Rathaus-Partys Kritik an Dresdens Oberbürgermeister Hilbert: Das sind die Vorwürfe
Hauptinhalt
16. November 2023, 17:07 Uhr
Der Oberbürgermeister der sächsischen Landeshauptstadt Dresden hat Partys für junge Menschen veranstalten lassen. Die Vergabe der Aufträge für die Veranstalter lassen den Eindruck entstehen, dass ein politischer Freund von OB Dirk Hilbert (FDP) profitiert hat. Er widerspricht dem.
Aktuelle Nachrichten des Mitteldeutschen Rundfunks finden Sie jederzeit bei mdr.de und in der MDR Aktuell App.
- An der Vergabe der Rathaus-Partys der Stadt Dresden gibt es massive Kritik.
- Vergeben wurde die Ausrichtung der Partys an einen politischen Unterstützer des Oberbürgermeisters Hilbert.
- Hilbert bewertet die Partys im Nachhinein als Erfolg.
Es war im April 2018, als das Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Dresden fünf lokale Agenturen anschrieb. "Der Oberbürgermeister bittet um Erstellung eines Konzeptes für eine 18er Party", heißt es in dem Schreiben, das die Stadt veröffentlicht hat. Die Idee dahinter: Dresdner, die bis zu einem Stichtag im September eines Jahres 18 Jahre alt geworden sind, sollten mit der Stadtverwaltung in Kontakt kommen und das bei einer Party - tanzen und feiern bis in den Morgen im Rathaus der Stadt. Keine neue Idee, andere Großstädte hatten das auch schon so veranstaltet.
Wie lief die Vergabe der Aufträge für die Party?
Doch was in Dresden nun kritisiert wird, ist die Vergabe des Partyauftrags. Das Verfahren nennt sich Angebotsabforderung. Dort heißt es weiter: "Ziel ist die Erarbeitung einer Konzeption für die 18er Party, die organisatorische Vorbereitung sowie die Durchführung der Veranstaltung." Nicht nur konzipieren, sondern auch durchführen. Die angeschriebenen Agenturen mögen doch bitte, so heißt es in dem Schreiben, eine inhaltliche und organisatorische Konzeption vorlegen, ein Sicherheitskonzept sowie ein Cateringkonzept und ein Technikkonzept. Am 25. April 2018 sollten die interessierten Agenturen ins Rathaus kommen und sich die Räume anschauen. Angebotsabgabe sollte der 25. Mai 2018 sein. Insgesamt durfte die Party 100.000 Euro kosten.
Doch Angebote gibt es dann nur eines, von einer Bietergemeinschaft, die Eventagentur Schröder und die Agentur Aust wollten den Auftrag haben. Die anderen Agenturen hatten kein Angebot abgegeben. Beide Agenturen sind Geschäftspartner und betreiben gemeinsam das Dresdner Stadtfest. Die Agentur Schröder gehört Frank Schröder, einem Freund von Oberbürgermeister Dirk Hilbert. Schröder zählt zu den politischen Unterstützern des Oberbürgermeisters und war jahrelang im Verein "Unabhängige Bürger für Dresden e.V." engagiert. Ein Verein, der den FDP-Politiker Hilbert zur Oberbürgermeister-Wahl 2015 und 2022 vorgeschlagen hatte. Der Wahlkampf 2022 wurde von der Agentur Schröder unterstützt.
…und da wehre ich mich vehement dagegen. Wenn Menschen, die sich gesellschaftlich engagieren und egal für wen und für was, ausgeschlossen sind von öffentlichen Aufträgen, das ist ja verheerend.
Freihändige Vergabe und freiberufliche Tätigkeit
Die Stadt vergibt den Auftrag dann an die Bietergemeinschaft Schröder/Aust. Im Nachhinein begründet Dresden die Vergabe damit, dass es sich bei der zu erbringenden Leistung um eine freiberufliche Tätigkeit handele und deswegen müsse die Leistung weder öffentlich ausgeschrieben werden, noch gelte die "Vergabe- und Vertragsordnung". Diese Verordnung gelte ja nicht für freiberufliche Tätigkeiten. Außerdem sei ja, ein weiteres Argument der Stadtverwaltung, die Leistung nicht so genau zu beschreiben und deswegen könne man freihändig vergeben.
Wenn die Leistung ausgeschrieben worden wäre, dann hätte sich ein Vergabeausschuss die Angebote angesehen, ohne Ausschreibung schaut nur die ausschreibende Stelle auf die Regelung. Da die Ausschreibesumme unter EU-Grenzen blieb, sei nur nationales Recht anzuwenden und da müsse die Kommune das Haushaltsrecht beachten.
