Mehrere Autos sind stark beschädigt worden - wohl von Dachbalken, die von einem Neubaublock geweht wurden.

Sachsen Sturmschäden in Gröditz: Superzelle mit Fallböe wahrscheinlich

Stand: 20.06.2024 12:01 Uhr

Über Teile Sachsens sind am Dienstag Gewitter und Unwetter hinweggezogen. Im Landkreis Meißen lösten Windböen zahlreiche Einsätze aus. Beträchtliche Sturmschäden gab es in Gröditz. In Dresden ringen Ärzte um das Leben eines Mannes, der vom Baum getroffen und schwer verletzt wurde. Reparaturarbeiten laufen an der Bahnstrecke zwischen Berlin und Dresden.

Von MDR SACHSEN

Im Landkreis Meißen hat ein Unwetter am Dienstag erhebliche Schäden verursacht. Nach ersten Untersuchungen des Deutschen Wetterdienstes handelte es sich bei dem Wetterphänomen in Gröditz um eine sogenannte Superzelle. Das sei eine Art rotierendes Gewitter, das nicht nur großen Hagel, sondern auch Orkanböen und Tornados hervorbringen könne. Nach Sichtung von Radarbildern deute derzeit viel darauf hin, dass die Ursache für die Schäden geradlinige Winde, sprich Fallböen, gewesen seien. "Zudem liegen uns auch keine Aufnahmen eines Tornados vor", hieß es.

Sturm, Hagel und Gewitter über Gröditz: Anwohner geschockt

Superzelle über Gröditz

Endgültige Klarheit kann demnach nur eine Untersuchung der Schäden und des Schadensmusters vor Ort bringen. Dies würde aber einige Zeit in Anspruch nehmen. Dafür müsste auch das Fallmuster von Bäumen untersucht werden. Die Tornado-Experten gingen aber aufgrund der Bilder davon aus, dass die Windgeschwindigkeiten in Gröditz höher als 140 Kilometer pro Stunde gewesen sein müssen.

Wir priorisieren und arbeiten die Einsatzstellen nach und nach ab! Feuerwehr Gröditz | auf Instagram

Knapp 80 Einsätze hat es in der Kleinstadt infolge des Unwetters gegeben. Eine Hochspannungsleitung und eine Bahnstrecke wurden beschädigt. Darüber hinaus berichtete die Sprecherin der Stadtverwaltung von abgedeckten Dächern, beschädigten Autos und umgekippten Bäumen. Bei Instagram schrieb die Feuerwehr Gröditz am Dienstagabend: "Wir priorisieren und arbeiten die Einsatzstellen nach und nach ab!" Mehr als hundert Einsatzkräfte von Feuerwehr über Polizei bis zum Technischen Hilfswerk seien unterwegs. Auch am Mittwoch war die Feuerwehr noch im Einsatz.

Ein Baum liegt entwurzelt auf der Erde und hat ein Ortsschild mitgerissen.

Ein Baum liegt entwurzelt am Dienstagabend an einer Straße in Gröditz.

Die Polizei warnt vor herunterhängenden Stromkabeln auf Landstraßen zwischen den Dörfern Nauwalde und Spansberg unweit von Gröditz. Zwei Straßen sind seit Dienstagabend vorübergehend gesperrt.

Wetterdienst: Bedingungen für Tornado waren da

Beim Deutschen Wetterdienst wertet eine Expertengruppe die Daten aus, sagte DWD-Meteorologe Florian Engelmann am Mittwochmorgen. "Nur weil es große Windgeschwindigkeiten und Schäden gab, muss es nicht zwangsläufig ein Tornado gewesen sein", so Engelmann. Allerdings seien die Bedingungen, unter denen ein Tornado entstehen könnte, gegeben gewesen. 

Ein DDR-Neubaublock ist am Dach stark beschädigt. Balken und Dachpappe liegt auf Autos, die schwer beschädigt sind.

Das Dach dieses Neubaublocks wurde stark beschädigt (rechts). Balken, Ziegel und Dachrinnen flogen durch die Luft und landeten auf Autos, die vor dem Haus parkten.

