Sachsen Kunstdetektiv über 40.000-Euro-Betrüger: "Mit so einer kleinen Summe läuft in unserer Branche doch keiner davon"
Arthur Brand ist ein Kunstdetektiv aus Amsterdam. Der Niederländer hat nach eigener Angabe rund 200 gestohlene Kunstwerke aufgespürt. Auch nach dem Diebstahl aus dem Grünen Gewölbe wurde er kontaktiert. Ein Marcus gab sich als Diamantenhändler aus, behauptete, einen Teil der Beute erwerben zu können. Vertreter der Staatlichen Kunstsammlungen und Brand trafen ihn und gaben ihm 40.000 Euro. Die waren am Ende weg. Der Detektiv verteidigt den Deal und sagt, warum man Diebe mit Dieben fängt.
Frage: Herr Brand, wie nahm der vermeintliche Diamantenhändler 2021 Kontakt zu Ihnen auf?
Arthur Brand: Per E-Mail hat er gesagt: 'Ich weiß etwas über Dresden'. Ich solle ihn mal anrufen. Dann hat dieser Marcus erzählt, dass er schon seit 1985 im Diamant-Betrieb in Belgien beschäftigt sei. Ein Freund habe ihm erzählt, bei ihm seien zwei Tschetschenen mit Diamanten vorbeigekommen und hätten gefragt: "Können Sie die umschleifen? Da hat er gesagt: Nein, das könne er nicht. Aber sein Freund Marcus, der könne das. Marcus habe sich das angeschaut und verneint. Dann hätten die den Bruststern für 40.000 Euro angeboten.
Danach hat Marcus sich bei mir gemeldet. Er fragte: 'Können wir da etwas machen, um das zurückzuholen? Die fragen nach 40.000 Euro. Vielleicht wäre es möglich, dass ich die 40.000 Euro bekomme, das Stück zurückhole und dass wir dann weitergehen, um die Leute vielleicht zu verhaften oder die andere Stücke zurückzubekommen'.
Wir haben immer auf jemanden gewartet, der diese Diamanten anbieten würde. Es gab 40, 50 Telefonate von Leuten, die sagten, wir haben Stücke gesehen. Die wollten keine Polizei dabei haben. Sie sagten: 'Ich will fünf Millionen'. Dann weiß man: Das sind Betrüger.
Der Kunstdetektiv Arthur Brand hat schon viele Kunstwerke aufgespürt und kennt die Maschen der Kunstbetrüger. Bei einem Deal mit einem angeblichen Schmuckhändler, der wertvolle Diamten aus dem Grünen Gewölbe rückkaufen wollte, lag aber auch er falsch.
Und bei diesem Anruf war es anders?
Man kann niemals das Risiko auf Null reduzieren. Man versucht es aber. Das haben wir gemacht. Marcus hat gesagt: 'Das Geld werde ich in meinem Haus bekommen, dann wisst ihr, wo ich wohne, wo ich gemeldet bin. Die Polizei kann auch da sein'. Das hörte sich sehr gut an.
Es ging um 40.000 Euro. Das ist natürlich viel Geld, auch für mich ist es sehr viel. Im Vergleich zu 113,8 Millionen Euro Gesamtwert war es aber nicht so viel. Wir dachten: Niemand läuft mit 40.000 Euro davon und geht dafür vier, fünf Jahre in den Knast. Dann haben wir mit der Staatsanwaltschaft, der Polizei und den Leuten vom Museum darüber gesprochen. Wir fanden das Risiko akzeptabel. Das war ein guter Deal.
Ein Lehrer bekommt keine Informationen über geraubte Juwelen. Man hat mit Kriminellen zu tun. Wir hatten auch schon Mörder als Informanten. Arthur Brand | Kunstdetektiv aus Amsterdam
Wie meinen Sie das?
Das Wichtigste war, dass wir seinen Namen hatten, als er das Geld bekam. Wenn wir den Namen vorher gehabt hätten, was man normalerweise niemals hat, dann hätte sich nichts geändert, weil man es immer mit Kriminellen zu tun hat. Ein Lehrer bekommt keine Informationen über geraubte Juwelen. Man hat mit Kriminellen zu tun. Wir hatten auch schon Mörder als Informanten. Auch die Polizei klärt manchmal einen Mord mit anderen Mördern oder Kriminellen auf. Das ist normal. Man fängt Diebe mit Dieben.
Im Gerichtssaal im Landgericht Dresden sagte der Niederländer (re.) später, es sei einfach gewesen, die Expertenrunde mit SKD-Mitarbeitern in der Hotellobby zu betrügen.
Gab's noch andere Details, die überzeugten?
Ich bin mit Marcus im Diamantenviertel in Antwerpen rumgegangen und die Leute haben gesagt: 'Hey, Marcus, wie geht's dir?' Sein Name war bekannt. Ich dachte: "Ah, okay, er bringt mich zu Leuten, die ihn kennen und auch in sein Haus, zu seinen Nachbarn. So wusste ich, er wohnt hier. Marcus hat später in der Hotellobby mit den Leuten vom Museum geredet und so viele Dinge gesagt, dass auch die Museumsexperten dachten, er sitzt hier und weiß etwas über die Diamanten. Er wusste auch, dass die Polizei da ist.
- Mehr Details gibt es seit Montag, 18. November 2024, in der Exakt-Story "Die Beute der Remmos" in der ARD-Mediathek zu sehen.
Wie wirkte Marcus im Gespräch am 27. Dezember 2021 in der Lobby?