Party deutlich teurer als vorgesehen
Doch die Begründung der Stadt hat ein paar Haken und vielleicht hat sich die Verwaltung die Begründung - vorsichtig formuliert - zurechtgebogen. Wer Freiberufler ist, definiert das Einkommenssteuergesetz: Ärzte, Steuerberater, Lotsen. Agenturbetriebe finden sich hier nicht. Werbung wäre möglicherweise noch eine freiberufliche Tätigkeit. Doch alle angeschriebenen Agenturen haben als Rechtsform die GmbH und dürften Gewerbebetriebe sein.
Und ab hier greift die Begründung der Stadt dann nicht mehr. Wenn Gewerbebetriebe untereinander im Wettbewerb stehen, dann gilt wieder die Vergabe- und Vertragsordnung, die die Stadt nicht anwenden wollte.
Am Ende kostet die Party vom 7. September 2018 nicht 100.000 Euro wie ausgelobt, sondern 143.016,46 Euro. Davon gingen an die Eventagentur Schröder GmbH:
- 12.197,50 Euro - Konzept
- 33.320,00 Euro - Künstlerpaket
- 45.903,77 Euro - Technik, Möbel, Eventmodule
- 30.115,33 Euro - Sicherheit
Der Rest verteilte sich in unterschiedlicher Höhe auf Kontrollbänder, Ticketversand oder auch Getränkegutscheine in Höhe von 4.507 Euro für ca. 2.300 Gäste.
Stadt Dresden schreibt wieder dieselben Agenturen an
Ein Erfolg seien diese Veranstaltungen, bewertet Oberbürgermeister Hilbert das im Nachhinein im Interview mit dem MDR. Die Stadt schreibt trotz des eher mäßigen Rücklaufs bei der Vergabe wieder genau die fünf selben Dresdner Agenturen im Folgejahr an und bittet um fast dasselbe Konzept von den Agenturen. Und wieder stehen 100.000 Euro zur Verfügung. Es gibt aber eine wesentliche Neuerung. Wer den Zuschlag für die Fete 2019 bekommt, darf die Party auch 2020 durchführen.
Wieder bewirbt sich nur die Bietergemeinschaft Schröder/Aust und wieder erhält sie den Zuschlag für 2019 und 2020. Die Party 2020 wird dann ins Jahr 2022 verschoben, aber die Optionsregel aus der Vergabe gilt trotzdem.
Die Kosten für die Party steigen 2019 moderat an. Wieder bekommt die Eventagentur Schröder den größten Anteil der Zahlungen. Aber auch die DDV-Mediengruppe erhält nach Angaben der Stadtverwaltung 7.663,36 Euro für Marketing, Videodokumentation und Instagram.
Im Jahr 2022 steigen nach der coronabedingten Pause der Party die Kosten auf 189.717, 17 Euro. Dabei gehen für das Künstlerpaket rund 59.000 Euro an die Eventagentur Schröder, 2019 waren das noch 34.000 Euro. Wie da kalkuliert wurde, sagt die Stadt nicht.
Nachtschicht 18: Ausschreibung 2023 öffentlich
Für das Jahr 2023 beschließt die Verwaltung der Stadt, die Party Nachtschicht 18 öffentlich auszuschreiben. Für dieses Jahr gewinnt ein anderer Anbieter, die Agentur DNR6-MGMT. Die Kosten sinken jetzt wieder. Vor allem das Künstlerpaket ist für das Jahr 2023 günstiger ausgefallen.
Eine Interviewanfrage unter anderem zu den Aufträgen hat die Agentur Schröder nicht beantwortet. Geäußert hat sich Agenturchef Frank Schröder in der Sächsischen Zeitung. Sinngemäß heißt es dort, seine Agentur sei auf Sicherheitskonzepte spezialisiert, die lokale Konkurrenz nicht. Bewachungsfirmen sind keine freien Berufe, genauso wie Technik oder Catering. Wie es zu dieser Art von Vergabe kam, soll nun möglicherweise das örtliche Rechnungsprüfungsamt betrachten. Die Kommunalaufsicht, die Landesdirektion, hat bisher keinen Grund gesehen, die Vergaben zu prüfen.
Über die MDR-Recherche
Dieser Artikel ist im Rahmen eines neuen Investigativ-Teams des Mitteldeutschen Rundfunks entstanden, in dem Journalistinnen und Journalisten aller drei Landesfunkhäuser (MDR SACHSEN-ANHALT, MDR THÜRINGEN, MDR SACHSEN) zusammenarbeiten. Ziel ist, regionale Kompetenzen zu stärken.
Recherche-Schwerpunkte sollen unter anderem Rechtsextremismus, organisierte Kriminalität und Korruption auf kommunaler Ebene sein. Bei Anregungen zu investigativen Themen erreichen Sie das neue Investigativnetzwerk MDR Recherche unter recherche@mdr.de
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 15. November 2023 | 21:45 Uhr