Sachsen Acht mutmaßliche Rechtsterroristen in Sachsen und Polen festgenommen
Sie nannten sich "Sächsische Separatisten" und hegten Umsturzpläne: Am Dienstag haben Ermittler eine rechtsextremistische Gruppierung zerschlagen und acht junge Männer festnehmen lassen. Sie sollen für den Häuserkampf trainiert und Pläne geschmiedet haben, nach einem Umsturz aus ihrer Sicht unerwünschte Menschen "zu entfernen". Durchsuchungen in mehreren europäischen Ländern dauerten den Dienstag über an. Unter den Festgenommenen soll auch der AfD-Stadtrat Kurt Hättasch aus Grimma sein.
Die Bundesanwaltschaft hat am frühen Dienstagmorgen acht Männer und Jugendliche in verschiedenen Orten in Sachsen und Polen festnehmen lassen. Wie der Generalbundesanwalt mitteilte, werden die Beschuldigten dringend verdächtigt, einer inländischen terroristischen Vereinigung anzugehören.
Die Festnahmen erfolgten demnach in und um Leipzig, in Dresden, im Landkreis Meißen sowie - im Falle des mutmaßlichen Rädelsführers - im polnischen Zgorzelec, der Nachbarstadt von Görlitz. Alle Beschuldigte sind deutsche Staatsbürger, wie der stellvertretende Sprecher der Bundesanwaltschaft, Michael Ramöller, MDR SACHSEN sagte.
Sechs Tatverdächtige in U-Haft
Bis zum Dienstagabend wurden laut Bundesanwaltschaft sechs der acht Männer in Untersuchungshaft genommen. Einer von ihnen konnte demnach wegen einer Verletzung nicht nach Karlsruhe gebracht werden. Der andere befinde sich noch in Polen, wo er festgenommen worden war. Alle Beschuldigten sollen am Dienstag und Mittwoch dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.
Vier der Festgenommenen sind den Angaben zufolge Jugendliche beziehungsweise Heranwachsende. Der Älteste von ihnen ist nach dpa-Informationen 25 Jahre alt.
AfD-Stadtrat aus Grimma angeschossen
Durchsuchungen gab es auch in Grimma und Brandis. Nach Information des MDR ist unter den Festgenommenen auch der AfD-Stadtrat Kurt Hättasch aus Grimma. Zuerst hatte die "Leipziger Volkszeitung" berichtet.
Hättasch ist Mitglied des AfD-Kreisverbandes Leipziger Land und offenbar bei der Festnahme durch Schusswaffeneinsatz verletzt worden. Nach offiziell noch unbestätigten Angaben aus Sicherheitskreisen sei der AfD-Lokalpolitiker am Dienstagmorgen bei der Razzia mit einer Langwaffe vor die Polizeibeamten getreten. Ein Beamter habe daraufhin zwei Warnschüsse abgegeben, hieß es. Der Beschuldigte habe einen Bruch am Kiefer erlitten und werde operiert. Wie es zu der Verletzung kam und weitere Details zu dem Zwischenfall sollen Zeugenvernehmungen klären.
Der sächsische AfD-Landesverband wieß jegliche Verbindung zu der betroffenen Gruppierung zurück. "Wir kennen nur die bisherigen Presseberichte zu diesem Vorgang. Unsere Partei steht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung", sagte AfD-Sprecher Andreas Harlaß der Deutschen Presse-Agentur. Die AfD verbinde demnach weder inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas mit einer solchen mutmaßlich neonazistischen "Separatistengruppierung".
Betroffenheit im Rathaus Grimma
Ute Kabitzsch, Beigeordnete der Stadt Grimma, zeigte sich von den Vorkommnissen überrascht. "Die aktuellen Verdachtsfälle auf eine mögliche Beteiligung an einer rechtsextremistischen Vereinigung erfüllen uns mit großer Betroffenheit. Dass ein Stadtratsmitglied in diesen Zusammenhang geraten könnte, war völlig unvorhersehbar", schrieb sie in einem Statement auf der städtischen Internetseite. Angesichts der Schwere der Vorwürfe nehme die Stadt die Situation sehr ernst, hieß es weiter.
Dass ein Stadtratsmitglied in diesen Zusammenhang geraten könnte, war völlig unvorhersehbar. Ute Kabitzsch | Beigeordnete Große Kreisstadt Grimma
Drohnenflüge über Hättaschs Grundstück in Grimma
Unterdessen wurden am Grundstück von Hättasch in einem abgelegenen Ortsteil von Grimma offenbar weitere Durchsuchungen auf dem Gelände vorbereitet. Beamte flogen das Grundstück mit einer Drohne ab und begannen mit Vermessungsarbeiten.