Er sah ein bisschen nervös aus. Das ist auch gut, wenn jemand nervös ist. Weil er hat gesagt: verhaftet mich nicht jetzt, dann geht es nicht gut. Diese Tschetschenen sollen mich nicht zusammen mit der Polizei sehen, weil laufe ich Gefahr. Das war alles völlig normal.
Wer hat entschieden, das durchzuziehen und ihm das Geld in bar zu geben?
Alle. Wir haben das alle zusammen entschieden. Wir saßen in der Hotellobby mit den Leuten vom Museum. Marcus hat eine halbe Stunde mit den Experten über diesen Diamanten gesprochen. Ich fragte: Was denkt ihr? Machen wir er es, machen wir es nicht? Alle haben mit einer Geste zugestimmt. Es gab vier Zeugen.
Wie und wo war dann die Geldübergabe?
Die Geldübergabe war in seinem Haus. Ich hatte das Geld dabei. Ich wusste, er ist dort eingeschrieben. Sein Name stand an der Tür. Da saß ich und dachte, der läuft nicht davon. Ich habe noch mal gesagt: 'Marcus, du läufst doch nicht davon?' Da hat er gezeigt, wie krank er ist - der ist wirklich krank - und hat zu mir gesagt: 'Arthur, die Polizei ist da - die deutsche'. Er dachte auch, dass die belgische Polizei da war. 'Ihr sitzt in meinem Haus. Wenn ich davonlaufe, dann habt ihr mich morgen. Ich gehe doch nicht vier, fünf Jahre in den Knast für 40.000 Euro!' Ich dachte: Nein, natürlich nicht. Wer würde das machen? Normalerweise niemand. Aber er hat das gemacht.
Das ist mir wichtig zu sagen: Morgen würde ich das wieder so handhaben. Das normale Publikum denkt vielleicht: Wie kann man jemandem 40.000 Euro geben, der damit dann davon läuft? Das gehört dazu. Jeder Polizist, jeder Privatdetektiv versteht diesen Fall. Einmal in 20 Jahren geht es schief. So einer Figur wie Marcus begegnet man nur in 1:100 Fällen.
Und dann?
Marcus sagte: 'Ich gehe jetzt zu diesem Laden, der heißt David.' Den hatte er mir vorher gezeigt. 'Ich kaufe für diese 40.000 Euro den Diamanten zurück. Und von da ab versuchen wir, näher an diese Leute zu kommen, die die Diamanten haben. Am Ende haben wir alle Stücke zurück. Vielleicht können wir diese Leute auch verhaften. Das sehen wir später. Wir müssen erst mal reinkommen.'
Ich wartete, rief ihn an, habe SMS und Mails geschickt. Er hat nicht reagiert. Ich war in Panik, habe der deutschen Polizei und den Leuten vom Museum gesagt, jetzt müssen wir die belgische Polizei anrufen, weil er nicht zurückkommt. Die Polizei und das Museum sagten: 'Nein, nein. Der läuft nicht weg. Das kann nicht sein. Wir warten noch ein bisschen.' Er kam nicht zurück. Nach einer Stunde dachte ich: Entweder er ist tot, das haben wir alle gedacht, dass er erschossen wurde, oder er ist davongelaufen. Wir konnten das nicht glauben. In unserem Fachgebiet passiert das niemals, dass jemand mit so einem kleinen Geldbetrag davon läuft.
Das passierte mit dem Betrüger Marcus (zum Aufklappen)
- Nachdem Marcus mit 40.000 Euro, die aus einer privaten Spendeninitiative stammten, untertauchte, wurde seine Identität zügig geklärt: Der vermeintliche Diamantenhändler war Schausteller aus Eindhoven und einschlägig vorbestraft.
- Als der Prozess zum Diebstahl aus dem Grünen Gewölbe 2022 in Dresden lief, saß er wegen anderer Vergehen in den Niederlanden in Haft. Er wurde nach Sachsen überstellt.
- Im Sommer 2023 gab der Angeklagte vor dem Landgericht Dresden den Betrug zu. Den Rückkauf der gestohlenen Juwelen aus dem Grünen Gewölbe habe er nur vorgetäuscht, um das Geld für sich zu behalten. Er wollte damit Privatschulden begleichen, die laut seiner Aussage eine Viertel Million Euro betrügen.
- Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren. Der Fake-Diamantenhändler wurde wegen gewerbsmäßigen Betruges zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt.
Der Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens (links) gehörte zu den Gegenständen, die die Polizei Ende 2022 in Berlin sichergestellt hat. Die Epaulette mit dem "Sächsischen Weißen" (re.) fehlt nach wie vor.
Haben Sie sich geärgert?
Ja, natürlich. Ich habe darüber mit Polizisten vielen Ländern gesprochen, mit denen ich zusammenarbeite. Die haben alle gesagt: In diesem Fall hätten wir es auch so gemacht. Jede Woche macht die Polizei irgendwo so einen Deal. Wissen Sie, die Polizei, das Museum, die haben das alles aus Liebe gemacht. Ich auch. Und wir haben das Risiko versucht zu reduzieren. Mehr kann man nicht machen. Wenn man kein Risiko eingeht, um etwas zu finden, dann findet man niemals etwas.
Hätte Sie die geringe Geldsumme nicht stutzig machen müssen?
So etwas geht immer gut aus, wenn man weiß, wer die Person ist. Das Schlimmste ist: Ich weiß jetzt, dass Marcus einen Komplizen hat. Den hatte er damals angerufen, während er mit mir zusammen war. Das heißt, die 40.000 Euro haben sie zu zweit geteilt. 20.000 Euro für Jahre im Knast.