Mainz

Populistische Aussagen erkennen und drauf reagieren

Wenn von "dem Volk" gesprochen wird, dessen einhelliger Wille nicht gehört werde, sollten die Alarmglocken angehen, sagt Arzheimer. Denn "natürlich gibt es 'das Volk', aber wie realistisch ist es, dass alle einer Meinung sind?" Schwieriger sei es im Alltag mit Populismus umzugehen. Es könne hilfreich sein, sachlich die Aussagen des Gegenüber zu hinterfragen. Wenn aber auch das nicht mehr funktioniert, sondern rein emotional regiert wird. Dann, so Arzheimer, bleibe als letzte Möglichkeit manchmal nur noch das Gespräch abzubrechen, "damit man sich nicht die Köpfe einhaut".