Zwei Menschen auf einer Bühne, einer hat Mickeymausohren, der andere eine Horromaske wie in dem Film Scream
Player: audio"Minihorror" nach der Romanvorlage von Barbi Marković am Theater Magdeburg

Sachsen-Anhalt Schauspiel Magdeburg: "Minihorror" mit Lachgarantie

Stand: 22.03.2025 12:48 Uhr

Wenn aus den kleinen Alltagsdramen wirklicher Horror wird, der Küchenplatten-Monteur zum Killer und die Kuschelkatze zum Gruselmonster – dann ist "Minihorror" angesagt. Im Magdeburger Schauspielhaus hatte das Stück nach Barbi Markovićs preisgekröntem Roman Premiere. Herausgekommen ist ein Abend mit grotesken Effekten, ein Angriff auf die Lachmuskeln des Publikums.

Von Matthias Schmidt, MDR Kulturdesk

Schon wieder ein vertheaterter Roman auf der Bühne? Der Trend hält an, so viel steht fest. Im Fall der Magdeburger aber muss man sagen, wer will es ihnen verdenken, erleben sie doch gerade mit einer anderen Roman-Bühnenfassung einen ihrer bislang größten Erfolge – "Blutbuch" nach Kim de l‘Horizons Roman ist zum Berliner Theatertreffen 2025 eingeladen. Zudem muss man fairerweise sagen, dass am Magdeburger Schauspiel eine große Stoff- und Formenvielfalt herrscht und keinesfalls nur auf irgendwelche Bestseller gesetzt wird.

Zwei Menschen sitzen in Campingstühlen, daneben ein Sonnenschirm und dahinter eine Wand mit dem großen Foto eines Waldes.

Die auf verschiebbaren Pappwänden aufgebrachten Fototapeten zeigen die Ortswechsel im Stück.

Und: man kann in Magdeburg sicher sein, etwas Besonderes zu erleben, hier hat sich in den letzten Jahren ein unverkennbares, junges, urbanes Theater entwickelt, das hierzulande seinesgleichen sucht. So war es auch mit "Minihorror", einem reichlich eine Stunde langen Zeichentrickfilm mit echten Schauspielern, die Mickymaus-Ohren tragen. Dieser Abend ist etwas, das ich so noch nicht gesehen habe.

Dieser Abend ist etwas, das ich so noch nicht gesehen habe. Matthias Schmidt, MDR KULTUR-Theaterkritiker |

Kabinett des Schreckens

Miki und Mini sind ein ganz normales junges Paar. Aus ihren Alltagserlebnissen hat Autorin Barbi Marković eine Art Kabinett des Schreckens gemacht. Beispiel: die beiden gehen sich im Einrichtungshaus eine Küchenplatte kaufen, es gibt Lieferschwierigkeiten, sie hängen in Telefon-Warteschleifen – und dann kommt endlich ein Monteur zu ihnen, obwohl die zu montierende Platte nie geliefert wurde.

Das nennt man umgangssprachlich einen Alptraum, aber Barbi Marković steigert diesen Alltags-Ärger zu echtem Horror. Der Monteur wird zu einer Bedrohung, zu einem Monster, das Miki und Mini angreift.

Barbi Marković, eine Frau hält einen Blumenstrauß im Arm.

Für ihren Roman "Minihorror" wurden die serbische Schriftstellerin Barbi Marković 2024 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet

Magdeburger Publikum kann durchgängig lachen

Das Magdeburger Erzählprinzip ist dabei Komik pur, alles ist comic-haft, trickfilmartig. Der Abend besteht aus mehreren einzelnen Geschichten, ganz wie im Buch. Was sie alle verbindet ist, dass das Publikum wirklich ununterbrochen lacht. Egal, ob Miki und Mini beim Weihnachtsbesuch bei den Eltern den Horror der österreichischen Folklore erleben oder ob eine eigentlich ganz kleine Katze zur Horror-Katze wird, indem sie den Spieß umdreht und ihren Menschen beweist, dass sie kein lebendes Plüschtier ist und auch eine ziemlich gruselige Seite hat.

