Geöffnete Wahlbriefumschläge liegen vor der Stimmauszählung neben einem Wahlhelfer auf dem Boden.

Mutmaßliche Wahlfälschung LKA Sachsen übernimmt Wahlzettel-Ermittlungen

Stand: 03.09.2024 16:36 Uhr

Die Landtagswahl in Sachsen wird von mutmaßlichen Betrugsversuchen in Dresden überschattet. In Dresden und Radeberg sind laut Polizei etwa 130 Wahlzettel manipuliert worden. Ob es weitere Fälle gibt, wird noch geprüft. Das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen.

Von MDR SACHSEN

Nach der Landtagswahl in Sachsen sind laut Polizei etwa 130 manipulierte Stimmzettel festgestellt worden. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der Wahlfälschung übernommen.

Zunächst waren in mindestens zwei Dresdner Wahlkreisen manipulierte Stimmzettel aufgetaucht. Das teilte die Polizei in Dresden mit. Unbekannte hätten jeweils das von Briefwählern gesetzte Kreuz überklebt und stattdessen die rechtsextreme Partei "Freie Sachsen" angekreuzt. Von der Manipulation seien etwa 100 Stimmzettel betroffen, hieß es. Zwei manipulierte Stimmzettel wurden demnach sichergestellt.

Wahlbetrug in Sachsen? LKA ermittelt

Briefwahlbezirke in Dresden-Langebrück betroffen

Über die Unregelmäßigkeiten habe die Landeshauptstadt Dresden die Polizei am Montag informiert. Polizeisprecher Thomas Geithner sagte MDR SACHSEN, betroffen seien vor allem Briefwähler aus Langebrück.

Ob ein Einzeltäter dafür verantwortlich ist oder es ein systematisches Vorgehen gab, sei noch unklar. Infrage kämen zum Beispiel Briefträger oder Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen. Die Ermittlungen stünden aber noch am Anfang. Von den Manipulationen betroffen sind laut Geithner "sehr viele Parteien" querbeet durch die Parteienlandschaft. Die Wahlprüfung bei der Stadt läuft noch bis Donnerstag.

Wo landen eigentlich die Stimmzettel nach der Wahl?

  • Nach der Wahl werden die Stimmzettel nicht einfach weggeworfen. Sie werden geordnet, gebündelt und sicher verwahrt. Dafür gelten Fristen, die genau in der Landeswahlordnung geregelt sind. 
  • Wählerverzeichnisse, Wahlscheinverzeichnisse und Formblätter mit Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge sind nach Ablauf von sechs Monaten seit der Wahl zu vernichten. Das gilt nicht, wenn der Landeswahlleiter mit Rücksicht auf ein schwebendes Wahlprüfungsverfahren etwas anderes anordnet oder sie für die Strafverfolgungsbehörde zur Ermittlung einer Wahlstraftat von Bedeutung sein können.
  • Alle übrigen Wahlunterlagen sind 60 Tage vor der Wahl des neuen Sächsischen Landtags zu vernichten, also in fünf Jahren. Sie können auf Anordnung der Landeswahlleitung auch eher weg oder länger aufbewahrt werden, wenn wegen einer Wahlstraftat ermittelt wird.


Quelle: §77 und §78 Landeswahlordnung vom 20. April 2023, REVOSax Landesrecht Sachsen - Landeswahlordnung – LWO

Weitere Manipulationen in Dresden und Radeberg

Später sind laut Polizei weitere Manipulationen festgestellt worden. So liegen der Dresdner Polizei 14 Stimmzettel aus zwei Wahlbezirken des Kreises Radeberg vor, bei denen Unbekannte ebenfalls das von Briefwählern gesetzte Kreuz auf dem Stimmzettel überklebt und durch ein Kreuz bei der Partei "Freie Sachsen" ersetzt haben.

Zudem sind weitere 17 manipulierte Stimmzettel aus unterschiedlichen Dresdner Wahlkreisen hinzugekommen, sodass sich die Gesamtzahl auf etwa 130 Stimmzettel erhöht hat.

Politikwissenschaftler: Briefwahlbezirk schon bei Kommunalwahl auffällig

Recherchen von Politikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der TU Dresden zeigen auch Auffälligkeiten bei den Abstimmungsergebnissen der Kommunalwahl im Juni 2024 in den betreffenden Briefwahlbezirken in Langebrück (36011 und 36012). Die "Freien Sachsen" erreichten demnach in einem der beiden Wahlbezirke 14 Prozent, wohingegen sie in anderen Dresdner Bezirken höchstens zwei Prozent bekommen hätten. "Dabei verteilen sich die Stimmen punktuell auf einzelne 'Freie Sachsen'- Kandidaten, während die anderen einstellige Ergebnisse haben," so die Dresdner Wissenschaftler.

Auch bei den Ortschaftsratswahlen im Juni konnte die rechtsextreme Kleinstpartei 13,4 Prozent der Stimmen in dem von Betrug betroffenen Wahlbezirk verzeichnen, ein Kandidat der "Freien Sachsen" kam damit in den Ortschaftsrat.    

Die Kleinstpartei "Freie Sachsen" wird genau wie die AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Sie erreichte bei der Landtagswahl 2,2 Prozent und ist nicht im Sächsischen Landtag vertreten.

MDR (kbe/elo)/dpa

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell am 03. September 2024 um 19:30 Uhr.