Die sächsischen Sicherheitsbehörden verwiesen wegen mehr Informationen an die Generalbundesanwaltschaft, wo das Verfahren geführt wird. Die wollte sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen jedoch nicht zu Details äußern.
Auch in Grimma waren Einsatzkräfte wegen der "Separatistischen Sachsen" aktiv.
Beschuldigte gehören "Sächsischen Separatisten" an
Die Beschuldigten gehören den Angaben der Bundesanwaltschaft zufolge "einer spätestens im November 2020 gegründeten Vereinigung an, die sich selbst 'Sächsische Separatisten' nennt". Hierbei soll es sich um eine aus 15 bis 20 Personen bestehende militante Gruppierung handeln, deren Ideologie von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt sei. Ihre Mitglieder verbindet den Angaben zufolge "eine tiefe Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland".
Aus Sicht der Vereinigung stehe "außer Zweifel, dass Deutschland vor dem 'Kollaps' steht und an einem, wenngleich zeitlich noch unbestimmten 'Tag X' der staatliche und gesellschaftliche Zusammenbruch eintreten wird", hieß es weiter von den Ermittlern.
Gruppierung will Gebiete "mit Waffengewalt erobern"
Bei dieser Gelegenheit, so die Bundesanwaltschaft, "möchte die Gruppierung mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern erobern, um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten". In diesem Zusammenhang sei geplant, "unerwünschte Menschengruppen (...) notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend zu entfernen".
Zu diesem Zweck hätten die Beteiligten paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung absolviert. Dabei wurden laut Ermittlern "insbesondere der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge eingeübt". Ferner habe sich die Gruppe militärische Ausrüstungsgegenstände, etwa Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten, beschafft.
Durchsuchungen auch in Österreich
Insgesamt wurden rund 20 Objekte durchsucht. Neben den mehr als 450 Einsatzkräften in Deutschland, waren auch Beamte in Österreich im Einsatz. Dabei seien auch Räumlichkeiten von "nichttatverdächtigen Personen", darunter welche in Wien und im österreichischen Bezirk Krems-Land, durchsucht worden, hieß es weiter.
Bei zwei der Beschuldigten soll es sich nach MDR-Informationen um die Söhne eines österreichischen Rechtsextremisten mit jahrzehntealten Verbindungen ins rechtsextreme Milieu handeln.
Durchsuchungen im Auftrag der Bundesanwaltschaft dauerten den Dienstag über an. (Archivbild)
Justizminister Buschmann lobt Ermittler
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte: "Es ist ein großer Erfolg, dass es dem Generalbundesanwalt und den Sicherheitsbehörden gelungen ist, diese ungeheuerlichen Pläne aufzudecken und die Verantwortlichen festzunehmen."
Gleichzeitig mahne dieser Ermittlungserfolg abermals an: "Unser Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung werden von vielen Seiten bedroht."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte: "Dass der Umgang mit Waffen trainiert und militärische Ausrüstung beschafft wurde, zeigt, wie gefährlich diese Rechtsextremisten sind." Sie verwies auf die frühzeitige Aufklärung über die Gruppe durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Bundesinnenministerin Faeser meinte, dass das Training mit Waffen zeige, wie gefährlich die Gruppe sei. (Archivbild)
Schuster betont Bedeutung von Nachrichtendiensten
Der Sächsische Staatsminister des Innern, Armin Schuster (CDU), bezeichnete die Durchsuchungsmaßnahmen und Festnahmen der Bundesanwaltschaft als "harten Schlag gegen militante Rechtsextremisten". Er zeige, wie wichtig starke Nachrichtendienste angesichts der aktuellen Bedrohungslage sind. Den Radarschirmen unserer Verfassungsschutzämter sei es zu verdanken, dass sich diese militante rechtsextreme Gruppe nicht zu einer Terrorgruppe radikalisieren konnte.
Sachsens Innenminister Armin Schuster sagte nach den Festnahmen, es sei dem Verfassungsschutz und den Nachrichtendiensten zu verdanken, dass "sich diese militante rechtsextreme Gruppe nicht zu einer Terrorgruppe radikalisieren konnte". (Archivbild)
MDR (lam/wim/ost)/dpa