Eine Frau mit Mauseohren kniet auf einer Bühne, vor ihr steht eine menschengroße Katze.

Plötzlich geht es auf der Bühne um Katz und Maus.

Urkomisch wird das, indem die Inszenierung alles überzeichnet. Die Katze beispielsweise ist überlebensgroß, echt bedrohlich und zugleich ein Witz. Ein Nikolaus tritt auf, und in seiner Begleitung ein Kramperl, eine traditionelle Schreckgestalt mit Fell und Maske. Beide so echt, dass sie in diesem Kontext wie Karikaturen wirken. Dazu dann Miki und Mini mit ihren Mickymaus-Ohren und Sportschuhen, die eine Art Sprungfederabsatz haben, so dass sie auch ein bisschen trickfilmartig laufen.

Magdeburg hat Blick für neue, coole Inszenierungen

Das ist ein einigermaßen absurdes Paket, dass sich Regisseurin Alina Fluck da erdacht hat. Auch dass sie hier inszeniert ist eine Magdeburger Qualität: das Leitungs-Trio hat offenbar einen guten Blick für coole, neue Handschriften.

Vier Menschen mit Mickeymausmasken auf einer Bühne, eine sitzt, drei stehen und scheinen herumzuhampeln.

Trotz allem Humors bietet das Stück auch ernste und hintergründige Gedanken.

Alina Fluck ist Anfang 30, hat vor zwei Jahren erst ihr Regiestudium abgeschlossen, aber schon ein Dutzend Stücke in Ost und West inszeniert. Ebenso bei Bühne und Kostümen: die stammen von einem dänischen Frauen-Duo namens "Mother". Auf der Bühne ist eine Art IKEA-Kopie aufgebaut, ein Einrichtungshaus mit verschiebbaren Pappwänden, an denen Fototapeten die Ortswechsel verkörpern. Ziemlich abgefahren ist das und ziemlich gut durchdacht.

Pure Spielfreude auf der Bühne

Und es ist Spielfreude pur. Zwei Schauspieler und zwei Schauspielerinnen in ständig wechselnden Rollen toben sich wirklich richtig aus. Die gespielte Telefon-Warteschleife ist ein schauspielerisches Glanzstück. Anton Andreew als Miki und später als Arzt ragt aus einem insgesamt tollen Bühnen-Ensemble heraus. Der ist einfach umwerfend!

Eine Person mit Mickeymausmaske auf einer Bühne hält sich eine Klobürste zwischen die Beine.

Man merkt der Aufführung an, mit wie viel Spielfreude die Akteure agieren.

Mehr als ein alberner Abend im Theater

Zugleich ist "Minihorror" doch mehr als nur ein alberner Abend, denn was über allem schwebt und immer mal durchdringt ist, dass diese Minihorror-Komik einer Welt entspringt, in der offenbar etwas nicht stimmt. "Die Welt ist nicht in Ordnung", heißt es einmal, ein anders Mal "Miki weiß nicht, was er über das Leben denken soll. Ist es jetzt gut? Ist es schlecht? Man weiß es nicht!"

Ohne da zu viel hineindeuten zu wollen, der auf den ersten Blick komische Horror hat ja Ursachen, dahinter stecken Alpträume, und geschrieben wurde das Buch direkt nach der Corona-Pandemie.

Was auch immer es ist, Aufarbeitung oder einfach nur ein Weg-Lachen der Krise – es ist großartig!

Weitere Informationen zur Produktion

"Minihorror"
nach dem gleichnamigen Roman von Barbi Marković

Regie: Alina Fluck
Bühne, Kostüm: Mother (Camilla Lønbirk und Olivia Schrøder von Lüttichau)
Mit Anton Andreew, Laura Fouquet, Luise Hart und Niklas Hummel

Schauspielhaus Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64
39104 Magdeburg

Die nächsten Aufführungen:
29. März 2025, 19:30 Uhr
11. April 2025, 19:30 Uhr

Quelle: MDR KULTUR, Schauspielhaus Magdeburg
Redaktionelle Bearbeitung: op