Ein Skispringer springt von der Forstenschanze in Spitzkunnersdorf.
Beste Bedingungen zum Skispringen herrschen an der Forstenschanze. Schnee wird nicht vermisst, der fiel hier in den letzten Jahren eh nicht so richtig. Bildrechte: TSV 1861

Forstenschanze Fliegen wie Eddie the Eagle: Skispringen in der Oberlausitz

22. August 2024, 05:00 Uhr

Alles ist möglich. Das bewies der britische Skispringer "Eddie the Eagle" schon 1988. Er war kein Ausnahmetalent und sprang trotzdem bei den Olympischen Winterspielen in Calgary. Der damals einzige Skispringer aus Großbritannien wurde weit abgeschlagen Letzter, erzielte aber mangels Heimkonkurrenz britische Rekordweite. Und die Fans feierten ihn. Eddie inspiriert viele mit seiner Beharrlichkeit - bis heute. Der Wintersportverein in Spitzkunnersdorf verdankt ihm den jüngsten Nachwuchs.

Ein "Schanze frei!" schallt den Hang hinunter und schon surren die Ski. Es kommt der Absprung, die fünf Jahre alte Paula Staritz fliegt durch die Luft, landet gekonnt und schlittert aus. Ihr folgt der Zwillingsbruder Paul an der Mini-Schanze. Sein Rekord liegt bei zwei Metern. Die Sportbiografie aus dem Jahr 2016 über den Skispringer Michael Edwards, weltweit bekannt als "Eddie the Eagle", habe ihn so begeistert, dass er unbedingt Skispringen wollte, verrät seine Mama, Antje Staritz.

Skispringen auf der Forstenschanze
Friedhart Seidel war mehr als 60 Jahre aktiver Skispringer. Jetzt mit 73 trainiert er den Nachwuchs und gibt Paula Staritz an der Mini-Schanze Tipps. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Gesprungen wird am Berg Forsten in Spitzkunnersdorf auf Matten. Schnee vermisst keiner. "Wir fahren auf Wasser", sagt der kleine Paul und zeigt auf ein Rohr, das die Bahn bewässert. "Das ist da, damit der Friedel nicht die ganze Zeit die Schanze gießen muss."

Skispringen auf der Forstenschanze
Die Zwillinge Paula (li.) und Paul Staritz gehören zu den Jüngsten in der Wintersportabteilung. Auch beim Mattenspringen müssen sie Skianzug tragen, einen Helm sowieso. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Matten sicherer als Schnee

Der Friedel - gemeint ist Friedhart Seidel - trainiert die Kleinsten und leitet seit vielen Jahren die Abteilung Wintersport des TSV 1861 Spitzkunnersdorf. Mit Stolz blickt der 73 Jahre alte Oberlausitzer auf die vier Sprungschanzen am Forsten. Der höchste Turm misst 20 Meter. Da könne man bei der Abfahrt durchaus 60 Kilometer pro Stunde erreichen. Eine adrenalingeladene Beschleunigung, um sich dann vom sogenannten Schanzentisch für einen weiten Sprung abzustoßen. "Der Schanzenrekord liegt bei 46 Metern", sagt Seidel.

"Wenn wir die Matte nicht hätten, gäbe es uns schon lange nicht mehr."

Friedhart Seidel Skisprungtrainer und scheidender Vereinschef

Skispringen auf der Forstenschanze
Wozu Schnee? Das Mattenspringen ist viel sicherer, findet Friedhart Seidel. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Warum Mattenspringen sicherer ist

Seit 1969 kann man auf der Forstenschanze auf Matten springen. Ohne diese Matten würde die Wintersportabteilung schon lange nicht mehr existieren, sagt der Vereinschef. Die Spuren würden gewässert. Das Mattenspringen sei weniger rutschig und daher sicherer als der Schnee. Zudem spare man sich tagelanges Präparieren. In den vergangenen Jahren habe es sowieso nicht die notwendige Schneemenge gegeben, blickt der Trainer zurück.

Während beim Profisport mit 30 die Karriere so langsam endet, kennt Skispringen im Breitensport keine Altersgrenzen. "Ich habe mit 70 Jahren mit dem Skispringen aufgehört", sagt Seidel. Das war 2021. Damals zelebrierte der Spitzkunnersdorfer seinen letzten Sprung bei den Deutschen Meisterschaften der Senioren.