Dazu zähle etwa eine zu Gewittern neigende Luftmasse, eine niedrige Wolkenuntergrenze in einer Höhe von 600 bis 1.000 Metern über dem Boden sowie große Unterschiede in den Windrichtungen auf engem Raum. Erst diese würden die Rotationsbewegung eines Tornados ermöglichen, so Engelmann. Auch wegen dieser Faktoren sei es schwierig, Tornados vorhersagen zu können. Allerdings sei das Wetterereignis in Deutschland selten. In Großenhain hatte es beispielsweise Pfingsten 2010 einen schweren Tornado gegeben.

Bahnstrecke zwischen Dresden und Berlin - ein Gleis frei

Wegen eines Baumes, der auf die Oberleitung gekracht war, strandete ein Eurocity nach Prag am Dienstagabend in Brandenburg. Die Fahrgäste mussten den Zug bei Elsterwerda verlassen und wurden auf Busse verteilt, wie eine Bahnsprecherin sagte.

Auf der Zugstrecke zwischen Dresden und Berlin ist ein Gleis wieder frei. Das andere sei noch wegen Räumungsarbeiten gesperrt, sagte eine Bahnsprecherin MDR SACHSEN. Reisende müssten daher weiter mit Verspätungen rechnen. Es würden aber keine Züge mehr umgeleitet. Eine Ausnahme bilde die Regionalbahn von Dresden nach Elsterwerda.

Gewitter mit Folgen für Public Viewing in Leipzig

Die Meteorologen hatten am Dienstag von einer "Schwergewitterlage" gesprochen und bis in den späten Dienstagabend amtliche Unwetterwarnungen für große Teile Sachsens ausgesprochen (Warnstufe 3 von 4). Davon betroffen war auch Leipzig, wo das Fanfest zum EM-Spiel Portugal gegen Tschechien am Nachmittag erst unterbrochen und dann kurzfristig vor Spielanpfiff ganz abgesagt werden musste.

In Leipzig mussten Polizei und Feuerwehr zu zahlreichen Einsätzen ausrücken: sechs Bäume stürzten auf parkende Fahrzeuge, aber auch Verkehrsschilder oder Dachbleche beschädigten Autos. Im Stadtteil Böhlitz-Ehrenberg zeriss ein umfallender Baum die Oberleitung der Straßenbahn. Nach Angaben der Polizei waren von Starkregen, Blitz, Donner und Orkanböen vor allem der Leipziger Südwesten bis Norden sowie die Stadt Markranstädt betroffen. Nach bisherigen Erkenntnissen gab es keine Verletzten.

Zwei Schwerverletze im Wald an Sachsens Landesgrenze

In Großthiemig, direkt an der Landesgrenze zu Sachsen, war ein 58 Jahre Mann beim Unwetter lebensgefährlich verletzt worden. Ein Baum fiel am Dienstag auf einen Kastenwagen und klemmte den Mann und den 60 Jahre alten Fahrer des Autos ein, sagte ein Sprecher der Polizei in Südbrandenburg. Beide Männer waren am Dienstag während des Unwetters auf einem Waldweg im Landkreis Elbe-Elster entlanggefahren, als der Baum auf das Auto fiel. Auch der 60-Jährige verletzte sich dabei schwer. Die Feuerwehr befreite beide aus dem Wagen. Der 58-Jährige wurde in ein Krankenhaus nach Dresden gebracht und ringt seitdem mit dem Tod, hieß es.

Unwetterprognose für Freitag

Für Freitag werden wieder Unwetter in Sachsen erwartet. Laut DWD ist mit Starkregen zu rechnen, aber auch Sturm und Hagel seien nicht auszuschließen. Noch sei unklar, wie heftig das Unwetter den Freistaat treffe, betonte Meteorologe Engelmann. Es werde aber auf jeden Fall mehr Regen fallen als am Dienstag. Wie hoch die Windgeschwindigkeiten sein würden, lasse sich noch nicht einschätzen.

Das Wetter für Sachsen für den 20. Juni

MDR (ama/kk)/dpa