Ich habe mit 70 Jahren mit dem Skispringen aufgehört.

Friedhart Seidel Skisprungtrainer und scheidender Vereinschef

Skispringen auf der Forstenschanze
Anton Worbs und Leon Reckziegel (v.li.) springen von der großen Schanze. Für die Jugendlichen ist es ein cooler Sport. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Volle Konzentration vor dem Absprung

Auf der Schanze der Minis endet das Training, der Wasserhahn wird zudreht. Unterdessen wachst der 17-jährige Leon Reckziegel seine Ski für den nächsten Sprung vom großen Turm. Er geht im Kopf noch einmal den Ablauf durch: die Arm- und Beinhaltung, die Lage seines Körperschwerpunktes. Sein Vater war auch Skispringer, erzählt der Jonsdorfer. Als sich beide mal einen Wettkampf ansahen, fand Leon das so "cool", dass er auch mit dem Sport anfing.

"Es macht einfach Spaß", bestätigt sein Kumpel Anton Worbs. Der jetzt 16-Jährige hat mit vier Jahren mit Skispringen angefangen. Mittlerweile ist sein weitester Sprung hier am Forsten 41,5 Meter. Dazu braucht er 40 bis 50 Kilometer pro Stunde im Anlauf, schätzt der Großschönauer.

Skispringen auf der Forstenschanze
Martin Wagner hat Leons Sprung gefilmt. Er sieht sich Sequenz für Sequenz an, um genau sagen zu können, wo die Technik nicht stimmt. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Beim Skisprung geht es ums Detail

An der Forstenschanze trainiert Martin Wagner die Wintersportler: "Beim Sprung kommt es auf jedes Detail an, deswegen filme ich alles mit dem Tablet", erklärt er. Der 28-Jährige ist im Winter bei Weltcup-Veranstaltungen viel als Vorspringer unterwegs und springt dort von den ganz großen Schanzen.

Beim Sprung kommt es auf jedes Detail an, deswegen filme ich alles mit dem Tablet.

Martin Wagner Skisprungtrainer

"Wir fahren als Vorspringer für die Profis die Spur ein, damit die von Anfang an schnell ist", erklärt der Spitzkunnersdorfer. Dabei bekomme er auch die neuen Trends bei Material und Technik mit, die er an der Forstenschanze weitergeben könne.

Skispringen auf der Forstenschanze
Für Martin Wagner ist der Blick vom Schanzenturm kein großes Ding. Er springt auch von viel höheren Schanzen. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Vereinsleitung geht an jüngere Generation

Weitergeben ist gerade ein wichtiges Thema im Verein: Friedhart Seidel gibt nach langen Jahren die Leitung der Wintersportabteilung in junge Hände ab. Das wurde gut vorbereitet. So hat der Skispringer Joshua Gedlich ein halbes Jahr lang Vereinsmanagement gepaukt und erfolgreich im März seine Lizenz erworben. Zu seiner Motivation sagt der 29-Jährige und künftige Vereinsmanager: Er wolle den Kindern in der Oberlausitz die Möglichkeit geben, unbeschwert Sport zu machen und auf der Forstenschanze groß zu werden.

Porträt eines lächelnden Mannes
Joshua Gedlich hat die Lizenz zum Vereinsmanager erworben, um seinen Heimatverein gut zu leiten. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Vereinsjubiläum am 24. August

Die Leitung der Abteilung soll künftig auf mehrere Schultern verteilt sein. Tatkräftige Unterstützung erhält Joshua Gedlich von seinem Bruder Aaron, sowie von den Skispringerkollegen Marcel Heinrich und Martin Wagner. Die feierliche Schlüsselübergabe für den Schanzenturm und das Vereinshaus ist am Sonnabend, 24. August, geplant. Dann lädt der Verein zum Jubiläumsspringen anlässlich seines 70-jährigen Bestehens nach Spitzkunnersdorf ein. Ab Mittag können Gäste den Skispringern zusehen, für den Abend ist Live-Musik angekündigt.

Skispringen auf der Forstenschanze
Anlässlich des Vereinsjubiläums geht die Leitung der Wintersportabeilung offiziell an die nächste Generation. Zum neuen Chefteam gehören Marcel Heinrich, Aaron Gedlich und Martin Wagner (v.li.). Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

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